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Film: BERGMAN ISLAND

25.10.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

large bergman island poster~1

Filmstart: 29. Oktober 2021 
BERGMAN ISLAND
Frankreich, Schweden, Belgien, Deutschland  /  2021 
Drehbuch und Regie: Mia Hansen-Løve
Mit: Vicky Krieps, Tim Roth, Mia Wasikowska, Anders Danielsen Lie u.a.

„Bergman“ ist hier nicht irgendein Name, auch nicht Ingrid Bergman, sondern „der“ Bergman, Ingmar (1918–2007). der das europäische Kino mitgeprägt hat wie wenige andere (Fellini, Bunuel…). Die letzten Jahre seines Lebens hat er auf der schwedische Insel Fårö verbracht, wo er mehrere seiner Filme drehte. („Szenen einer Ehe“, so heißt es einmal, habe Millionen von Scheidungen nach sich gezogen…)

Die ganze Insel ist  heute gewissermaßen ein Bergman-Museum und zieht trotz der Abgeschiedenheit seinetwegen viele Touristen an. So klein die Insel mit ihren ca. 500 Einwohnern ist, so betreibt sie doch schwungvollen Handel mit der Erinnerung an den großen Regisseur, man bietet die Häuser zur Miete an, in denen er Filme gedreht hat, und die „Bergman Safari“ ist ein Erinnerungs-Rundtrip, der natürlich auch zu seinem Grab (ein bescheidener Stein am Friedhof) führt.

Hierher schickt die französische Regisseurin Mia Hansen-Løve ein ungleiches Filmemacher-Ehepaar, um dann (nach ihrem eigenen Drehbuch) ein ziemlich komplexes Konstrukt vor den Kinobesucher hinzustellen. Es ist ein Film im Film im Film, den sie hier erzählt, wobei die oberste Schichte der (echten) Realität für den Kinobesucher irrelevant ist, nämlich, dass sie selbst lange Zeit gewissermaßen als Sidekick zu dem berühmten, weitaus älteren Regisseur Olivier Assayas galt, mit dem sie ein Kind hat.

So, wie einst Hansen-Løve mit Assayas nach Farö reiste, tun es im Film der berühmte Filmemacher Tony und seine Frau Chris. Die kleine Tochter haben sie zuhause gelassen. Natürlich bewundern sie Bergman, aber eigentlich wollten in der schwedischen Abgeschiedenheit in Ruhe arbeiten, vor allem Chris hat ein Drehbuch im Kopf, das ihr wichtig ist. Aber Ruhe findet sich nicht so leicht, weil eine Menge Leute vom Film unterwegs sind, die sich gleich an Tony hängen. Und man kann dem Bergman-Zirkus auch gesprächsweise nicht entkommt.

Dabei wundert sich Chris schon über die absolute Selbstverständlichkeit, mit der Männer alles für sich in Anspruch nehmen – Bergman hatte neun Kinder von sechs verschiedenen Frauen, aber gekümmert hat er sich um seinen Nachwuchs kaum. Er war kein „family man“, heißt es entschuldigend, aber doch voll Verständnis (von Seite der Dame, die dies berichtet), und man könne schließlich kein großes Werk schaffen, wenn man Windeln wechseln müsse…

bergman island er und sie

Auch in der Beziehung von Tony und Chris ist er eindeutig der Star, und Tim Roth, spürbar älter als die Partnerin, spielt ihn mit einer gewissen Herablassung. Ihre Arbeit und ihre Ambitionen, nimmt er nicht wirklich ernst, Hilfestellung will er nicht geben, (es muss ja nicht „Persona“ werden, was sie da verfasst, meint er – ziemlich niederträchtig, wenn auch wahr). Vicky Krieps spielt die Unruhe, die diese Chris herumtreibt, die sich künstlerisch ausdrücken will, sich aber immer wieder scheitern fühlt, nicht weiß, wie sie ihre Geschichte weiter bringen soll.

Als Tony ihren Forderungen nach Anteilnahme an ihrer Arbeit nicht mehr entkommen kann, lässt er sich von Chris die Handlung ihres Films erzählen. Und damit klappt eine weitere Ebene von „Bergman Island“ auf, die man visualisiert bekommt. Sie spielt auf einer Insel wie dieser, hier kommt Amy an, sehr schlicht und doch intensiv verkörpert von Mia Wasikowska, eindeutig ein Alter Ego von Chis, so wie Chris ganz offensichtlich ein Alter ego von Regisseurin Mia Hansen-Løve ist. Amy ist auch Filmemacherin, hat ihre verlorene Liebe zu Joseph (Anders Danielsen Lie) in einem Film dargestellt, kommt nun auf die Insel, weil eine Freundin einen Schweden heiratet – und trifft, das ist unvermeidbar, Joseph.

Und obwohl er auch angibt, sie zu lieben, obwohl er mit ihr ins Bett geht, fühlt er sich nicht wohl dabei. Er hat eine Freundin, mit der er an einer Beziehung arbeiten will. Warum nicht mit mir? fragt Amy. Und da zeigt es sich, dass das Kind, das sie von einem anderen Mann hat, für ihn einen Hinderungsgrund darstellt. Das Kind als Frauenschicksal.

Hier weiß Chris mit ihrem Drehbuch dann nicht mehr weiter. Was nun? Bringt Amy sich um? Tony rät ihr gar nichts, das müsse sie mit sich selbst ausmachen (Männer sind offenbar keine Hilfe).

Immerhin holt er die kleine Tochter ab und bringt sie auf die Insel. Als Chris die Arme ausbreitet, um ihre Tochter zu umarmen, hat sie ihr eigenes (und wohl auch Amys Schicksal) besiegelt. Es bleibt im Regelfall an den Frauen, Jahrzehnte ihres Lebens den Kindern zu widmen, während viele Männer vollmundig die Wichtigkeit der Familie preisen, aber daneben ein schrankenloses „Berufs“-Leben (und was immer sie noch daran hängen) führen…

Ingmar Bergman ist Katalysator für manches Problem, das durch diesen Film huscht. Aber Mia Hansen-Løve hat ganz ihre eigene Geschichte erzählt – von den Schwierigkeiten, das Leben einer kreativen Frau zu führen.

Renate Wagner

 

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