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FERDINAND RAIMUND HKA Band 1

09.04.2014 | buch

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FERDINAND RAIMUND
Historisch-kritische Ausgabe, Band 1
„Der Barometermacher auf der Zauberinsel“
„Der Diamant des Geisterkönigs“
Hg. von Jürgen Hein und Walter Obermaier
624 Seiten, Verlag Deuticke 2014

So haarig wie bei Nestroy wird es diesmal nicht werden. Bekanntlich hat eine Phalanx hervorragender Germanisten jahrzehntelang gebraucht, um das Gesamtwerk von Johann Nestroy in über 50 Bänden nach dem letzten Stand der Wissenschaft zu edieren und kommentieren.

Einige derselben Herren, darunter (hier als Herausgeber des ersten Bandes) Jürgen Hein, der emeritierte Professor aus Münster, und Walter Obermaier, lange Jahre der überaus verdienstvolle Leiter der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, haben sich nun der Werke von Ferdinand Raimund angenommen. Keine Frage, er macht es ihnen leichter. Nicht über 70 Stücke wie Nestroy (eine genaue Zahl kann man bei ihm nicht angeben, weil sich die Wissenschaftler da immer noch über Zuschreibungen in den Haaren liegen!), sondern gerade acht Theaterstücke hat er hinterlassen. Da sind seine drei immer wieder gespielten singulären Meisterwerke, „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ (in unserer Epoche wegen des „psychoanalytischen“ Ansatzes das beliebteste), „Der Bauer als Millionär“ (mit der genialen Szene vom Abschied der Jugend und dem Eintreffen des Alters) und „Der Verschwender“ (mit dem „Hobellied“ als der philosophischen Weisheit letzter Schluss).

Dazu kommen die beiden Frühwerke, „Der Barometermacher auf der Zauberinsel“ und „Der Diamant des Geisterkönigs“ sowie die drei von den Bühnen höchst vernachlässigten Stücke „Die gefesselte Phantasie“, „Moisasurs Zauberfluch“ und „Die unheilbringende Zauberkrone“. Sonst gibt es von Raimund eine kleine Autobiographie und Briefe – kurz, das wird im Gegensatz zu Nestroy in wenigen Bänden und in wenigen Jahren zu bewältigen sein.

Band 1 liegt nun vor und bietet, nach dem bewährten Muster, wie bei man solchen Werkausgaben vorgeht, die „kritisch“ edierten Texte der beiden Frühwerke (mitsamt Varianten, wodurch sich die neue Ausgabe von der bisher so nützlichen der alten Großmeister Brukner und Castle unterscheidet, die auch schon viel Vorarbeit bezüglich zeitgenössischer Quellen geleistet haben).

Einführung und Interpretation halten die Herausgeber, wie auch in den Nestroy-Bänden, kurz, es geht mehr um die Vorlage von Material als darum, selbst wieder Sekundärliteratur zu produzieren (die sie in ausführlichen Bibliographien angeben).

Dagegen gibt es zur Entstehungsgeschichte der beiden Stücke die vollständigen Abdrucke der Märchen-Vorlagen, die Rezeption beschränkt sich auf Raimunds Lebzeiten (alles andere wäre ein Buch für sich), ausführlich sind wieder die Anmerkungen, die sich auf Sprachliches wie Sachliches beziehen – möglicherweise ist der Begriff eines „Schinakels“ nicht nur außerhalb Österreichs, sondern in heutigen Zeiten auch hierzulande schon unbekannt. Man merkt gerade bei den Anmerkungen, worüber man beim Lesen (weil man vieles weiß) hinwegsieht, nämlich wie stark Raimund die Realität von Wien und von der Zeit, in der er lebte, in seine als Märchen verkleideten Parabeln hinein genommen hat.

Anmerkungen zur Musik und die Abbildung des jeweils ältesten erhaltenen Theaterzettels ergänzen das Buch. Vielleicht hätte man hinter jedes Stück direkt den jeweiligen Anhang stellen können, statt beide Stücke und dann beide Anmerkungsteile hintereinander zu platzieren, aber das sind Entscheidungsfragen.

Jedenfalls ist die Befriedigung der Raimund-Freunde groß, dass auch dieser Dichter nun jene gewissenhafte Aufarbeitung erfährt, die den „ganzen“ Nestroy zugänglich gemacht hat.

Renate Wagner

 

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