Filmstart: 30. Jänner 2025
DER BRUTALIST
The Brutalist / USA / 2024
Drehbuch und Regie: Brady Corbet
Mit: Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce u.a.
Epische Geduld
Der „Brutalist“ des Titels bezieht sich nicht auf das Wesen des Helden, des (fiktiven) ungarischen Architekten László Tóth. Zwar ist er einigermaßen hart und kompromißlos darin, seine künstlerischen Ideen umzusetzen, aber das „Brutale“ bezieht sich auf seinen Stil – Beton und eckige Formen, wie er sie vom europäischen Bauhaus mitgebracht hat, als er gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Überlebender eines Konzentrationslagers, in die USA einwandert.
Brady Corbet, mit seiner erst dritten Filmregie nahezu noch ein Newcomer, hat sich (auch als sein eigener Drehbuchautor) wahrlich ein Riesenprojekt vorgenommen – in jeder Hinsicht. Denn der Film dauert dreieinhalb Stunden (!!!, das ist fast so lang wie „Lawrence von Arabien“), was er von der Handllung her nicht unbedingt trägt. Aber Corbet will einfach alles noch und noch erzählen, wobei gewissermaßen zwei gleich wichtige Handlungsstränge nebeneinander laufen.
Erstens die Entschlossenheit dieses László Tóth, der als Nobody in die USA kommt und eigentlich nichts zu fordern hat, aber bereit ist, auf alle Möglichkeiten zu verzichten, wenn er Bauten nicht nach seinen Vorstellungen ausführen und durchziehen kann. Wenn er für seine reichen und mächtigen Auftraggeber da keine Kosten scheut und auch gegen deren Willen handeln möchte, sind alle Zusammenstöße und Rückschläge programmiert. Der amerikanische Traum ist nicht so leicht zu erfüllen…
Parallel geht es um die Psychologie der Migration, die der Film mit ähnlicher epischer Geduld ausbreitet. Zu Beginn findet Tóth Hilfe bei einem Cousin, der sein Judentum aber längst so abgelegt hat wie seinen jüdischen Namen. Die familiären Bindungen wären noch da, aber wenn die amerikanische Gattin des Vetters ihrem Antisemitismus freien Lauf lässt, muss Tóth gehen. Es gibt Szenen etwa bei gemeinsamen Essen mit Kunden, wenn von dem immigrierten Juden Geschichten seiner schrecklichen Vergangenheit erwartet werden, ungeachtet dessen, ob er darüber reden will oder nicht. Und wenn seine Gattin (wunderbar innerlich erstarrt: Felicity Jones) Jahre später in Amerika eintrifft, so sitzt sie im Rollstuhl, weil das Konzentrationslager ihre Gesundheit zerstört hat, und sieht mit zutiefst kritischem Blick auf diese amerikanische Welt, die damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, keine besondere Sympathie für Juden erkennen lässt…
Nun ist der Film sehr lang, schleppt sich doch ein wenig von Projekt zu Projekt des entschlossenen Architekten, der erst in einem Nachspann bei der Biennale in Venedig für seine Werke jene Anerkennung erntet, die ihm gebührt. So, wie Brady Corbet diesen Film gestaltet hat, erweckt er fast den Eindruck, es gehe um einen richtigen Menschen, dem man Gerechtigkeit widerfahren lassen müsste…
Der „Brutalist“ wurde mit Ehrungen überschüttet, er erhielt die „Golden Globes“ in den Königsziplinen bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller, und er geht mit zehn (!) Nominierungen in die „Oscar“-Nacht , wo er zweifellos viele Statuetten heim nehmen wird.
Natürlich zurecht für die gewissermaßen so entschlossene Regieleistung und für Adrian Brody in der Hauptrolle, der wie so oft berührende Traurigkeit als immanentes Schicksal ausstrahlt. Interessant ist der Film allemale, aber Sitzfleisch erfordert er auf jeden Fall.
Renate Wagner