Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ERMANNO WOLF-FERRARI: I QUATRO RUSTEGHI, European Opera Centre, Royal Liverpool Philharmonic Orchestra; Vasily Petrenko

RUBICON 2 CDs

17.05.2018 | cd

ERMANNO WOLF-FERRARI: I QUATRO RUSTEGHI, European Opera Centre, Royal Liverpool Philharmonic Orchestra; Vasily Petrenko, RUBICON 2 CDs

 

Der Venezianer Wolf-Ferrari (er hieß eigentlich – wegen seines badischen Vaters -Hermann Friedrich Wolf) wandelt bei der Vertonung des komödiantischen Ensemblestücks von Goldoni ziemlich unverschämt auf den Pfaden Verdis, der mit seinem „Falstaff“ die Vorlage wohl nicht nur für das kontrapunktische Gerangel der zehn Protagonisten am Schluss des zweiten Aktes lieferte. Man mische einen Schuss Rossinis hinzu, würze mit Puccini und streue noch neoklassizistische Elemente drüber und fertig ist die leicht genießbare karnevaleske Opera buffa. Beim genauen Hinhören haben auch Smetana und Wagner ihre Spuren in der Partitur hinterlassen.

 

Uraufgeführt am Münchner Hoftheater 1906 unter dem deutschsprachigen Titel „Die vier Grobiane“, hatte es diese Oper in Italien selbst schwer. Wegen des für den Wortwitz unverzichtbaren venezianischen Dialekts wohl nicht, aber zur Blütezeit des italienischen Verismo galt der Retro-Stil Wolf-Ferraris mit dem Heraufbeschwören der italienischen komischen Opern des 18./frühen 19. Jahrhunderts in seinem Geburtsland als unrettbar altmodisch. Es wäre auch nicht erstaunlich, wenn dieses Stück um vier in tiefer Lage singende spießige bis mufflige Kaufleute, überdies selbstgerecht und stur (das Ganze spielt um 1800), samt aberwitzigen Heiratskomplikationen, Geschlechterquerelen, erotischen Irrungen und Wirrungen und sonstigen Buffo-Plattitüden, gegen den Zeitgeist verstoßenen hätte. Natürlich enthält die Oper auch gesellschaftliche Kritik an der unfreiwilligen Verheiratung von Frauen und deren Schlauheit, am Ende doch ihre Freiheit durchzusetzen.

 

„I Quatro Rusteghi“ sind als (semi)konzertante Zugnummer tauglich, wenn ein spielfreudiges und quirliges Ensemble zu Verfügung steht, sich genügend belkanto-geeichte Bässe auf der Bühne tummeln und ein auf Genauigkeit bedachter Dirigent die Ordnung in den vielen heiklen drei- bis zehnstimmigen Ensembles zusammenhält. Der vorliegende Live Mitschnitt vom März 2012 aus Liverpool ist in Kooperation mit dem European Opera Centre entstanden. Es wird von der Europäischen Union unterstützt und fördert junge Künstler und Projekte in ganz Europa.

 

Das Album ist somit auch als Nachwuchsempfehlung verdienstvoll und vereint eine gute, wenngleich (noch) nicht durchwegs außerordentliche Solistenschar (in der Komödie ist Stimmschönheit aber ohnedies zweitrangig), von denen in Berlin vor allem der höhensichere, sympathische Tenor Tansel Akzeybek bekannt sein dürfte (er ist Ensemblemitglied der Komischen Oper Berlin). Als erfahrener Bass komplettiert Mihnea Lamatic das Ensemble. Wirklich herausragend sind das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra und sein Dirigent Vasily Petrenko, der Tempo und Sentiment, Leitmotive und Tonmalerei, das Derbe wie das Feinsinnige der Partitur gekonnt konturiert und im Detail herausarbeitet.

 

Lunardo, Antiquitätenhändler – Mihnea Lamatic, Bass

Margarita, seine zweite Frau – Silvia Beltrami, Mezzosopran

Lucieta, Lunardos Tochter – Romina Casucci, Sopran

Maurizio, Kaufmann – Aleksandar Stefanoski, Bass

Filipeto, sein Sohn – Tansel Akzeybek, Tenor

Marina, Filipetos Tante – Daniela Degennaro, Sopran

Simonw Maroele, ihr Mann, Kaufmann – Mirko Quarello, Bass

Cancian Tartufola, reicher Bürger – Roman Ialcic, Bass

Felice, seine Frau – Ana James, Sopran

Conte Riccardo, ein fremder Edelmann – Giulio Pelligra, Tenor

Eine junge Magd Marinas – Agnieszka Hauzer, Sopran

 

Fazit: Eine Empfehlung für Raritätensammler und Liebhaber flott-unbeschwerter komischer Opern mit Qualitätsanspruch.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

Diese Seite drucken