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ESSEN / Philharmonie: PARTENOPE von G.F.Händel – konzertant

22.01.2016 | Oper

ESSEN / Philharmonie: PARTENOPE von Georg Friedrich Händel – konzertant am 21.1.2016  (Werner Häußner)

„Partenope“ gehört zu jenen lang vergessenen Opern Georg Friedrich Händels, die erst in den letzten Jahren Bühne und Tonträger erobert haben. Fünf Mal ist sie inzwischen eingespielt worden; die jüngste Aufnahme wurde erst im November 2015 publiziert. In der Essener Philharmonie war nun die lyrisch-heitere Oper mit der Besetzung der CD zu hören – mit zwei Ausnahmen: Philippe Jaroussky und der Dirigent Riccardo Minasi mussten absagen – traurigerweise haben beide ihre Väter durch den Tod verloren.

Emelyanychev Maxim - Foto Emil Matveev
Maxim Emelyanychev. Copyright: Emil Matveev

Ein nobler Zug: Der französische Counter hat sich in einer persönlichen Botschaft beim Essener Publikum, verlesen vor dem Konzert von Intendant Hein Mulders, eigens entschuldigt. Mit seinen guten Erinnerungen an vergangene Auftritte in Essen verbindet er die Hoffnung, bald wiederzukommen. Lawrence Zazzo war für Jaroussky eingesprungen; das Orchester „Il Pomo d’Oro“ leitete der neue Chefdirigent, der 1988 geborene Maxim Emelyanychev.

Händels „Partenope“ ist ein ungewöhnliches Werk; keine der Seria-Opern mit problembeladenen Helden, tragisch Liebenden, verblendet Scheiternden. Sondern fast eine barocke Operette, heiter, mit lebensweisem Humor und lyrischen Empfindungen. Dabei aber nicht ohne Tiefe der Gefühle. Ein Werk, das eher mit feinem Stift gezeichnet als mit schwerem Pinsel gemalt erscheint.

Partenope ist in einer beneidenswerten Lage: Von vier Männern wird die legendäre Gründerin von Neapel umworben. Da ist der schüchterne Armindo, der seine Liebe kaum zu gestehen wagt. Der selbstgefällige Arsace, der sich schon am Ziel aller Wünsche wähnt. Der Fürst des Nachbarvolks, Emilio, der mit seiner ganzen Armee anrückt, um Eindruck zu schinden. Und Eurimene, der als Schiffbrüchiger kommt, in Wirklichkeit aber Rosmira, die im Stich gelassene Favoritin von Arsace ist – auf der Suche nach ihrem ungetreuen Liebhaber.

Wenn wird Partenope nehmen? Ihr Herz gehört Arsace, bis die entsetzte Königin vernehmen muss, es habe da ein Vorleben gegeben: Eine zyprische Prinzessin klagt ihn der Untreue an. Sie weiß allerdings nicht, dass der Überbringer der Duell-Forderung, Eurimene, niemand anders ist als die verlassene Rosmira. Das wird erst am Ende durch eine pikante Szene offenbar, die zeitgenössische Beobachter als Geschmacksverirrung getadelt haben.

Heute hat Händel die Lacher auf seiner Seite – mehr noch, die Musikliebhaber auch. Denn er nutzt diese ein wenig romantische, ein wenig komische Handlung für feinsinnige Musik. Zieht alle Register seiner Erfindungsgabe und seiner Formbeherrschung. Ermöglicht mit Traversflöte, Oboen, Hörnern und einer Trompete vielfältige musikalische Farben. Und schreibt schwermütige Melodien und virtuos überdrehte Koloratur-Ketten.

Die wären 1730 in London gut angekommen, hätte Händel seinen Kastraten-Star Senesino einsetzen können. Doch Antonio Maria Bernacchi war in Tonumfang und Beweglichkeit der Partie offenbar nicht gewachsen. Erst nach der Rückkehr Senesinos stellte sich ein gewisser Erfolg ein.

Die benötigten erstklassigen Sänger waren in der Essener Aufführung – Teil einer Tournee mit Aufführungen in Paris, Amsterdam und Pamplona – präsent: Der Altus Lawrence Zazzo, für Philippe Jaroussky eingesprungen, bietet als Arsace männlich markantes Auftreten und zärtliche Zwischentöne. Zazzos Stimme ist steigerungsfähig, klanglich ausgewogen und fähig zu differenzierter Expression. Das zeigt sich im klug durchgestalteten Duett mit Rosmira und der Arie „Sento amor“ im ersten Akt und bei den souveränen Verzierungen der mit Recht bejubelten Finalarie des zweiten Aktes, „Furibondo spira il vento“.

Karina Gauvin, anfangs noch ein wenig beengt, krönt als Partenope den Glanz ihrer Erscheinung in Blond und Rosa mit flüssiggoldenem Timbre. Sie gehört zum Glück nicht zu jenen weißlich-flachen Stimmchen, die so gerne für historisch korrekt gehalten werden. Die Kanadierin projiziert einen substanzvollen Ton in den Raum, ist in lyrischen Gefilden ebenso zu Hause wie in den anspruchsvollen Verzierungen und der höhensicheren Dramatik von „Io ti levo l’impero dell’armi“.

Der Tenor John Mark Ainsley lässt sich als Emilio von den Kaskaden von Tönen, die ihm Händel zumutet, nicht beeindrucken. Auch nicht von der freundlich abweisenden Partenope: Er wisse zu kämpfen, gibt er ihr kund – und Ainsley beglaubigt seine Haltung in einer Arie wie „Anch’io pugnar saprò“. Im zweiten Akt, als das barbarische Schicksal seine Hoffnungen durch eine Niederlage im Kampf verraten hat, lagert Ainsley die erregten Koloraturketten auf einem schier endlosen Atem.

Die junge ungarische Sopranistin Emöke Barath ist als Armindo ein Wunder an Empfindsamkeit und Schönheit des Tons. Ihre erste Arie „Voglio dire al mio tesoro“ hat einen Hauch mozartischer, leuchtender Schwermut. Dieser stille Schmerzenston prägt auch die Arie der (verkleideten) Rosmira „Arsace, o Dio“ im dritten Akt. Darin entzückt Kate Aldrich mit der Wärme und Geläufigkeit ihrer Stimme, wie sie im ersten Akt in der mit Hörnern und Oboen reich instrumentierten Arie „Io seguo sol fiero“ mit entschiedenem Ton, tragender Tiefe und entspannter Phrasierung ein Paradebeispiel entwickelter Gesangskunst gibt. Victor Sicard schließlich macht aus der zweitrangigen Partie des Ormonte mit seinem streng fokussierten Bariton ein erstrangiges Gesangserlebnis.

Das Orchester Il Pomo d’Oro überzeugt weniger durch seinen manchmal dünn-flachen Streicherklang, eher durch flexibles Agieren und feine Balance. Maxim Emelyanychev, universal begabte Dirigierhoffnung aus Russland, befeuert das Ensemble mit entschiedener Geste. Am Ende baden Händels Figuren in Liebe und Freundschaft, das Publikum in Wohlgefallen, die Musiker im Beifall.

Werner Häußner

 

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