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Film: DAS RÄTSEL

31.05.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 2. Juni 2023 
DAS RÄTSEL
Les Traducteurs  /  Frankreich, Belgien / 2019
Regie: Régis Roinsard
Mit: Olga Kurylenko, Lambert Wilson u.a.

Ähnliches gab es wirklich einmal, und niemand sage, dass es in der Welt der Literatur bzw. des Verlagswesens nicht spannend zugehen könne. 2013, als der Bestseller-Autor Dan Brown in aller Munde und ein millionenschwerer Welterfolg war, sperrte man tatsächlich die Übersetzer seines kommenden Romans „Inferno“ eine zeitlang weg, um sicher zu gehen, dass keine Details des Buches vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangten.

Das ist nun auch die Vorgabe des Films „Das Rätsel“, der nicht gerade taufrisch ist: Die französisch-belgische Produktion mit internationaler Besetzung war als „Les Traducteurs“ schon 2019 vielerorts im Kino. Dass der Film erst jetzt die deutschen und österreichischen Kinos erreicht, stört allerdings nicht – der Mix aus Literatur, Geschäft, Psychoterror bis ausgespielter Terror, Whistleblowing und nicht zuletzt „Wer ist der Täter?“ ist ziemlich zeitlos.

In dieser fiktiven Geschichte geht es um einen Autor, der als Person unbekannt ist, dessen auf eine Trilogie angelegten Erfolgsromane „Daedalus“ nun den lang erwarteten letzten Band finden sollen. Es agiert der Verleger Éric Angstrom (Lambert Wilson, grenzenlos cool), der neun Übersetzer für ebenso viele Sprachen verpflichtet, die zeitgleich die Übersetzungen herstellen sollen, die zusammen mit dem Original erscheinen werden. Strengste Geheimhaltung – ja. Aber dass man sie in den (luxuriösen!) Kellerräumen eines französischen Schlosses einsperrt, von russischen Leibwächtern kontrolliert, ohne jeglichen Zugang zur Außenwelt… das haben sie nicht erwartet. Und schon gar nicht, dass man diese Forderung, als sie durchbrochen scheint, mit Terror wieder herstellen würde…  

Den meisten Kritikern ist in diesem Zusammenhang natürlich niemand Geringerer als Agatha Christie eingefallen – oft genug hat sie ihre Protagonisten „eingesperrt“ (in einen Zug, auf einem Schiff, auf einer Insel, in einem verschneiten Haus), so dass bei einem Verbrechen klar ist – es muss einer von ihnen sein (na, nicht unbedingt, in der „Mausefalle“ ist das anders, aber… Fans kennen sich aus).

Wie schwer Geheimhaltung in unserer Welt ist, das weiß man, selbst aus den Konklaven des Vatikans kommen Gerüchte. Und so werden auch die ersten Seiten des Romans geleakt – und, wie heute üblich, eine immense Erpresser-Summe verlangt, damit nicht auch der Rest im Netz allgemein zugänglich veröffentlicht wird, was das Buch wertlos machen würde…

Der Film von Régis Roinsard, der als Co-Autor des Drehbuchs manches zur Klärung hätte beitragen können, kämpft wie viele Regisseure mit der Personenfülle. Neun Übersetzer – wobei bei den Damen im Grunde nur die Russin Katerina  in Gestalt von Olga Kurylenko hervorragt, vor allem,  weil sie neben Lambert Wilson der einzige bekannte Name der Besetzung ist und in ihren weißen Outfits so phantastisch aussieht. Die Deutsche Ingrid (Anna Maria Sturm mit Wuschelkopf), die Dänin Helene (Sidse Babett Knudsen geht auf ein schlimmes Ende zu) und die Portugiesin Telma (Maria Leite, punk-ig aufgemacht) haben dagegen weder als Charaktere noch dramaturgisch viel zu vermelden.

Bei den Herren dominiert Brite Alex (Alex Lawther), der Grieche Konstantinos (Manolis Mavromataki, übrigens der einzige „Alte“ unter den Übersetzern) fällt durch seine dauernd polit-kritischen Sprüche auf, und ein Chinese (Frédéric Chau) ist nun einmal als solcher auffallender als ein Spanier (Eduardo Noriega) oder ein Italiener ((Riccardo Scamarcio).

Anfangs dürfen alle über ihre Situation diskutieren und auch über Literatur, die Kunst des Übersetzens und den Wert von Kultur, aber wenn die Handlung „böser“ wird, schaut für die Einzelnen nicht mehr viel heraus. Auch überbordet die Unübersichtlichkeit des Geschehens.  Immerhin schafft es der Film mit Rückblenden und Vorschauen, wenigstens einmal dem „Gefängnis“ zu entkommen und eine Hetzjagd durch Paris einzubauen. Wesentlich spannender wird die Sache dadurch nicht. Auch nicht, als es Leichen gibt – nachdem man sich schon gefreut hatte, in einem alten Buchhändler  (Patrick Bauchau) den Autor der Bücher erkannt zu haben…

Sicher, das Milieu des Eingeschlossenseins, das Thema von Literatur, brutalem Geschäft, Bereitschaft zu jeglichem Verbrechen (was man gar nicht bezweifelt…)  hat einiges für sich. Aber man wird das Gefühl nicht los, für einen angekündigten „Thriller“ wäre an Spannung noch einiges mehr drinnen gewesen…

Renate Wagner

 

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