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Film: AMBULANCE

23.03.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

film ambulance x

Filmstart: 24. März 2022
AMBULANCE
USA  / 2022
Regie: Michael Bay
Mit: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza González u.a.

Man sperre Menschen in einen mobilen Raum, aus dem sie aus welchen Gründen auch immer nicht herauskommen, ob Flugzeug, Bahn, U-Bahn, Bus oder, in diesem Fall eine Ambulanz, einen Krankenwagen, und schon kann man die schönsten Hetzjagden veranstalten. So geschehen 2005 in dem dänischen Film „Ambulancen“, der allerdings Action stark mit komödiantischen Elementen verband. Das amerikanische Remake nun läuft auf einer anderen Ebene. Es beginnt wie ein Sozialdrama, schaltet dann ziemlich schnell auf besagte Action um (und liefert bei einer Spielzeit von zweieinviertel Stunden mit rund eineinhalb Stunden eine der längsten Flucht-Storys, an die man sich erinnert) – und am Ende weiß man, dass man eigentlich eine Geschichte über Brüder gesehen hat.

Damit und in vielen anderen Details weicht Hollywood entscheidend von Dänemark ab, was den meisten Kinobesuchern herzlich egal sein wird, weil sie das Original nicht kennen. Immerhin lässt sich die US-Fassung sehen. Regisseur Michael Bay, der Ende der neunziger Jahre solides Star-Kino mancher Art geliefert hat (The Rock, Armageddon, Pearl Harbor) und sich dann seinen Ruf ruinierte, aber reich geworden ist, indem er in zehn Jahren sechs „Transformers“-Filme drehte, hat die dort gezeigte technische Meisterschaft nun auf eine substanziellere Geschichte verwendet. Ein Bankraub mit allen Hindernissen der Welt – großartig gefilmt mit teils abenteuerlichen Kamerafahrten, rasant geschnitten, dramaturgisch in seinen vielen Spielebenen perfekt verschmolzen.

Da sind also die Brüder, die keine „echten“ sind, aber gemeinsam aufgewachsen und damals dickste Freunde – obwohl Danny weiß ist und Will schwarz. Letzterer hat sich aus der kriminellen Welt des Stiefvaters und des Stiefbruders entfernt, muss ihn aber aufsuchen, weil er Geld braucht: Der Film hat mit einer erschütternden Szene begonnen, die möglicherweise viele Menschen nachvollziehen können – verzweifelt am Telefon mit desinteressierten Beamten, die einen nur abwimmeln. Keine Chance für die nötige Operation seiner Frau, die schön und stumm, ein kleines Kind im Arm wiegend, dabei steht. Aber so sentimental wird es erst wieder am Ende.

Als Will zu Danny kommt, ist dieser gerade dabei, mit seiner kriminellen Bande zu einem Bankraub aufzubrechen (seine Spezialität: 37 davon hat er schon in den letzten zehn Jahren absolviert, wie man später erfährt). Gleichzeitig werden wichtige Personen eingeführt – zwei Polizisten in einem Streifenwagen, zwei Sanitäter, eine Frau und ein Mann, in ihrer Ambulanz. Und nur, weil einer der Polizisten sich in eine hübsche koreanische Bankangestellte verguckt hat und einen unvorhergesehenen Schlenker zur Bank macht, um sie zum Essen einzuladen, läuft nach und nach alles schief.

Die Handlung ist unmöglich nachzuerzählen, Fakt ist, dass Danny und Will gemeinsam flüchten, den Krankenwagen entführen, in dem der mittlerweile angeschossene Polizist liegt (und die Sanitäterin muss ihm die Kugel herausoperieren, während der Wagen auf der Flucht durch Los Angeles rast und ihr ein Chirurg per Skype Anweisungen gibt). Parallel geschnitten sind die Szenen der Polizei, die ohne Rücksicht auf Geiseln die beiden Räuber einfach abschießen will, die Szenen mit dem FBI-Agenten, der Danny schon kannte, als er noch „brav“ war und ihn retten will, die Szenen um Gangsterboß „Papi“ (nicht sein echter Vater), für den Danny unterwegs ist…

Man soll bei dieser permanenten Hetzjagd nun nicht in jedem Detail auf Glaubwürdigkeit pochen, dafür sind diese Filme nicht gemacht, aber an Rasanz und Spannung hält die Geschichte mit vielen guten dieser Art leicht mit. Es ist die obligate Materialschlacht, wo Polizeiautos nur so durch die Lüfte fliegen und alles explodiert und brennt, während die vergleichsweise schäbige Ambulanz durch alle Schwierigkeiten rast…

Yahya Abdul-Mateen II, PoC, ist der durch und durch sympathische, brave Bruder, was ihn auf jeden Fall ins Hintertreffen schickt, weil Jake Gyllenhaal die interessant facettierte Rolle des geübten Verbrechers hat, der dennoch der treuste aller Brüder ist. Wie Gyllenhaal zwischen allen denkbaren Verhaltensweisen changiert, ist absolut faszinierend und gibt dem Zuschauer nie Sicherheit, was nun von ihm zu halten ist. Als Dritte im Bund agiert die Mexikanerin Eiza Gonzalez, der Inbegriff einer Latina-Schönheit, als kompetente Sanitäterin, die sich immerhin mit einer Extremsituation abzufinden und auch ihre eigenen Entscheidungen zu fällen hat…

Wenn alles ausgestanden ist, setzt der Regisseur erstaunlicherweise ein ungeheuer sentimentales, musik-umschmeicheltes Finale auf die atemberaubende Geschichte, was fast den Charakter des Films verändert. Aber auch zeigt, dass der Regisseur mehr als nur Action wollte, nämlich den menschlichen Faktor betonen – zwischen den Brüdern, rund um die tapfere Frau…

Renate Wagner

 

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