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Film: CALL JANE

29.11.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 2. Dezember 2022 
CALL JANE
USA  /  2022 
Regie: Phyllis Nagy
Mit: Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Chris Messina, Kate Mara u.a.

„Call Jane“ klingt wie die Aufforderung, sich bei einem Callgirl-Ring zu melden, aber mitnichten – das ist die wahre Geschichte weiblicher Selbsthilfe in den USA der sechziger Jahre, ein Kampf um die Freiheit der Abtreibung, der eben jetzt wieder genau in diesem Land zur wackeligen Diskussion steht, was diesen Film von der historischen teilweise auf die aktuelle Ebene kippt.

An sich wird man in die sechziger Jahre zurück versetzt, nein, eben nicht „Bettgeflüster“, Doris Day und Co., sondern eine höchst restriktive bürgerliche Welt. Wenn Joy eine Abtreibung braucht, weil die Geburt ihres Kindes sie mit einiger Sicherheit das Leben kosten würde, so schütteln alte weiße Ärzte den Kopf und gestatten es nicht – schließlich ist es illegal, und was ist ihnen das Leben der Frau schon wert? Also muss sie sich selbst helfen. Und es gibt eine Gruppe, an die sie sich wenden kann.

Es gab sie wirklich, dieses Jane Collectiv. und ihre Mitarbeiterinnen, die riskierten, im Gefängnis zu landen – und die dennoch Frauen aus der Not halfen. Regisseurin Phyllis Nagy erzählt die Geschichte geradezu wie einen Dokumentarfilm anhand von zwei zentralen Frauenfiguren. Da ist Joy (glänzend Elizabeth Banks), die die Courage hat, ihr Problem selbst zu lösen, wenn die Männer versagen. Die sich auf die Pritsche hinlegt und das Kind, das sie umbringen würde, ohne weiteres Federlesens abtreiben lässt. Und da ist Sigourney Weaver als Gründerin der Gruppe, die immer misstrauisch sein muss, ob Frauen nicht als Spitzel zu ihr kommen, um sie den Gerichten auszuliefern. Als sie erkennt, dass sie Joy vertrauen kann, bindet sie die brave Hausfrau anfangs gegen deren Willen, dann immer breitwilliger, nach und nach in ihren „Betrieb“ ein.

Fakt ist, dass die „Janes“ von betuchten Kundinnen wie Joy eine Menge Geld nahmen, das sie brauchen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Vor allem verlangt der undurchsichtige Dean (Cory Michael Smith spielt absolut keinen Idealisten), der die Abtreibungen ohne die geringste Emotion und Empathie durchführt, 100 Dollar pro Aktion. Und das haben die vielen farbigen Frauen, die in höchster Not hierher kommen, weil sie schon zu viele Kinder haben und weitere nicht ernähren können, nicht…

Das Schicksal von Joy ist der rote Faden der Geschichte. Zu Beginn ihrer Tätigkeit holt sie Frauen ab, nach und nach assistiert sie bei den Abtreibungen, um den Schwangeren menschlichen Rückhalt zu bieten. Die moralische Entrüstung, wenn ein oberflächliches junges Mädchen gewissermaßen achselzuckend-gleichgültig abtreiben lässt, weil ihr Freund verheiratet ist, gewöhnt sie sich schnell ab. Ihr Ehemann (Chris Messina) lässt sich dank seines schlichten Gemüts alle Ausreden gefallen, die Joy findet, weil sie kaum noch zuhause ist – allerdings merkt die Nachbarin (Kate Mara) bald, dass der Mann jetzt so oft allein ist und Zuspruch braucht…

Die Regisseurin will nichts anderes, als Bewunderung für Frauen erwecken, die vor rund 60 Jahren die Herrschaft der Männer über ihren Körper und ihr Leben abgeschüttelt hatten, bis dann das Abtreibungsverbot unter Auflagen aufgehoben wurde. Das macht die ganze Geschichte – die die „Sechziger“ optisch glänzend beschwört –  ein wenig trocken. Aber neben Farbigen, Schwulen und vielen anderen Minderheiten gehören auch die Frauen zu jenen, die ihre Geschichten erzählen wollen – weil da viel vergangenes Unrecht zusammen zu kehren ist. Und viel weiblicher Mut zu würdigen.

Renate Wagner

 

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