Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ERL/ Tiroler Festspiele: ERMIONE von G. Rossini Eröffnungspremiere

07.07.2018 | Oper

 


Copyright: Xiomara Bender/Festspiele Erl

Tiroler Festspiele Erl: ERMIONE von G. Rossini    Eröffnungspremiere  6.7.2018

Dieses Jahr fungiert die Oper Ermione als Eröffnungspremiere des Festivals. Rossinis frühe Opera seria, die der Pesareser Maestro für Neapel komponierte, und die danach im 19. Jahrhundert nicht mehr gespielt wurde, wurde im 20. erst beim Rossini Festival in Pesaro wieder entdeckt. Die lange Periode der Vergessenheit liegt aber sicher nicht an dem Stoff aus der klassisch griechischen Tragödie, die um 1820 noch sehr beliebt war, sondern an Rossinis Komposition, die weit auf sein spätes Werk (Semiramide, Guillaume Tell) seiner Pariser Zeit  vorausweist. Ermione hat hier mit den Opera seria-Konventionen gebrochen, indem oft die 3teilige Arie um die Cabaletta gekürzt wurde, ein rezitativisch-deklamatorischer Stil dominierte und der Chor  eine dramaturgisch größere Präsenz erhielt. Außerdem gibt es kein Lieto fine (frohes Ende), was  vom Opernpublikum in Neapel gar nicht goutiert wurde. Gustav Kuhn präsentiert quasi eine Wiederaufnahme seines Dirigats von 1986 vom Rossini Festival in Pesaro, was im vollbesetzten Fespielhaus in Erl sehr gut ankommt.

Kurz zum Inhalt: Nach dem Trojanischen Krieg hat Pirro, der Sohn des Achilles, Andromache, Witwe Hektors, mit ihrem Sohn Astianatte in Gefangenschaft, nach Epirus verbracht. Pirro ist mit Ermione verlobt, verliebt sich aber in Andromache, die, zwar hin- und hergerissen wegen des Sohnes, seinen Antrag ablehnt. Die Amazonenkönigin Ermione ist rasend vor Wut, weil  Pirro sich von ihr abgewendet hat. Nun erscheint Orest als Botschafter der Griechen und verlangt die Auslieferung des Astianatte. Gleichzeitig liebt er Ermione und leidet unter ihrer Zurückweisung. Als Pirro auf die Forderung nach Auslieferung Astianattes eingeht, bricht der Widerstand  Andromaches ihm gegenüber. Inzwischen wird Orest von Ermione zur Rache an Pirro angestachelt und erdolcht diesen. Trotzdem weist Ermione ihn büsk zurück und beschuldigt ihn, ihren Geliebten ermordet zu haben. Beide töten sich selbst, weil sie keinen Ausweg aus ihrer jeweiligen Liebespein erkennen.

Ein sich durchziehendes Motiv der Inszenierung Kuhns ist die Präsenz weißer Gliederpuppen in den Händen aller Protagonisten, die das Kind Astianatte darstellen sollen, das selbst gar keinen Auftritt hat. Daß er am Ende nicht ausgeliefert wird, könnte man aber auch als Lieto fine sehen, wenn auch ein durch drei (Selbst)morde Erkauftes. Ein unterirdisches Verlies ist durch mehrere Säulenpilaster und Lichtadern angedeutet, der Palastgarten mit einem Meeresprospekt versehen, und der Thronsaal mit großen rätselhaft nach oben verformten Holzstühlen bestückt (Peter Hans Felzmann, Bühnenbild). Die Regie Kuhns darin ist sehr lebhaft, die Chöre treten aber immer direkt zu Ihren Einsätzen auf, teils im Entengang, teils im Soldatenschritt. Die äußerst phantastischen an antiken Tuniken inspirierten bewegt fließenden Seidengewänder für die Heroinnen und die ebenfalls fantasiereichen Staatsgewänder für Pirro und Oreste stammen von Karin Waltenberger.

Das Orchester strahlt unter Gustav Kuhn, der mit kleinen Bewegungen und Gesten andächtig dirigiert, exakte Homogenität aus, wenn es auch mit der Bühne wenige Male zu kleineren Unebenheiten kommt. Das ist äußerst lebhafte Spielen auch dieser manchmal spröde wirkenden Musik, die in ihren besten Teilen auch an Donizettis Königinnen-Dramen erinnern.


Copyright: Xiomara Bender/Festspiele Erl

In den Nebenrollen des guten mit drei Tenören dominierten Ensembles singen Giorgio Valenta den Attalo, Alena Sautier die Cefisa und Maria Novella Malfatti die Cleone. Fenicio am Hof des Pirro wird von Giovanni Battista Parodi mit samtem hell obertonreichem Baßbariton gesungen. Hui Jin singt mit kräftig hohem Tenor den Pilade. Sein Begleiter Orest wird von dem Moldavier Iurie Ciobanu mit weichem nach oben in höchste Höhen sich öffnendem Tenor gegeben und verkörpert. Seine spontane Handlungsweise aus blinder Liebe frappiert. Als Pirro wird Ferdinand von Bothmer zu respektlosem Verhalten auf Ermione angesetzt. Ihm steht ein angenehm timbrierter Tenor zu  Verfügung. Die Koloraturen gelingen ihm manchmal in einer gewissen Annäherung, was sich aber trotzdem nicht schlecht anhören läßt. 

Svetlana Kotina gibt die Andromache mit warmem quellenden Mezzosoporan. Am Ende ist sie raus aus dem Spiel und sieht mit ihrem Sohn einer ungewissen Zukunft entgegen.

Maria Radoeva bringt in die Titelpartie einen vielfärbigen manchmal herb timbrierten Sopran ein. In ihrer wutrasenden Arie ist sie als Amazone voll in ihrem Element mit leuchtend geschleuderten Stimmkaskaden und wahnwitzigen Koloraturbögen. Diese Rolle hat Rossini seiner Frau  Maria (sic!) Colbran in die Kehle geschrieben.                 

Friedeon Rosén

 

Diese Seite drucken