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ESSEN/ Aalto-Theater: SALOME – Premiere

"Salome" als Psychothriller

02.04.2018 | Oper

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Copyright: Aalto-Theater Essen

ESSEN/ Aalto-Theater: SALOME als Psychothriller

Gefeierte Neuinszenierung der Strauss-Oper im Aalto-Theater (31.3.2018)

Wieder einmal wurde den Premierenbesuchern eindrucksvoll klargemacht, warum die Essener Philharmoniker als überragendes Strauss-Orchester gelten. Von lyrisch bis expressiv beherrschten sie unter der dynamischen Leitung ihres Dirigenten Tomáš Netopil die Klangfülle der extrem schwierigen Salome-Partitur, ließen sowohl kammermusikalische Details leuchten als auch furiose Ausbrüche erleben. Das war überwältigend.

Die Regisseurin Mariame Clément hat die Geschichte der verführerischen Salome, die als Belohnung für ihren „Tanz der sieben Schleier“ von ihrem Stiefvater Herodes den Kopf des Propheten Jochanaan fordert, umgedeutet. Sie blickt sozusagen mit Salomes Augen auf das Geschehen: Offensichtlich wurde Salome bereits als Kind von Herodes missbraucht und wird sich im Verlauf der Oper von ihm befreien. Wenn sie in der Schlussszene den abgeschlagenen Kopf des Jochanaan küsst, befiehlt Herodes angeekelt: „Man töte dieses Weib!“, aber keiner seiner Untergebenen ist mehr da, um diesen Befehl auszuführen. Er stürzt davon, und Salome steht als strahlende, nun emanzipierte junge Frau an der Rampe. So kann man das Stück durchaus interpretieren, ohne dass diese Umdeutung überzogen wirkt, zumal die Handlung in die heutige Zeit verlegt ist.

Dass bei diesem insgesamt schlüssigen Inszenierungskonzept ein orientalisches Bühnenbild und Lokalkolorit keine Option sein können, ist selbstverständlich. Auch Salomes Schleiertanz kann nicht verführerisch, nicht erotisch sein, also beginnt sie den Tanz mit einer Maske und lässt sich dann unter dem Tisch zum letzten Mal von ihrem Stiefvater missbrauchen. Hierbei gibt es nichts Voyeuristisches; der Missbrauch findet nur in den Köpfen des Publikums statt. Wenn es aber schon keinen echten Schleiertanz gibt, der bei dem fehlenden orientalischen Lokalkolorit wohl auch deplatziert gewesen wäre, hätte man sich doch mehr an Choreografie gewünscht, denn so wirkt die Szene zu statisch. Trotz dieses Mankos ist es der Regisseurin gelungen, eine spannungsreiche Atmosphäre zu schaffen.

Ein großes Lob gebührt dem Essener Ensemble, denn bis auf die Salome konnten sämtliche Partien mit Sängerinnen und Sängern des Aalto-Theaters besetzt werden, das zeichnet die Fähigkeiten des Aalto-Ensembles aus. Ein Beispiel: das komplizierte, fast atonale Judenquintett, das perfekt dargeboten wurde. Großartig der verliebte Narraboth von Carlos Cardoso, dessen strahlender Tenor mühelos über das große Orchester hinwegkam. Rainer Maria Röhr gab dem Herodes präzise glaubhafte Kontur, allerdings war seine stimmliche Präsenz nicht durchgehend optimal. Helen Marie Joël als Herodias konnte das Dämonische der Figur nicht vollständig herausarbeiten, überzeugte aber sängerisch in jeder Hinsicht.

Ein Ereignis war Almas Svilpa als Jochanaan: mit mächtiger, sonorer Stimme verkündete er seine Warnungen an das sündige königliche Paar, ergreifend seine in klare Dur-Tonalität gefassten herrlichen Stellen, in denen er über den Messias berichtet („Er ist in einem Nachen auf dem See von Galiläa“). Als Gast gab Annemarie Kremer ihr Debut am Aalto-Theater mit einer grandiosen Interpretation der Titelfigur. Durch ihre verschiedenen Stimmfacetten baute sie immer wieder neue Spannung auf, der stupende Nuancenreichtum und der tadellose Klang ihrer Stimme in allen Lagen provozierte das Publikum zu heftigem Schlussbeifall, mit jeder Menge Bravos durchsetzt. Auch die übrigen Beteiligten – auch das Regieteam – wurden gefeiert. Diese Produktion ist ein Muss für Richard-Strauss-Fans.

Ullrich Haucke

Besuchte Aufführung: 31.3.2018 (Premiere) Weitere Termine: 15., 19. April; 3., 9., 23. Mai;8. Juni; 1. Juli

 

 

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