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Film: DER PERFEKTE CHEF

26.07.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

derperfektechef 2

Filmstart: 29. Juli 2022 
DER PERFEKTE CHEF
El buen patrón  /  Spanien  / 2021 
Drehbuch und Regie: Fernando León de Aranoa
Mit: Javier Bardem, Manolo Solo, Almudena Amor u.a.

Eine mittelgroße, überschaubare Fabrik, die Waagen herstellt, irgendwo im ländlichen Spanien. Der Chef versammelt seine Mannschaft, klopft die bekannten Sprüche von der „Familie“, die seine Mitarbeiter für ihn seien, und vergattert sie zu Höchstleistungen – denn nächste Woche soll sich entscheiden, ob sie einen staatlichen Preis erhalten, der für ihn natürlich sehr wichtig ist.

Diesen Chef, den laut deutschem Filmtitel „perfekten“ Chef (im originalen Spanisch ist er  nur El buen patrón, auf Englisch nur The Good Boss) spielt Javier Bardem, im wahren Leben erst knapp über 50, mit Hilfe von ergrautem Haar und gesetzter Erscheinung äußerst glaubwürdig, mit Stil, und Überzeugungskraft. Man käme gar nicht auf die Idee, dass dieser „Patron“ Julio Blancoes es nicht ernst und ehrlich meint und dass ihm irgendetwas wichtiger ist als das Wohl seiner Angestellten. Und Bardem wird noch besser, wenn das perfekte, von ihm routiniert durchgezogene Image nach und nach ein wenig bröckelt…

Javier Bardem, in der Filmbranche international so erfolgreich unterwegs und so preisgekrönt wie seine schöne Gattin Penelope Cruz, der es immerhin zu einem Bond-Bösewicht und einem „Oscar“ gebracht hat, spielt hier nach langer Zeit wieder in einem spanischen Film, einer „kleinen“ Produktion, deren Anspruch, etwas Realität abzubilden, sich durchaus vermittelt.

Eine Woche lang (nach Tagen geordnet) darf man mit Julio Blancoes erleben, wie schwierig es ist, solch ein Unternehmen zu führen, zumal, wenn man sich menschlich um alles kümmern muss – aber doch eigentlich auch ohne Rücksicht seine kommerziellen Notwendigkeiten durchzuziehen hat. Immer wieder wurde dieser Film von Autor / Regisseur Fernando León de Aranoa als bittere Komödie bezeichnet, aber ehrlich Heiteres findet man offen gestanden nicht.

Ober soll es in diesen Szenen aus der Arbeitswelt lustig erscheinen, dass der gekündigte Mitarbeiter José (Óscar de la Fuente) als Ein-Mann-Show vor der Fabrik so lange protestierend Radau macht, bis Fernsehen und Soziale Medien anrücken, der Chef ihm dann alles anbietet, damit er nur Ruhe gibt – und dem Mann, der  nun die Macht geschmeckt hat, die neue Rolle des stolzen Widerstands gegen den Kapitalismus viel besser gefällt als das brave Arbeiten? Das sind so die Bosheiten der Menschen…

Viele einzelne Elemente weben sich in die Geschichte, die leider dennoch nicht übertrieben spannend ist – nicht, wenn es  um die privaten Nöte seines Mitarbeiters und Freundes Miralles (Manolo Solo) geht, wobei dessen Ehefrau die Versuche des Chefs, hier zu vermitteln, höchst unfreundlich aufnimmt. Ja, und wenn eine hübsche Azubi namens Liliana (Almudena Amor) es auf ein Pantscherl mit dem Chef geradezu anlegt, wird er – obzwar ja so glücklich verheiratet – auch nicht ablehnen. Aber er wird auch wissen, wann  dergleichen rücksichtslos beenden muss… Notwendigkeiten, nicht wahr?

Zwei Stunden dauert es, bis man dabei sein darf, wie der ersehnte Preis überreicht wird, und nun kennt man alle Lügen, die hinter der Fassade stecken. Letztendlich hat man mit dem Chef eine eher mühevolle Woche verbracht, die sich für den Zuschauer ziemlich zieht. Und die ihre gelegentlichen ironischen Brocken vor allem mit bitterer Realität umspült.

Renate Wagner

 

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