Meinhard Rüdenauer zur Ballettpremiere in der Wiener Staatsoper am 29. Oktober:
ESINA / YAKOVLEVA / AVRAAM
tanzen in Choreographien von
THOSS / WHEELDON / ROBBINS
Charmant machen drei junge Ballerinen (bitte: sehr gute, sehr sympathische Ballettdamen) des Wiener Staatsballett Werbung für die kommende Premiere des dreiteiligen Programms mit dem Titel „THOSS / WHEELDON / ROBBINS“. Es wird ein interessanter Abend mit absolut perfekt gestalteten Choreographien. Schiene: Neoklassik – Modern. Keine Novitäten, keine eigenen Kreationen aus dem Haus, doch Stücke, deren Qualitäten von den verschiedensten Kompanien wiederholt bestätigt wurden. Der Titel am Programmzettel steht für die drei Choreographen: Über Genie Jerome Robbins (1918 bis 1998; „West Side Story“, „Anatevka“) muss wohl nichts gesagt werden. Der Leipziger Stephan Thoss, Jahrgang 1965, ist ein führender Kopf des zeitgenössischen Tanztheater in Deutschland. Sein „Blaubarts Geheimnis“ wurde vor zwei Jahren bereits in der Wiener Volksoper einstudiert und übersiedelt nun in das Haus am Ring. Und mit dem 1973 geborenen Engländer Christopher Wheeldon macht das Wiener Ballettpublikum nun erstmals Bekanntschaft. Wheeldon zählt nun schon zu den großen heutigen Choreographen. Anzunehmen ist, dass sein 2011 mit dem Londoner Royal Ballet erarbeitetes abenfüllendes Ausstattungsballett „Alice´s Adventures in Wonderland“ als Klassiker des frühen 21. Jahrhunderts eingereiht werden könnte.
Nun aber, bitte, in lockerer Reihenfolge zu unseren liebenswürdigen (und hart, sehr, sehr hart arbeitenden) aus St. Petersburg, aus Moskau oder aus Nikosia kommenden Wiener Ballerinen:
Olga Esina und Roman Lazik in „Fool’s Paradise“. Foto: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor
OLGA ESINA: Sie führt am Premierenabend die Besetzungsliste von Wheeldons „Fool´s Paradise“, 2007 uraufgeführt, an: „Ich genieße es sehr. Wheeldons Stück ist so harmonisch, so persönlich angelegt.“ Welche Geschichte wird hier in diesem Paradies von mehreren Paaren erzählt? Zuerst zögert sie, dann aber Partner Roman Lazik erwähnend: „…. Mann und Frau, zwei verschiedene Charaktere …. .“ Also wohl: fein sublimierender erotischer Tanz zum Genießen: „Alles ist hier wirklich voll Harmonie – nicht nur wenn ich selbst tanze, auch wenn ich meinen Kollegen beim Proben zuschaue. Sehr schön“. Natürlich, kleinere Schwierigkeiten gibt es wohl. Ein bisschen vielleicht mit der anfangs noch ungewohnten Musik von Joby Talbot, Wheeldons Haus- & Hofkomponisten. Oder: „Es gibt sehr hektische Schritte, doch man muss dabei trotzdem ganz ruhig bleiben.“ Diesem dreiteiligen Ballettprogramm stellt sie aber voran: „Die ganze Kompanie liebt solche Abende – denn es stehen so vielen Tänzer auf der Bühne.“ Sicher, die tanzenden Damen und Herren wollen ja auch das, was sie sich in anstrengenden und herausfordernden Trainingsstunden erarbeitet haben, auch einem Publikum zeigen.
Nina Polakova und Maria Yakovleva in „Fool’s Paradise. Foto: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor
MARIA YAKOVLEVA: Sie wird ebenfalls in „Fool´s Paradise“ zu sehen sein: „Neoklassisch, auf Spitze. Viele klassische Bewegungen, gemischt mit modernen.“ Und in Jerome Robbins „The Four Seasons“ hat sie dessen aufblühende Frühlingsgefühle zu vermitteln. Heiter lacht sie auf: „Passt sehr gut zu meinem Charakter – ich bin positiv eingestellt. Ich versuche immer, alles mit einem Lächeln zu bewältigen“. Zu bewältigen hat sie nun bei einem neckischen Frühlingserwachen – und diese „Jahreszeiten“ sind von Robbins schon mit viel feinen Humor ausgemalen geworden – besonders schnelle Tempi. Kein Problem für Yakovleva: „Ich liebe es, schnell zu tanzen“. Von ihr wird nun solches zu Musik von Giuseppe Verdi gefordert. Verdi, ein Ballettkomponist? Ja, es ist die große wie großartige „Jahreszeiten“-Ballettmusik aus seiner Blutoper „Die Sizilianische Vesper“, seines ersten für Paris geschriebenen Werkes. Und im Pariser Opernhaus durfte anno dazumal nun einmal eine ausladende Balletteinlage nicht fehlen. Robbins studierte seine komödiantische Version 1979 mit Balanchines NewYork City Ballet ein. Und wenn sich Maria Yakovleva nun in ein für sie unbekanntes Stück einleben muss: „Wenn man etwas für sich Neues einstudiert, so dauert es, bis es in den Körper reinkommt. Jegliche Virtuosität muss ohne nachzudenken bewältigt werden – und das Publikum darf von den so vielen techischen Schwierigkeiten gar nichts merken.“
Ioanna Avraam in „The Four Saisons“. Foto: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor
IOANNA AVRAAM: Sie ist dem Winter zugeteilt. Und da es dann auch sehr kalt sein kann, muss sie so viel hüpfen und sich bewegen, damit es ihr doch warm wird. „Nein, technisch ist es nicht so schwer. Und für das Publikum wird alles völlig klar erzählt“, korrigiert Avraam. „Allerdings, ich benötige viel Kondition, kann außer Atem kommen.“ Etwas schwieriger war es anfangs für sie, sich in ihre Rolle in „Fool´s Paradise“ mit den vielen Taktwechseln abzufinden. Schon gelöst! Und nach und nach hat sie dieses Stück zu lieben gelernt: „So viel Bewegung …. und man kann sich an ihr erfreuen. Gut angepasst an die Musik. Eine spezielle Story gibt es dabei wohl nicht, doch man kann sich einer gewissen Magie, einem paradiesischen Empfinden hingeben.“ Im Vergleich: Altmeister Robbins und der neue Meisterchoreograph Heeldon? Welche Unterschiede gibt es hier für die Tänzer? „Ja doch, starke. Robbins ist sehr klassisch, man muss technisch alles absolut korrekt bewältigen. Wheeldon gibt dir fantasievolle Bewegungen vor, doch du kannst dann diese frei ausführen, deinem Körper anpassen – und man kommt dabei immer zum Atmen.“ Bitte, aufgeamtet nun und ganz & gar keine Angst vor THOSS / WHEELDON / ROBBINS. Es sind gute Namen.
Meinhard Rüdenauer