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ESSEN Ulrich Roehm zum 90er: Tänzer, Pädagoge, Initiator – ein Geburtstagsfest für den Jubilar

21.09.2023 | Ballett/Performance

ESSEN

Ulrich Roehm zum 90er: Tänzer, Pädagoge, Initiator – ein Geburtstagsfest für den Jubilar

„In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.“ Für wen, wenn nicht für Ulrich Roehm passt dieses Zitat von Augustinus – wobei das Feuer für den Tanz seit Jahrzehnten in seinem Herzen lodert und er in vielen anderen Menschen die Freude für den oder am Tanz entfacht hat. Kein anderer hat wie er den Tanz in die Welt getragen und in weiterer Folge die Tanzwelt nach Essen geholt. Und kein anderer hat wie er sich so für den Tanz und die Tanzpädagogik eingesetzt und dank steter Hartnäckigkeit vieles bewirkt und ermöglicht. Es lässt sich gar nicht alles nennen, was Ulrich Roehm in seinem umfangreichen Wirken initiiert, gegründet, etabliert hat. Einiges sei hier erwähnt.

Fast auf den Tag genau – er wurde am 14. September 1933 geboren – feierte Ulrich Roehm am vergangenen Samstag mit einem großen Fest seinen 90. Geburtstag in seiner Heimatstadt Essen. Zahlreiche Freunde, Wegbegleiter, Tänzerpersönlichkeiten wie Birgit Keil und Vladimir Klos sowie Honoratioren und Vertreter der Medien ebenso wie seine Familie begingen diese Feier gemeinsam mit dem Jubilar.

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Ulrich Roehm mit Vladimir Klos, Birgit Keil und Prof. Dr. Norbert Lammert (Copyright: Ursula Kaufmann)

Ulrich Roehm leitete die festliche Zusammenkunft mit einer kurzen Rede ein und der von Heide-Marie Härtel vom Deutschen Tanzfilminstitut Bremen für diesen besonderen Anlass gestaltete Film „Ulrich Roehm. Ein Leben im Tanz“ wurde als Uraufführung gezeigt und spannte einen wunderbaren Bogen über sein Privat- wie Berufsleben. Unter den Gästen befanden sich u.a. der Präsident des Deutschen Bundestages a.D. Prof. Dr. Norbert Lammert, sowie der Oberbürgermeister von Essen Thomas Kufen, die beide auch Ansprachen hielten – ebenso wie Michael Freundt, der als Geschäftsführer vom Dachverband Tanz Deutschland e. V. eine Botschaft des Vorstandes anlässlich des runden Geburtstages mitbrachte. Auch von der Royal Academy of Dance in London gab es Video-Glückwünsche zum Geburtstag. Heide-Marie Härtel stellte dann in einem kurzen Interview bislang nie gestellte Fragen an den Jubilar, der heuer nicht nur diesen denkwürdigen Geburtstag begeht, sondern noch einige weitere Jubiläen zelebriert.

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Ulrich Roehm mit Thomas Kufen, dem Oberbürgermeister von Essen (Copyright: Ursula Kaufmann)

 

Als Balletttänzer und Pädagoge weltweit berühmt und gerühmt, war und ist er als Stimme des Tanzes mindestens ebenso bekannt. Ulrich Roehm begann 1953 seine Ballettausbildung in Dortmund beim Ballett der Städtischen Bühnen und setzte sein Studium an der Folkwang Universität der Künste unter Kurt Jooss bis zur Meisterklasse fort. Er feiert damit heuer auch 70 Jahre Bühne. Erste Auftritte erfolgten in Choreografien von Kurt Jooss u.a. gemeinsam mit seinen Studienkolleginnen Adele Schulte-Zurhausen und Pina Bausch. Das erste Engagement erhielt Ulrich Roehm 1958 (und damit vor 65 Jahren) als Premier Danseur Etoile (!) beim damaligen Ballet de Wallonie, wo er die männlichen Hauptrollen wie Albrecht („Giselle“), Romeo („Romeo und Julia“) sowie Prinz Siegfried („Schwanensee“) tanzte. In den Jahren 1959 – 69 trat er nicht nur bei den Schwetzinger Festspielen als Solist auf, sondern er war ebenfalls Solotänzer (1961 – 1969) in dem von Kurt Jooss gegründeten Folkwang Ballett  und gastierte als solcher europaweit in Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, England, Holland und Österreich (Salzburger Festspiele) mit dem „Grünen Tisch“ von Kurt Jooss. Parallel dazu hatte er von 1963 – 1969 ein Engagement als Erster Solotänzer beim Ballett der Städtischen Bühnen in Essen. Gastauftritte beim Ballet de Wallonie, beim Staatsopernballett von Zagreb, an den Bühnen im Ruhrgebiet, sowie u.a. in Bonn, Gelsenkirchen und bei den Ruhr-Festspielen Reckinghausen seien hier ebenso genannt. 

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Ulrich Roehm als Romeo (Copyright: Privatarchiv Roehm)

In den darauffolgenden Jahren übersiedelte Ulrich Roehm mit seiner Familie nach Toronto und tanzte von 1969 – 1972 sowohl in der Canadian Opera Company als auch im National Ballet of Canada. In Kanada begann Ulrich Roehms pädagogische Tätigkeit: er absolvierte nicht nur die für die Canadian Dance Teachers Association nötigen Prüfungen, sondern auch die Examen der Royal Academy of Dance (RAD). Innerhalb kürzester Zeit baute er zusätzlich zu seinem Tänzer-Dasein nebenher drei Ballettstudios in Toronto auf. Nach seiner Rückkehr nach Europa (1974) wurde er dann als Mitglied der RAD mit dem Aufbau der RAD in Deutschland und Österreich betraut. Der Tausendsassa in Sachen Tanz und Tanzpädagogik hatte allerdings bereits 1973 in Essen sein Ballett-Studio Roehm eröffnet, das er mehr als 30 Jahre geleitet hat und damit gibt es ein weiteres Jubiläum mit 50 Jahren der Gründung der eigenen Ballettschule.

Einen besonderen bedeutenden Stellenwert nimmt in der reichen Biografie von Ulrich Roehm die 1975 erfolgte Gründung des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik e.V. ein, dessen Erster Vorsitzender er 22 Jahre lang war. Ab 1978 (ein weiteres Jubiläum: 45 Jahre) war Ulrich Roehm der Herausgeber und Redakteur von Ballett Intern, der 35 Jahre lang mehrmals jährlich erscheinenden Mitgliederzeitschrift des Berufsverbandes. In Verbindung mit dem Berufsverband ist auch die Umsetzung seiner Idee einer Ehrung für Tanzschaffende entstanden, die 1983 erstmals als Deutscher Tanzpreis verliehen wurde und seither jährlich im Rahmen einer Gala im Aalto-Theater in Essen verliehen wird.  Ulrich Roehm ist auch Gründungs-Vorstand und Ehrenpräsident vom Förderverein Tanzkunst Deutschland e.V., dessen Schirmherr Prof. Dr. Norbert Lammert ist. Von Ulrich Roehm mitbegründet, wirkte er bis 2014 ebenfalls als Vorstandsmitglied und nun Ehrenmitglied des Dachverbandes Tanz Deutschland e.V.

Natürlich gibt es auch rund um diese Ehrung an Tanzschaffende einige Jubiläen: Erste Trägerin dieser Auszeichnung des Deutschen Tanzpreises war Tatjana Gsovsky. 1988 – also vor 35 Jahren – ging die Ehrung an John Neumeier (Laudator: Maurice Béjart – er erhielt den Dt. Tanzpreis 1994), vor 30 Jahren – 1993 – erhielt Hans van Manen diese Würdigung, Birgit Keil wurde der Deutsche Tanzpreis 1998 (also vor 25 Jahren) verliehen; vor 15 Jahren – 2008 – erneut John Neumeier (diesmal war Marcia Haydée seine Laudatorin; sie hatte die Auszeichnung 1989 erhalten). Mit 2023 gibt es den Deutschen Tanzpreis nun seit mittlerweile 40 Jahren! Diesmal werden im Rahmen des Gala-Abends im Oktober gleich vier herausragende Personen damit ausgezeichnet, deren Arbeit seit Jahren untrennbar mit Pina Bausch und dem Tanztheater Wuppertal verbunden sind: Malou Airaudo, Josephine Ann Endicott, Lutz Förster und Dominique Mercy.

Auch Ulrich Roehm wurden zahlreiche Auszeichnungen zuteil, darunter u.a. 1995 das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens, mit dem er in der Gala-Veranstaltung vom Deutschen Tanzpreis (verliehen an Pina Bausch) geehrt wurde. Als Würdigung für sein Lebenswerk erhielt er den Deutschen Tanzpreis 2013 zum 30 Jahre-Jubiläum. 2002 wurde Ulrich Roehm mit der Goldenen Ehrenplakette der Stadt Essen geehrt.

Stets sich unermüdlich für den Tanz einsetzend, gründete Ulrich Roehm 1980 die Ostertanzwoche München der Royal Academy of Dance, die er bis 2000 organisierte und leitete.  Damit nicht genug, wirkte Ulrich Roehm weiterhin über die Grenzen Deutschlands hinaus für den Tanz und die Tanzpädagogik  – so war er auch künstlerischer Leiter der Internationalen Sommertanzwoche in Bregenz. 1984 gegründet, wurde der Ballettsommer Bozen/Bolzano Danza als Sommertanzprogramm in Südtirol mit Kursen für Amateure und Profis sowie Aufführungen internationaler Compagnien von ihm im darauffolgenden Jahr zum ersten Mal organisiert – später umbenannt in Tanz Bozen/Bolzano Danza – und von ihm als künstlerischem Direktor 22 Jahre lang geleitet. Seiner Initiative ist es auch zu verdanken, dass 1985 in seiner Heimatstadt Essen das Folkwang Fest der Künste abgehalten wurde, dessen Ehrengast Bundespräsident Richard von Weizsäcker war und Ulrich Roehm für diesen Anlass Anna Markand-Jooss für die Einstudierung von vier Choreografien ihres Vaters Kurt Jooss gewinnen konnte, aufgeführt vom Essener Ballett.

Aber auch im neuen Jahrtausend eröffneten sich Ulrich Roehm durch seine internationale Bekanntheit und Reputation neue Wirkungskreise, denn 2001 wurde er durch Kontakte nach Shanghai zum Ballet Consultant des China Shanghai International Arts Festival und organisierte dann dort zum zehnjährigen Jubiläum eine Ballettgala und hielt einen Festvortrag.

Sein breit gefächertes Wirken für den Tanz brachte ihm Begegnungen mit zahlreichen Personen aus der Tanzwelt. Besonders gerne erinnert sich Ulrich Roehm daran, dass er als junger angehender Tänzer Harald Kreutzberg auf der Bühne erleben durfte oder 1958 (wieder ein Jubiläum: vor 65 Jahren) Maurice Béjart kennenlernte, mit dem ihn zeitlebens eine Freundschaft verband. 

In Abwandlung eines Zitates von Loriot gilt für Ulrich Roehm: ein Leben ohne Tanz ist möglich, aber sinnlos. Somit sei ihm für seine viele Jahrzehnte lang niemals endende Energie und seine rührige Tatkraft gedankt, mit der er sich für sein Herzensanliegen Tanz eingesetzt und damit Großes beigetragen hat, dass diese edle Kunstsparte durch seine maßgebliche Unterstützung einen breiten Bekanntheitsgrad in der Gesellschaft erlangte, Schulen für den künstlerischen Tanz gestärkt wurden und sich als sein Verdienst die Stadt Essen mit der Gala-Veranstaltung zur Verleihung vom Deutschen Tanzpreis zusätzlich zu den anderen Tanz-Aktivitäten als wichtige Tanzmetropole etablierte. Happy Birthday!

Ira Werbowsky

 

 

 

 

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