Starttermin: 15. Oktober 2020
DER GEHEIME GARTEN
The Secret Garden / GB / 2020
Regie: Marc Munden
Mit: Dixie Egerickx, Colin Firth, Julie Walters, Edan Hayhurst u.a.
Österreichisches Prädikat: Sehenswert
Frances Hodgson Burnett (1849-1924), gebürtige Britin, die später in den USA lebte, genießt im englischsprachigen Raum einen großen Ruf für ihre Kinder- und Jugendbücher. Hierzulande kennt man vor allem zwei davon, nicht zuletzt durch die häufigen Verfilmungen (und dass sie im Fernsehen regelmäßig im Weihnachtsprogramm auftauchen). „Der kleine Lord“ (1886) und „Der geheime Garten“ (1911) sind dabei nach dem gleichen Muster gestrickt: Jedesmal geht es um seelisch vernachlässigte Kinder in einer Umgebung von verhärteten Erwachsenen – und natürlich schmelzen am Ende die Herzen…
„Der geheime Garten“ ist die Geschichte der zehnjährigen Mary Lennox – die neuestes Verfilmung (wollte man zählen, die wievielte es ist, käme man auf eine stattliche Zahl) beginnt mit dem Kind, das mit den englischen Eltern in Indien aufwächst. Schon da spielt das Unheimliche hinein – das kleine, vereinsamte Mädchen, das sich selbst düstere Geschichten erzählt und dann erleben muss, wie bei einem Aufstand beide Eltern sterben. Auch wenn man Mary dann in England erlebt, werden Erinnerungen an ihre Kindheit in Indien immer wieder blitzartig auftauchen und sie in Unsicherheit versetzen…
Dass der Bruder ihrer Mutter, Lord Archibald Craven, sie aufnimmt, steht außer Frage – so lange er sich nicht mit ihr beschäftigen muss. Mary kommt nach Misselthwaite Manor in Yorkshire, und schon Mrs. Medlock, die sie empfängt, als sie vom Schiff kommt, verströmt die ganze menschliche Härte, die sie empfängt – mit Ausnahme der rührenden Magd Martha, die sich des Mädchens menschlich annimmt. Aber auch Mary ist aristokratisch hochnäsig – sie wolle keinesfalls eine Last sein, lässt sie wissen, und sie brauche keine Unterhaltung, man muss sich nicht um sie kümmern. Und außerdem hat sie nicht darum gebeten, hier zu sein…
Gut. Was macht ein Kind in einem riesigen Schloß allein? Sie erforscht es erst einmal. Es wird zu einer Art Horrorszene, wenn sie in einem Zimmer einen Jungen entdeckt, der an sein Bett gefesselt ist – es ist ihr Cousin Colin, den die Angst des Vaters um sein Leben einsperrt und ihn zum Kranken erklärt… Auch Colin hat keine Mutter, und beide Kinder empfinden diesen Verlust als ebenso schmerzlich wie auch als eine Art von böswilligem Verlassen-worden-sein…
Wenn sich jetzt die junge Generation gegen die alte verbündet, denn irgendwann taucht endlich auch der distanzierte, unliebenswürdige Onkel auf, dann bedarf es nur noch des magischen Zaubergartens, um die Geschichte mit geringen Komplikationen zu einem guten Ende der, wie erwähnt, schmelzenden Herzen zu führen.
Das gelingt, obwohl die Handlung trotz einiger Komplikationen nicht sehr kompakt ist, dem Regisseur Marc Munden nicht zuletzt durch seine Ausstatter, die einen blühenden Garten kreieren, wie es ihn in solch strahlend paradiesischen Dimensionen wohl nur gibt, wenn man der Natur digitalisiert ein wenig nachhilft – und wo sich dann auch die „Mystery“-Elemente der Geschichte entfalten. Natur, die hier ihre heilende Kraft entfalten kann, als Gegenpol zu dem düsteren Schloß mit seinen beengenden Mauern, in dem man nur unglücklich sein kann. Und wenn die Kinder sich absichtsvoll-schmerzlich an ihre verlorenen Mütter erinnern – dann hat man den geradezu Freud’schen Effekt der Aufarbeitung der Vergangenheit vor sich…
Es ist dann auch die Besetzung, die überzeugt: Dixie Egerickx als ungemein lebendige, sympathische, ungekünstelte Mary, Colin Firth wie das Gemälde eines lange unbeweglichen Lords, Julie Walters als die kalte Haushälterin, Edan Hayhurst als der von Mary dem Leben zurück gegebene Cousin und der junge Gärtner Dickon (Amir Wilson als farbiger Beitrag zur Besetzung), einem Bruder von Martha (Isis Davis), der ihr Gefährte im Abenteuer „Garten“ wird.
Die Lösung aller Probleme heißt natürlich Liebe, und es läuft so glatt, wie das in der Literatur eben sein mag, aber man spürt doch jeden Augenblick, dass diese Kindergeschichte zurecht ein Klassiker ist – zumal das Dunkle hier neben dem Hellen seinen erklecklichen Anteil bekommt, der Kitsch also einigermaßen gebändigt wird.
Renate Wagner