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Film: AFTER THE HUNT

Wo sind die Guten?

17.10.2025 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 17. Oktober 2025 
AFTER THE HUNT
USA  /  2025

Regie: Luca Guadagnino
Mit; Julia Roberts, Ayo Edebiri, Andrew Garfield, Michael Stuhlbarg u.a.

Wo sind die Guten?

Wer bei Filmen zuerst auf den Regisseur blickt, wird bei dem Namen von Luca Guadagnino wissen, dass es nicht gemütlich zugeht. „Call me by your name“ hat ihn als Geschichte, ob und wie man sich zur Homosexualität bekennt, berühmt gemacht. In „Queer“ wankte Daniel Craig (jeder Zoll kein Bond) als versoffener Schriftsteller durch die Karibik auf der Suche nach Männerabenteuern. Und in „Challengers“ waren die geschlechtlichen Zugehörigkeiten eines jungendlichen Trios schwer zu enträtseln…

Im Vergleich dazu, geht es in „After the Hunt“ geradezu nobel zu. Das Ambiente ist die Universität Yale – und nein, es ist kein dezidierter Anti-Trump-Film, es geht nicht um verbotene bzw. stur durchgesetzte Ideologien. Ein Fall von „#metoo“ ist da vergleichsweise konventionell, wenn auch in einem woken Milieu, wo jeder Angst hat, auch nur annähernd etwas Falsches zu sagen oder zu tun, nicht so einfach.

Dabei fängt es so harmlos an, in der gemütlichen Wohnung der Philosophieprofessorin Alma Olsson (Julia Roberts) und ihres eleganten Psychoanalytiker-Ehemanns (Michael Stuhlbarg). Ein netter Abend mit Hank Gibson (Andrew Garfield). Philosophie-Dozent, und der Studentin Maggie Price (Ayo Edebir), der einzigen Farbigen in der Runde, die eine so tolle Dissertation geschrieben haben soll. Man trinkt, man lacht, alles ist ausgesprochen lässig, man wirft sich Nietzsche und Hegel an den Kopf, und am Ende soll Hank Maggie nach Hause begleiten…

Und schon am nächsten Tag fällt die elegante Lässigkeit von Alma ab, als Maggie ihr (mit den bei solchen Gelegenheiten üblichen Schluchzern) erzählt, sie habe Hank noch zu sich eingeladen und er habe „die Grenze überschritten“…

Was tun? Alma erweist sich nun nicht als die Kämpferin für Frauenloyalität, die für Maggie in den Ring springt, sie rät ihr sogar, die Sache fallen zu lassen, was diese gar nicht will. Während der (mit mehr als zweieinviertel Stunden wieder einmal zu lange) Film handlungsmäßig in der Mitte durchhängt, schafft es Regisseur Luca Guadagnino doch, die Kinobesucher nachhaltig zu verwirren.

Denn Alma ist keine „Gute“, sie hat eine Spitzenstellung an der Uni in Aussicht und weiß, dass ihr Engagement in diesem Fall – egal, ob sie für die Studentin oder den Dozenten, die es beide von ihr erwarten, eintritt .  ihr persönlich nur schaden kann. Aber auch Maggie ist nicht das arme Opfer (obwohl sie diese Karte, die mit Hautfarbe Hand in Hand gehen kann, virtuos spielt. Ist es nicht vielleicht so, dass Hank, wie er behauptet,  an diesem Abend nur ihre Dissertation gelesen und ihr gesagt hat, dass sie über weite Stellen ein Plagiat ist? Will Maggie den Dozenten ruinieren, bevor er sie ruiniert? Er bangt verzweifelt um seine Fixanstellung und schwört, es sei nichts passiert – aber kann man ihm glauben, wenn er später bei einer Gelegenheit über Alma herfällt (die allerdings, wie man erfährt, einmal seine Geliebte war?). Und wird Maggie nicht auch deshalb so aufdringlich zu Alma, deren Hilfe sie fast erpresserisch einfordert, weil sie ein lesbisches Auge auf die Professorin geworfen hat?

Das alles klingt nach Krimi, ist aber doch um eine Stufe höher gemeint – wir haben es schließlich mit der akademischen Welt zu tun. Wenn Alma ein Seminar hält, spricht sie über die Freiheit zur eigenen Meinung, die man sich nicht nehmen lassen soll – und weiß selbst verdammt genau, dass diese in unserer Welt längst nicht mehr existiert.

Am Ende geht die Sache nicht gut aus, das Drehbuch der Schauspielerin Nora Garrett verstrickt sich in wilde Dramatik und Unglaubwürdigkeiten, und es ist kitschig und überflüssig, dass Alma ihrem Mann gesteht, selbst als Kind das Opfer eines unverarbeiteten sexuellen Übergriffs geworden zu sein…

In einem seltsamen Epilog treffen Alma und Maggie, die man in regelrecht feindseligen, handgreiflichen Auseinandersetzungen erlebt hat, fünf Jahre später zusammen. Maggie sieht strahlend aus und ist mit einer Frau verheiratet. Alma versichert (aber man weiß nicht, ob man ihr glauben kann), es gehe ihr gut, Details erfährt man nicht. Man erfährt auch nicht, ob es die Vergewaltigung von einst gab oder nicht…Viel Lärm um nichts also? Vielleicht ist so das Leben.

Der Film hätte nicht so viel Beachtung erfahren, hätte Julia Roberts, die mit ihren 57 Jahren noch verdammt gut aussieht, hier nicht eine wirklich große Rolle gefunden, in der sie ihre Schauspielkunst geradezu zelebrieren kann. Der Zerfall einer Person, die sich (no na im Universitätsmilieu) hart hinauf gearbeitet hat und erkennen muss, wie sie gegen die „Mühlen des Schicksals“ chancenlos ist. Ja, großartig, wenn es ein „Oscar“ wird, ist er auf jeden Fall hoch gerechtfertigt.

Ayo Edebiri als die farbige Studentin, die zu durchschauen das Drehbuch nicht erlaubt, hat viele Facetten, lässt den Zuschauer unsicher. Auf die Unschuld von Andrew Garfield möchte man nicht viel verwetten, aber dass er Todesangst um seine künftigen Berufschancen hat, das macht er klar. Und Michael Stuhlbarg? Das ist ein freundlicher Gatte, der mit Vorliebe am Herd steht und dort klassische Musik dirigiert, die mit Überlautstärke aus dem Player kommt…

Man sollte „After the Hunt“ nicht überschätzen, so gut ist der Film nicht, nur weil er den Trick benützt, dass keine seiner ambivalenten Hauptfiguren wirklich sympathisch ist. Wo man doch konventionellerweise wissen möchte, wer die Guten und wer die Bösen sind…

Renate Wagner

 

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