Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Film: A REAL PAIN

Auf Großmutters Spuren

13.01.2025 | FILM/TV, KRITIKEN

film arealpain p x cx72dpi

Filmstart: 16. Jänner 2025
A REAL PAIN
USA  /  2024
Drehbuch und Regie: Jesse Eisenberg
Mit: Jesse Eisenberg, Kieran Culkin.u.a.

Auf Groß-mutters Spuren

Die Jewish Heritage Tours, in deren Rahmen sich amerikanische Juden nach Europa aufmachen, um zu sehen, wo ihre Vorfahren und Verwandten ermordet wurden, haben in den USA einen hohen Stellenwert. Es ist nicht der übliche Europa-Trip, wenn man hier Gedenkstätten und auch Vernichtungslager besucht. Es geht um die Welt, aus der sie kommen und von der die meisten gar nichts wissen. Die Cousins David und Benji haben allerdings einen ganz konkreten Grund für diese Reise nach Polen. Sie wollen noch mehr als die anderen , nämlich das Haus sehen, in dem ihre Großmutter Doris vor ihrer Flucht gelebt hat. Die alte Dame hat den beiden offenbar viel bedeutet, und nach ihrem kürzlichen Tod unternehmen die jungen Männer die Pilgerfahrt gleichsam zu ihren Ehren…

Das klingt kitschiger, als es ausfällt. Jesse Eisenberg, der als Hauptdarsteller, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent fungiert, war hier offenbar persönlich tief beteiligt, wenn man liest, dass das Haus der Großmutter, das die Cousins am Ende finden, das echte Haus von Eisenbergs echter Großmutter war…

Dennoch, nochmals gesagt: als Kitsch ist es nicht gemeint, Jesse Eisenberg will vieles – er nimmt den Kinobesucher tatsächlich auf diese Tour jüdischer Erinnerung mit, zeigt in Polen Orte, darunter Konzentrationslager mit Gaskammern, die tiefe Beklemmung hervorrufen, reflektiert auch, wie verschieden die Leute, die auf dieser Tour sind (neben den Cousins noch eine Handvoll anderer) hier reagieren, wie echt Schmerz und Erschütterung sind, wie ein Tour Guide versucht, Respekt und Information zu kombinieren, wie diffizil das Thema dieser kommerzialisierten „Erinnerungskultur“ letztlich ist.

Nebenbei ist es eine absolut nicht einfache Buddy-Geschichte zwischen den Cousins, die einst sehr eng waren, sich dann auseinander gelebt haben, sich nun wieder finden wollen. Aber es ist nicht einfach, weil sie eben so verschieden sind – natürlich spielt Jesse Eisenberg mit David den sensiblen, seelenvollen, freundlichen, der niemandem weh tun will, während Kieran Culkin  der klassische Fall eines verletzten, zutiefst unsicheren Menschen ist, der gar nicht anders kann, als auf alles mit Aggression zu reagieren. Das ist schmerzlich und glaubhaft zugleich.

Freilich, bei dem, was die beiden aufzuarbeiten haben, bedient sich Eisenberg als Drehbuchautor ein wenig des Klischee-Handbuchs, aber sein historisch und faktisch korrektes Road Movie zwischen Warschauer Ghetto und dem Konzentrations- und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek beeindruckt durch unpathetische Ehrlichikeit und Ernsthaftigkeit. Man spürt, dass der Film ihm eine Herzensangelegenheit war. Es ist übrigens, das sei noch erwähnt, die Klaviermusik von Frederic Chopin, die dem ganzen Film eine eigentümliche, wunderbare Stimmung verleiht.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken