Erich Polz und das Ensemble Modus 21. Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele
ERL/ Tiroler Festspiele/ Festspielhaus: ALMTRIEB – zweiter Teil „MITTAG“ am 15.7.2019
Der zweite Teil der Konzertreihe Alm-Trieb, „Mittag“, kontextualisierte im Festspielhaus in Erl durch Musik den Gipfel, was das Leben aus- und schön macht. Das Konzept (Valentin Lewisch) erklärt sich zwar durch Stücke und Text ziemlich klar, das Programmheft liefert aber zusätzlichen und interessanten Input.
Und an diesem Konzertabend passierte reichlich viel. Angefangen von der ästhetischen und spannenden Videoinstallation im Foyer (Auer-Grumbach, Lewisch), die mit einer GoPro vom Kopf einer Kuh aus den tierischen Alltag auf der Alm beobachtet.
Kamile Marjia Kubiliute, Irenen Kok und Christopher Devine (Klavier). Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.
Kamile Marjia Kubiliute, Irenen Kok und Christopher Devine brillierten spielerisch bei einem Klaviertrio Florian Bramböcks mit dem passenden Titel „Almmusik“. Pirchners „Mit Fagottes Hilfe“ pfiff Andreas Stockerer virtuos und begeisternd auf dem namensgebenden Instrument, Julia Kriechbaum und Freya Tuppy spielten sitzend ein charmantes Geigen/Bratschen Duo von Bruno Maderna zum Genießen.
Julia Kriechbaum und Freya Tuppy spielten sitzend ein charmantes Geigen/Bratschen Duo von Bruno Maderna
Mit einem besonderen Text wartete die Chorakademie der Tiroler Festspiele auf: „Lorem Ipsum“ (ein Text ohne jede Bedeutung) absolut stilsicher von Patrick Hahn vertont und durchaus witzig in der Kombination von Sprache und Text, die Fallhöhe zwischen dem Text und seiner Ausgestaltung geriet auch in der Darbietung besonders überzeugend.
Alina Hagenschulte (Rezitation), Christopher Devine (Klavier). Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.
Dazwischen rezitierten Alina Hagenschulte (manchmal nicht ganz leicht zu verstehen) und Matti Melchinger sympathisch im Publikum allerlei Texte, in denen man sich über das Schöne an der menschlichen Existenz Gedanken macht: Liebe, Utopie und Friede, schön zusammengestellt. Alina Hagenschulte sprach zusätzlich mit Christopher Devine am Klavier wortdeutlich an verschiedenen Stellen im Konzert Teile aus Viktor Ullmanns „Die Weisen von Liebe und Tod des Cornet Christopher Rilke“.
Lorin Wey singt Andri Joël Harisons „Schlaflied“ nach Paul Celan. Erich Polz und das „Ensemble Modus 21“. Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.
„Ensemble Modus 21“. Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.
Ein absolutes Highlight war jedenfalls die Uraufführung des Abends: Andri Joël Harison komponierte ein „Schlaflied“ nach Paul Celan, elegisch und sanft an Orchesterlieder von Richard Strauss gemahnend. Erich Polz am Pult beschwört mit dem elfköpfigen Ensemble großes Kino, der Tenor von Lorin Wey riss das Publikum zu hörbaren Begeisterungsbekundungen hin.
Ans Ende des ohnehin schon dichten Programms setzte man dann noch einen „Kracher“. Gerhard Schedls rund halbstündige Kammeroper „Pierre et Luce“ mit einer strahlenden, höhensicheren Martina Bortolotti (als Einspringerin!) als Luce und einem berührenden, emotionalen Pierre durch Lorin Wey.
Das durchaus komplexe Stück war bei Erich Polz und den Musikern des Ensembles Modus 21 in besten Händen, klar strukturiert, packend aber immer der Schönheit ihren Raum lassend.
In Szenen gesetzt hat dieses ausgezeichnete Stück Musiktheater Valentin Lewisch. Die Geschichte, erzählt er logisch und mit klarer Personenführung und in Teils wirklich poetischen Bildern, obwohl es faktisch kein Bühnenbild gibt. Gespielt wird im Bühnenportal und auf dem höhenverstellbaren Graben.
Lorin Wey, Martina Bortolotti als „Pierre et Luce“. Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.
Pierre und Luce verweigern in dieser Lesart die Welt, schmücken sich in Kostümen flüchten in eine bessere Scheinwelt und tragen ihre Sonne selbst spazieren, denn die Welt selbst beginnt bereits am Mittag eine dunklere zu werden. Das alles passt auch zu der Vorlage Romain Rollands, die im 1. Weltkrieg spielt (so auch bei Schedl).
Das Stück bietet insofern einen einleuchtenden wie beindruckenden Schlusspunkt!
Andreas Stocker am Fagott. Copyright: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele.
In Summe darf man von einem wirklich ausgezeichneten Abend berichten. Anmerken kann man einzig, dass der Flügel gefühlte hundert Male über die Bühne geschoben wurde und manche technischen Abläufe offensichtlich unterprobt waren. Das soll das ambitionierte Unternehmen aber in keinster Weise schmälern, vielmehr ist dem Team wie auch dem Haus zu ihrem Mut eine solche Konzertreihe durchzuführen zu gratulieren, die an Qualität und Inhalt so reich ist.
Großer Jubel trotz des eher spärlich besetzen Hauses.
Isolde Cupak