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Film: DER KÖNIG DER LÖWEN

16.07.2019 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 17. Juli 2019
DER KÖNIG DER LÖWEN
The Lion King / USA / 2019
Regie: Jon Favreau
Stimmen in der Originalfassung: Donald Glover, Seth Rogen, Beyoncé Knowles, James Earl Jones, Chiwetel Ejiofor u.a.

Eines sei vorausgeschickt: Da möge sich vor dem Zeitgeist verbiegen, wer will. Disney bleibt Disney, und das ist wahrscheinlich gut so. Da mag es schon die Vorwürfe prasseln, dass der neue „König der Löwen“ (sogar der falsche Titel bleibt, denn „The Lion King“ ist der Löwen-König, nicht nur über seine Löwen, sondern über die ganze afrikanische Tierwelt herrschend) „nichts Neues“ bringt. Sondern einfach nur den technischen Fortschritt eines Vierteljahrhunderts – so lange (1994) ist es auch schon wieder her, dass das „Zeichentrick“-Original (wie man damals sagte) die Welt eroberte.

Nun hat Jon Favreau (derzeit gerade als Freund von Spidermans Tante auf der Kinoleinwand) als Regisseur das gemacht, was man zuerst „Realverfilmung“ nannte, aber nie als solche gedacht war. Tatsächlich kommt der neue Film mit raffinierten Techniken total aus dem Computer – und so „lebensecht“ er im Vergleich zur gezeichneten Vorlage wirkt, so ist er doch noch einen Tick so „künstlich“, dass er auf Disney-Art richtig wirkt…

Vom Zeichentrick zum Computertrick also – die Unterschiede sind nicht so groß und doch da. Jedenfalls weht der alte Disney-Geist über Afrikas Steppe: die Tiere sind total menschlich, die großen Emotionen zwischen Menschen von Liebe bis Haß werden angesprochen, das Coming of Age eines jungen Geschöpfs wird gezeigt, dazu Weltweisheit in markig-pathetischen Sprüchen, Humor und überschwappende Musik. Nur an der Dosierung hat sich dies und das geändert.

Wenn man sich die Mühe gemacht hat (die keine Mühe war), sich die alte Version zum Vergleich anzusehen, wirkt der einstige gezeichnete Löwenkönig durch seine Stilisierung fast frischer und vor allem witziger als die scheinbaren „Echt-Tiere“. Manches, etwa die Zeichnung der im Original so ungeheuer bösen und gehässigen Hyäenen, wurde in der neuen Fassung sogar zurück genommen. Für kleine Kinder ist das Ganze immer noch Angst erregend genug (falls man heutige Kinder bei allem, was sie auf ihren Smartphones sehen, überhaupt noch schrecken kann). Was den neuen Film vom alten deutlich unterscheidet, ist der geringere Anteil an Humor, selbst „Hakuna Matata“ wirkt nicht so hinreißend wie einst.

Natürlich ist das das Ganze mit gekonnter Musik überschüttet (Hans Zimmer versteht sein Handwerk), wie man sie als Hilfsmittel braucht, wenn die Disney-Leute (in Handlung und großteils auch Text dem Original folgend) die Gefühlsskala auf und ab spielen und ganz genau wissen, welche Knöpfe sie beim Kinopublikum drücken müssen, um es zu entzücken (mit dem Löwenbaby), um es zu unterhalten (mit den „lustigen“ Tieren), um es zu Tränen zu rühren (wenn Löwenpapa stirbt), um es zu schrecken (wenn es vor den mörderischen Hyänen offenbar kein Entkommen gibt), um es dramatisch zu packen (wenn man den bösen Onkel Scar bekämpft, der hier wirklich wie ein hagerer, struppiger, elender Bösewicht-Löwe aussieht) – und am Ende so richtig glücklich zu machen, wenn aus Löwenbaby Simba der Löwenkönig geworden ist, mit seiner treuen Nala an der Seite, mit schon dem nächsten Baby, das man einer begeistert akklamierenden afrikanischen Tierwelt zeigt, die jubelt, als sei sie bei einem Pop-Konzert.

Was einst die Zeichner geleistet haben, schaffen nun die Männer an den Computern mit Meisterschaft, die Tiere zu sprechenden Menschen-Gleichnissen zu machen, poetisch-pathetische Landschaft und fast atemberaubende Action (eine alles niedergaloppierende Gnu-Herde) einzusetzen, Spaß zu machen – ja, die Tierwelt wird auch, wenn die Musik es vorgibt, im Rhythmus mit den Hüften wackeln. Immer wieder ist es die Meisterschaft des Handwerks, die es nebenbei zu bewundern gilt.

THE LION KING – Featuring the voices of JD McCrary as Young Simba, Disney’s “The Lion King” is directed by Jon Favreau. In theaters July 19, 2019. © 2019 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.

Natürlich ist man am glücklichsten, solange Löwen-Kronprinz Simba das „Löwenbaby“ ist, es geht ja einfach nichts über tapsige Jungtiere (auch im wirklichen Leben, wie man von kleinen Katzen weiß), erwachsen sind sie dann nicht mehr so possierlich. Aber das Warzenschwein Pumbaa und das schrille Erdmännchen Timon, die Komiker des Ganzen, der quirlige Nashornvogel Zazu, der weise Affe Rafiki, der als Schamane wirkt (es ist auch sehr viel Seelenvolles da drin), die bleiben, wie sie sind.

Und weil man bei Disney weiß, wo die Bösen sind – Scar, der böse Bruder von König Mufasa, der seinen Neffen Simba lange Zeit so unglücklich macht, und dessen Hyänenschar (die nur ein bisschen lustig und sehr bedrohlich ist), erfüllen ihre Aufgabe. Die Frauen, die brave Mutter Sarabi und die tapfere Geliebte Nala, bleiben im Hintergrund. Disney lässt weder die Gender-Debatte noch „metoo“ in sein nach wie vor märchenhaftes Afrika und das neu erstandene „König der Löwen“-Kinoglück.

Nein, nicht alles neu macht der Disney. Alles bleibt beim Alten. Auch das muss möglich sein im Pluralismus unserer Welt, ohne dass sich die Hyänen der sozialen Medien darüber stürzten.

Renate Wagner

 

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