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ERL/ Tiroler Festspiele: KÖNIGSKINDER von Engelbert Humperdinck. Premiere

10.07.2021 | Oper in Österreich

Tiroler Festspiele Erl: Königskinder, E.Humperdinck  8.7.2021, Premiere

Königskinder
Karen Vuong, Katharina Magiera. Foto: Xiomara Bender

Das ist ein eher ungewöhnliches, vielleicht auch ‚Kunstmärchen‘ zu nennendes Sujet, das sich Humperdinck für eine zweite Oper nach Hänsel und Gretel vorgenommen hat. Während es im Märchen ein wie doch immer  geartetes Happy-end gibt, enden die ‚Königskinder‘ eindeutig tragisch, sie sterben an  Hunger und Durst in einer Winterlandschaft, wie das Paar in Manon (Lescaut) in einer Wüste. Wahrscheinlich hat das dem Werk auch nachhaltig geschadet und besonders bei Kindern keine Popularität eingebracht, obwohl die Uraufführung 1910 an der New Yorker Met ein großer Erfolg gewesen sein soll. Anscheinend benötigte Humperdinck später, um gute Inspiration für seine Kompositionen bemüht, keiner einfachen Märchensujets, sondern wie in diesem Fall ein ausgepichtes Libretto wie das von Elsa Bernstein-Porges, die aber unter dem Pseudonym Ernst Rosmer schrieb! Die Porges waren eine Generation früher gut befreundet mit Richard Wagner, nun hatte sich aber das Verhältnis gewendet. Die Erben Wagners. Cosima und Siegfried waren mit dieser Porges überhaupt nicht einverstanden, und so litt auch ihr Verhältnis zu Humperdinck.

Die Geschichte geht so: Ein Waisenmädchen wird von einer Hexe im Hexenwald als Gänsemagd adoptiert; als die Hexe einmal Kräuter sammeln geht, kommt ein Prinz vorbei, der sich in die Gänsemagd verliebt, und sie als zukünftige Königin mitnehmen will, da sie von ‚moralischem‘ Adel ist, was der Prinz instinktiv erkennt. Wegen der Ängste vor der mächtigen Hexe und auch wegen des rauhen Auftretens des Prinzen, kann sie nicht mitgehen, sie behalten aber beide ein reziprokes Pfand, der Prinz das Blumenkränzchen der Magd, diese die Königskrone des Prinzen.  Holzhacker, Besenbinder und Spielmann wollen sich von der Hexe weissagen lassen, wer der neue König in Hellastadt sein wird. Der Spielmann nimmt die Gänsemagd mit, um sie dem geweissagten Prinz zuzuführen. Der Zauberbann des Waldes bricht. Inzwischen war der Königsohn in Hellastadt angekommen, wo sich die BürgerInnen auf den Empfang des neuen Königs vorbereiten. Er mußte als armer Schlucker die Nacht im Schweinestall verbringen und verdingt sich erst einmal als Schweinehirt. Als aber der Holzhacker verkündet, daß zur Mittagsstunde der neue König eintreffen werde, tritt der Königssohn hervor und erklärt, daß er  alle Bürgerinnen zu Königsmenschen machen wolle. Das Volk lehnt ihn aber ab und verhöhnt ihn. Als die Wirtstochter ihn auch der Zechprellerei bezichtigt, verprügeln sie ihn. Pünktlich zieht die Gänsemagd zum Tor herein mit der Königskrone auf dem Kopf. Das Volk verlacht das Paar und vertreibt es aus der Stadt.-

Oper "Königskinder" setzte bei Premiere in Erl auf Realismus | SN.at
Foto: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele

Im letzten Akt wohnt der Spielmann im Hexenhaus, da die Hellastädter die Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannten. Hier finden ihn Holzhacker und Besenbinder mit einer großen Schar Kinder, um den Vielgeliebten zurückzuholen. Vorher wollen sie zusammen aber die Königskinder suchen gehen. Diese tauchen auf. Sie hatten nirgend Obdach gefunden. Vergebens bittet der Königssohn Besenbinder und Holzhacker, die sich im Hexenhaus wärmen, um Nahrung, erst als er ihnen seine Krone anbietet, geben sie ihnen ein Stück vertrocknetes Brot aus dem Hexenhaus. Sie essen es je zur Hälfte, und es übermannt sie beide eine wohltuende Müdigkeit. So finden sie der Spielman und die Kinder, und sie tragen die Verstorbenen zu Grabe.

Die Musik dazu kommt, etwa zehn Jahre nach Hänsel & Gretel, nicht mehr so romantisch daher. Sie ist aber, mit vielfältigsten Motiven durchsetzt, sehr schön anzuhören und ganz duftig instrumentiert. Sie füllt das mittelgroße Festspielhaus  ganz feierlich bis in die obersten Ecken. Das Orchester spielt unter der distinguierten Leitung von Karsten Januschke äußerst animiert und keinerlei Rätsel aufgebend. Das tut auch die Regie von Matthew Wild, die prächtig und zupackend verbleibt.Vor einigen Tannenbäumchen hat sich die Hexe in einem Wohnwagen eingerichtet. Mit einem Hinkebein und großer Krücke stolpert sie über die am Wasser gelegene Spielfläche. In ihrem niedergebrannten Wohnmobil hat sich im 3.Akt der Spielmann einquartiert mit ihrer Hexenkrücke, da ihm ein Bein gebrochen wurde. Auf dem See schwimmen kleine Plastikgänse. Im 2.Akt kreiert Herbert Murauer ( auch Kostüme), eine Tribüne mit bunten Plastiksesseln. Vorne links ein Wurststand, wo der Königssohn mit großer blutbefleckter Lederschürze angeheuert wird. Gerard Schneider singt den Königssohn mit jugendlich angenehmen, agil schönstimmigem Tenor, der aber in der Höhe manchmal etwas angestrengt wirkt. Karen Vuong ist seine Gänsemagd und kann spielerisch mit ihrem hübschen natürlichen Sopran vollauf überzeugen. Die Hexe bekleidet mit Katharina Magiera ein großes Kaliber und bringt dabei ihren starken schlanken Mezzosopran eindringlich zu Gehör, schreckt vor den leicht ironisch zu verstehenden Verwünschungen dieser eigentlich guten Hexe nicht zurück.

Den Holzhacker gestaltet mit seinem eindringlich ‚hohlen‘ Baßbariton Magnus Baldvinsson, Jaell Kim ist der tenorale Besenbinder, und  Franz Mayer trumpft mit seinem sonoren Baßbariton als Ratsältester auf. Oskar Hillebrandt gibt einen verschlagen köstlichen Wirt samt Töchterchen Kelsey Lauritano mit silbrigem Mezzo. Eine ganz freizügige, den Königssohn bezirzende Stallmagd stellt Valerie Eickhoff, auch Mezzo. Der Chor schlägt sich im Mittelakt gut als Volk, der Kinderchor der Schule für Chorkunst München singt stilecht schönstmmig mit einem Solokind Alena Sys, die  auch schon eine stimmlich reizende Barbarina sein könnte.                    

Friedeon Rosén

 

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