23.7.2023- „Götterdämmerung“- Passionsspielhaus Erl- Tiroler Festspiele Erl Sommer 2023.
„Zu End‘ ewiges Wissen…!“
Fotos: Xiomara Bender
Der dritte Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ im Passionsspielhaus Erl, begann in der Inszenierung von KS Brigitte Fassbaender mit den drei strickenden Nornen, die wie bei einem privaten Kaffeekränzchen, je einen Schal strickend, miteinander tratschten. Obwohl das Thema ihrer Unterhaltung ein schwerwiegendes, der Geschichte entsprechend, von tiefgründiger Bedeutung war,wurden sie teils skurril und teils wie biedere Hausfrauen in dunklem Licht (Jan Hartmann) sowie im Bühnenbild und Kostümen von Kaspar Glarner, weiters den Videoprojektionen von Bibi Abel,ungewöhnlich dargestellt. Anschließend wurden Siegfried und Brünnhilde, selig nebeneinander liegend, von der Unterbühne heraufgefahren und Siegfried brach furchtlos zu neuen Taten auf. Am Gibichungenhof spielten Gunther und Hagen gemeinsam Billard, während Gutrune in der gegenüberliegenden Sofa-Ecke gemütlich ein Journal las. An der Wand hinter dem Billard-Tisch war eine Bar angebracht, an deren „harten“ Getränken sich Hagen, im Laufe des Abends, wiederholt bediente. In normaler Alltagskleidung spannen die Gibichungen ihre intriganten Fäden. Die Szene von Brünnhilde und Waltraute lebte vor allem durch die intensive Spannung zwischen den beiden Sängerinnen. Den Kopf Gunthers (natürlich eine Attrappe) vor sein Gesicht haltend, drang Siegfried zu Brünnhilde vor, um ihr, wie er Gunther schwor, den Ring zu entreißen. In neuer Szenerie mit Freitreppen und Balustrade rief Hagen seine Mannen zusammen, die von allen Ecken und Treppenzusammenliefen. Brünnhildes Wutausbruch erfolgte wirkungsvoll, hoch von der Freitreppe herunter.
Der Racheplan an Siegfried wurde von Hagen, Gunther und Brünnhilde eindrucksvoll geschmiedet. Im dritten Akt tauchten aus der Tiefe drei glatzköpfige Rheintöchter auf, die sehr verführerisch gekleide twaren und sich bei Siegfrieds Erscheinen schwarze Perücken aufsetzten. Siegfried wurde von ihnen im Wald kunstvoll umgarnt. Ebenda fand die Erzählung seiner Heldentaten statt, nachdem Hagen ihn dazu aufgefordert hat. In Anwesenheit der Mannen, die Gibichungenwein mitbrachten, sowie Gunther, erzählte Siegfried seine Geschichte, die letztendlich durch Hagen zu seinem Tode Führte. Aus den Baumstämmen wurde über Siegfrieds Leiche ein Scheiterhaufen errichtet. Hoch oben auf der Balustrade erschien am Ende Brünnhilde und begann ihre Schlussszene „Starke Scheite schichtet mirdort“ zu singen, um sie anschließend vor dem Scheiterhaufen fortzusetzen und finalisierend Siegfried in den Tod zu folgen.
Musikalisch war diese Erler „Götterdämmerung“ ein absoluter Hochgenuss, der einem in höhere Wagnersphären entführte. Das ausgezeichnete, wagnererfahrene Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter der vorzüglichen, hochkonzentrierten Leitung von Erik Nielsen, bereitete einen reichen, schier überdimensionalen Wagner‘schen Klangteppich, der fein differenzierend und sämtliche Nuancen des Wagner‘schen Oeuvre ausarbeitend, die Genialität dieser Musik auf das Beste umsetzte. Die hervorragenden Sängerinnen und Sänger vervollständigten dieses exzeptionelle
Wagner-Erlebnis. Vincent Wolfsteiner bestach als Siegfried durch seine Souveränität in Beherrschung dieser anspruchsvollen Rolle, Durchhaltekraft und feinen Differenziertheit in den innigen Phasen, wie zum Beispiel „Brünnhilde, heilige Braut!“ Craig Colclough fesselte als Alberich, ebenso wie im „Siegfried“, mit seiner überragenden Bühnenpräsenz und vollkommenen Identifikation
mit seiner Rolle. Eine überzeugende Leistung bot Robert Pomakov in der Rolle des intriganten Hagen, der stimmgewaltig und präsent die Szene beherrschte und sich als Führungspersönlichkeit
sowie als gemeiner Mörder entpuppte. Sehr eindrucksvoll seine Szene im ersten Akt „Hier sitz ich zur Wacht“ und der Auftritt mit den Mannen im zweiten Akt. Einen eleganten Gunther mit markantem,unverwechselbarem Timbre und authentischem Charakterprofil präsentierte Manuel Walser. Eine Sensation als Brünnhilde war Christiane Libor! Mit immenser Stimm- und Ausdruckskraft, souveräner Rollengestaltung und Intensität, dominierte sie mit ihrer Bühnenpersönlichkeit die Aufführung! Irina Simmes erfreute mit schöner, gut geführter Stimme und eleganter, unaufdringlicher Bühnenpräsenz in der Rolle der Gutrune. Katharina Magiera beeindruckte als persönlichkeitsstarke Waltraute, die gemeinsam mit Brünnhilde, Christiane Libor, eine immense Spannung aufbaute und ihre Schwester, stimmlich souverän und ausdrucksstark zu überzeugen versuchte. Die drei Nornen- Marvic Monreal (Erste Norn), Anna-Katharina Tonauer (Zweite Norn), Monika Buczkowska (Dritte Norn), sangen homogen und eindrucksvoll über die Vergangenheit und Zukunft der Welt und erfüllten vorbildlich ihre Aufgabe, die Brigitte Fassbaenders Regie an sie stellte. Ebenso die drei Rheintöchter- Anna Nekhames (Woglinde), Karolina Makula (Wellgunde), Katharina Magiera (Floßhilde), die ihre Verführungskünste sowohl stimmlich als auch schauspielerisch überzeugend zum Ausdruck brachten. Hervorragend der Chor der Tiroler Festspiele Erl unter der Leitung von Olga Yanum.
Eine „Götterdämmerung“- Aufführung von außergewöhnlicher Brillanz und Faszination, die den hohen Ansprüchen ihres genialen Schöpfers absolut gerecht wurde!
Marisa Altmann-Althausen