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ERSTER ÖSTERREICH-„TATORT“: NIE WIEDER OPER  – (1999)

19.06.2020 | Feuilleton

ERSTER ÖSTERREICH-„TATORT“: NIE WIEDER OPER  – (1999)


Opernführer Marcel Prawy, Marta Eggerth,  Harald Krassnitzer  bei einer beliebten Tätigkeit in der Seniorenresidenz. Copyright: ORF/ Ali Schafler

Der erste TATORT mit Harald Krassnitzer – Wiederholung  am Samstag 20. Juni 22h ORF 2

Zum Start der Reihe 50 Jahre TATORT.

So könnte heute eine Überschrift auf der Kulturseite lauten, ein Schreckensszenario für viele Musikfreunde . Vor 20 Jahren war es der erste österreichischen Tatort mit Harald Krassnitzer als Chefinspektor  Moritz Eisner. Er hatte mit der “ Hochkultur“ und ihren kapriziösen Protagonisten  so gar nichts am Hut, daher der Titel.

In der TV-Unterhaltungsabteilung des ORF herrschte in den 90er Jahren eine recht kollegiale Stimmung. So kam es, dass  manche Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen Montag früh im Büro des Chefs, damals Dieter Böttger, vorbeischauten. Die sonst stressige  Arbeit war zu Wochenbeginn noch nicht so richtig angelaufen, es war Zeit zum meist recht kreativen Gedankenaustausch. So auch  im Mai 1997.  Am Sonntag war der österreichische Tatort Mord ohne Leiche gelaufen, eine Coproduktion mit der federführenden ARD und der Schweiz. Aus organisatorischen Gründen war die Produktion von der Abteilung Fernsehspiel in die Unterhaltung gewandert. Daher fühlte ich mich zur Kritik  berechtigt, um nicht zu sagen verpflichtet . Seit langem interessierte Zuschauerin der Krimiserie ereiferte ich mich nicht sehr kollegial über die Qualität. Aber nie, nie ist der Satz gefallen  “ das könnte ich besser„.

Trotzdem, einige Tage später wurde mir die Redaktion übertragen , mit der Vorgabe, alles neu zu machen. Die deutschen Kollegen waren nämlich noch kritischer als ich und wollten die Koproduktion stoppen, wenn sich nichts änderte. Also bekam ich die heikle Aufgabe übertragen, das  damalige Team Wolfgang Hübsch ( Oberinspektor Kant)  und Johann Nikolussi  ( Inspektor  Varanasi) aus dem Polizeidienst zu entlassen  und ein neues zu suchen.  Dazu neue Regie, neue Autoren, neue Ideen. Damals war in den Kinos gerade der Film Men in Black ein großer Erfolg  mit  zwei Agenten  und  einer Pathologin an ihrer Seite . Ähnliches  wollte ich auch, denn so ein Team gab es damals noch nicht.

Wer heute Tatort schaut, weiß, dass es das auch im ORF nicht lange gab. Erst mit dem Duo in Münster erzielte  diese Konstellation bis heute großen   Erfolg. Bei uns gab es schon vor Dreh-Beginn große Probleme. Wir hatten als Pathologin niemand geringen als Sonja Kirchberger – als Die Venusfalle berühmt geworden – engagiert. Aber plötzlich kam ein Fax von ihrer Agentin, sie wäre im fünften Monat schwanger. Die Suche nach dem „Inspektor“  gestaltete sich trotz großen Einsatzes unserer Abteilung Markt- und Medienforschung  auch sehr mühsam. Der eine sagte wieder ab, der andere fand keine Zustimmung in der Chef- Etage, aber dann hatte ich Glück. Das ZDF stellt damals von heute auf morgen die Serie Der Bergdoktor ein und der österreichische  Schauspieler Harald Krassnitzer war arbeitslos. Damit war ein Darsteller gefunden, der auch von den Fernsehspielchefs der ARD  zwar nicht begeistert  (“ ein Serienheld ! “ aber doch akzeptiert wurde. Mir war nämlich als Art „Schutzmacht“  die Redaktion des SFB Berlin zugeteilt worden. Da deren Kommissar-Team auch nicht die Riesenerfolge feierte, kamen wir gut zu Rande. Herr Krassnitzer war dem deutschen Publikum zumindest sehr bekannt. Damit waren auch die Zweifel rund um mich herum im ORF obsolet,  also das was man einen Glücksgriff nennt.

Als Regisseur „entdeckte ich Robert Adrian  Pejo, dem mit Lipstick ein  überzeugender  Spielfilm gelungen war. Der brachte einen Autor in den USA mit , was durch die Zeitverschiebung  insofern günstig war, als wir am Morgen seine Drehbuchseiten vorfanden, er wiederum beim Aufstehen unsere Anmerkungen. Von den beiden stammt übrigens der Vornamen des Kommissars – Moritz, Einsner hieß mein damaliger Autohändler ; aber vor allem ließ sich auf das tz ein ei gut sprechen.

Das Thema war sehr österreichisch- ein Mord in einer Seniorenresidenz für Opernkünstler, so ähnlich wie in Baden bei Wien. Als das Drehbuch endlich fertig war, mußten Schauspieler , besser frühere Opernstars für die Rollen der Heimbewohner engagiert werden. Das war in Wien  kein Problem. So wurden die Nerven der Polizei  bei der Zeugeneinnahme nach einem Mord von  einer bunten  Schaar  großer Namen  der  Vergangenheit gehörig strapaziert :  Gerda Schreyer, Christl  Golz, sie  demonstrierte gleich ihren Auftritt als berühmte Salome, Walter Berry , Adolf Dallapozza und Otto Edelmann – er war das Mordopfer . Als weiblich Hauptrolle die unverwüstliche Ernie Mangold. Schwierig war nur  die zweite weibliche  Hauptrolle . Die Interpretin  sollte  aus der klassischen Musikwelt  kommen, durch ihre  Karriere auch einem breiten Publikum bekannt sein und außerdem trotz ihres Alters noch vor laufender Kamera singen. Die Wahl des Regisseurs ,der als Kleinkind mit den Eltern aus Rumänien in die Vorarlberger Textilindustrie gelangt war, fiel auf Marta Eggerth. Seine Eltern oder Großeltern dürften Fans von ihr gewesen sein.


Oper-, Operetten- und Leinwandstar  Marta Eggerth , Chefinspektor Harald Krassnitzer. Copyright: ORF/ Ali Schafler

 Frau Eggerth,  Jahrgang 1912  und vor dem Einmarsch der Hitlertruppen in Österreich  1938 mit ihrem polnischen Gatten Jan Kiepura in die USA ausgewandert, war nur schwer für dieses Engagement zu  begeistern . Aber mit Hilfe von Opernführer  Marcel Prawy, der  als Sekretär des Ehepaares in den USA gearbeitet hatte, gelang es,  sie über den großen Teich zu lotsen, aber  nur, wenn  er  auch mitspielte.

Der Drehtermin konnte eingehalten werden, das Budget weniger , da das Textbuch viel zu umfangreich  geraten war. So fielen auch besonders aufwendig gedrehte Szenen vor und in der Staatsoper der Filmlänge zum Opfer – mehr als 90 Minuten waren nicht erlaubt. Meine Sekretärin -Krassnitzer-Fan – spielte als Statistin  mit. Auch sie war in dem fertigen Film nicht mehr zu sehen und darüber sehr traurig.


Ermittlerteam  Alois Frank, Loretta Pflaum, Harald Krassnitzer mit Marta Eggerth und Marcel Prawy im Salon der Seniorenresidenz, passender Weise der Jahresjubilar im Hintergrund. Copyright: ORF/ Ali Schafler

Am  17. Jänner 1999 war es dann soweit. In den drei Ländern wurde dieser Tatort ausgestrahlt – mit, ich muß es zugeben,  nicht berauschendem Erfolg. Zu konstruiert die Handlung, zu wenig action.  Aber es war trotzdem etwas Besonderes gelungen , vielleicht weniger für Krimifans als für Opernliebhaber, und heute ist es ein Zeitdokument.   Der Anfang war gemacht . Mit dem zweiten Besetzungs-Glücksgriff, Adele Neuhauser als  Bibi Fellner – Partnerin von Harald Krassnitzer, der meinen Nachfolgern 2010 gelang, ist der österreichische Tatort in unserer Medienlandschaft sicher noch lange eine fixe Größe.

Ulrike Messer – Krol


Harald Krassnitzer, Marta Eggerth und Marcel Prawy. Copyright: ORF/ Ali Schafler

Wer mehr über Marta Eggert-Kiepura wissen will:  „Mein Lied für Dich“ – Marta Eggerth und Jan Kiepura zwischen zweier Welten

Ausstellung des exil.arte Zentrums der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Eröffnung: Oktober 2020

Mijou Kovacs und Waldemar Kmentt.  Sie war auch ein Opfer und mußte stundenlang in einer Badewanne mit rot gefärbtem langsam kalt werdenden Wasser liegen !! Copyright: ORF/ Ali Schafler

Dr. Ulrike Messer-Krol

 

 

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