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Film: BENEDETTA

14.12.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  17. Dezember 2021 
BENEDETTA
Frankreich  /  2021 
Drehbuch und Regie: Paul Verhoeven
Mit: Virginie Efira, Daphné Patakia, Charlotte Rampling, Lambert Wilson u.a.

Zuerst erklingen fromme Choräle, aber keine Angst, es wird kein besinnlicher Film aus dem Nonnenkloster. Dann sieht man einen Wagen durch die Landschaft rumpeln, Volksszenen, marodierende Banden reiten übers Land, man befindet sich im 17. Jahrhundert in Italien, und ein Historienfilm lässt grüßen. Ein kleines Mädchen sitzt im Wagen, sie ist altklug, aufgeweckt und interessiert, sie fürchtet sich nicht, als sie an der Schwelle eines Klosters in Pescia in der Toscana abgegeben wird (gesprochen wird in diesem Film allerdings ausschließlich Französisch) – Eltern halten es in diesen unsicheren Zeiten für eine gute Lösung für ihr frommes kleines Mädchen und zahlen entsprechend für das angeblich sichere Leben.

Schnitt, eineinhalb Jahrzehnte sind vergangen, und wir erleben Benedetta hinter Klostermauern, die nicht gar so verschlossen sind – immer wieder werden Nonnen, die sich hinaus begeben, von Soldatenhorden „gefangen“ und vergewaltigt. Wir befinden uns, spätestens jetzt muss man das betonen, in einem Film von Regisseur Paul Verhoeven, nicht dem deutschen Senta-Berger-Schwiegervater, sondern jenem Niederländer, der schon einige Skandalfilme auf die Leinwand geworfen hat – am berühmtesten wohl „Basic Instinct“ (mit Sharon Stone), aber manches mehr, zuletzt so provokativ und brutal, wie es nur geht, mit „Elle“ (wo sich Isabelle Huppert gänsehaut-erzeugend für eine Vergewaltigung gerächt hat).

Kurz, Paul Verhoeven hat es mit Brutalität, mit Brutalo-Humor auch, der nicht jedermanns Sache ist, und vor allem mit dem Sex, und den findet er auch im Nonnenkloster, wo es bei ihm nicht besinnlich, sondern so sinnlich zugeht, wie es böse Menschen ja immer schon hinter Klostermauern vermutet haben. Jedenfalls ist er dem Marquis de Sade näher als der Geschichte einer Nonne, und die Liebesszenen zwischen unersättlichen jungen Mädchen streifen den Soft-Porno, von dem die beiden (und der Regisseur) schier nicht genug bekommen können. Dass Verhoeven dabei allerdings die weibliche Befreiung gegen brutale Unterdrückung ihrer Gefühle schildert, wird auch ziemlich klar. Spirituelles ist bei ihm jedenfalls eindeutig weniger mächtig als Sexuelles.

Erzählt wird das, wie der Titel schon sagt, am Beispiel der jungen Benedetta (Virginie Efira), die alle Anzeichen einer Heiligen bietet, mit Stigmata und der Stimme von Jesus, die sie angeblich vernimmt. Kann man es ihr glauben? Alles explodiert geradezu, als sie sich in Bartolomea (Daphne Patakia) verliebt, ein Mädchen aus dem Bauernstand, das vor ihrem brutalen Vater ins Kloster flüchtet. Die  beiden Mädchen zeigen einem männlichen Publikum schnell, was sie sich sonst im Pornokino suchen müssen….

Dass unterdrückte Gefühle in Hysterie ausschlagen können, die dann als religiöse Visiionen genommen werden – so betrachten Menschen, die weder fromm noch gläubig sind, die Ereignisse in Klöstern, wo unter den Schwestern auch nicht reine Harmonie herrscht. Eine elegante und mit Recht misstrauische Mutter Oberin (Charlotte Rampling) erweist sich am Ende jedoch in ihrem Verhalten als Überraschung…

Klar wird jedenfalls, dass auch eine angeblich in sich geschlossene Gesellschaft potentiell frommer Frauen gänzlich in der Machtbefugnis der Männer stand (die ihre Überlegenheit auch sexuell missbrauchten), und der misstrauische, eifernde, geifernde Klerus (der päpstliche Nuntius mit Macht über Leben und Tod, verkörpert durch Lambert Wilson) versteigt sich lüstern bis zur Folter, wenn ihnen ekstatische Nonnen verdächtig nahe an Hexerei heranzureichen scheinen.

Ein Finale am Scheiterhaufen, wo dann einige Überraschungen passieren (es brennen und sterben nicht unbedingt jene, die dafür vorgesehen sind), hat Verhoeven jedenfalls mit aller Brutalität des Historienfilms inszeniert. Die Schauwerte des über zwei  Stunden lang Gebotenen, das gekonnt und wohl auch sehr spekuliert ist, sind jedenfalls bedeutend.

Gläubige Christen mögen diesem Film allerdings fern bleiben, er ist ein Schocker, der auch Lust an Blasphemie und Unappetitlichkeiten sonder Zahl hat und der kein gutes Haar an der Institution der Kirche lässt… auch wenn man sich trösten möchte: Das war ja nur im 17. Jahrhundert so! (!)

Renate  Wagner

 

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