Passionsspielhaus Erl – 5.7.2024: „Das Rheingold“ – Premiere
„Der Welt Erbe gewänne zu eigen, wer aus dem Rheingold
schüfe den Ring, der maßlose Macht ihm verlieh‘.“
Mit der fantastischen, fein durchdachten Inszenierung des fulminanten „Ring des Nibelungen“, getragen von der exzeptionellen Personenführung, krönt Kammersängerin Brigitte Fassbaender ihre Riesenkarriere, die sie von der Sängerin von Weltrang zur herausragenden Intendantin und schließlich zur grandiosen Regisseurin eindrucksvoll geführt hat! Zum Abschluss der Intendanz von Bernd Loebe, der weiterhin als Intendant der Oper Frankfurt, die er nunmehr seit 22 Jahren äußerst erfolgreich leitet, in der Musikwelt präsent bleiben wird, werden zwei „Ring“- Zyklen im Passionsspielhaus Erl gegeben. Natürlich werden während der Sommerfestspiele in Erl auch wunderbare Konzerte und die Oper „Mazeppa“ von Peter I. Tschaikowski aufgeführt, um neben dem genialen Werk von Richard Wagner auch ein weites Spektrum für jeden Musikgeschmack – auf qualitativ hohem Niveau – anzubieten.
Bis in die kleinsten Details durchdacht fesselte „Das Rheingold“. Die verführerischen Rheintöchter, die sich ihrer Haare entledigen und plötzlich mit Glatzen ihr Spiel mit Alberich treiben. Der listige Loge, auffallend und herausstechend im kakigelben Anzug, der die bereits etwas maroden Götter mit seinem raffinierten Intrigenspiel gehörig aus der Fassung zu bringen vermag. Herrlich, dieses bunt gemischte Götterhäuflein mit dem rothaarigen Froh, dem „wichtigen“ Donner, der am Ende seiner Arie mit seinen Waffen sogar einen bestens inszenierten „Kurzschluss“ mit Feuer zu erzeugen vermag, die zickige Fricka, die ängstliche Freia und Wotan, der beharrlich versucht, sich seine Macht zu erhalten. Brigitte Fassbaender hat an alles gedacht, um die Geschichte und den Kampf um das Rheingold plastisch darzustellen und mit ihrem regielichen Ideenreichtum auch eine humorvolle Komponente in ihre Inszenierung einzubringen.
Gemeinsam mit ihrem Team, Kaspar Glarner (Bühnenbild & Kostüme), Uta Baatz (Kostümmitarbeit), Jan Hartmann (Licht), Bibi Abel (Video) erzeugt sie eine faszinierende, packende Geschichte des genialen Werks, in dem musikalisch bereits jedes Detail vorgegeben ist. Die Regie muss es nur werkgetreu nacherzählen, sowie es Brigitte Fassbaender in ihrer herausragenden Inszenierung bewerkstelligt hat.
Besonders hervorzuheben sind noch die beeindruckenden Videoprojektionen, die, konform mit der Musik, eine ungemein mystische Wirkung erzeugen und die Naturgewalten, wie das Wasser, den Himmel, den Wald und das Feuer überaus wirkungsvoll in Szene setzen.
Musikalisch lässt dieses überragende „Rheingold“ in Erl keine Wünsche offen. Das hervorragende und sehr gut zu hörende Orchester der Tiroler Festspiele Erl, das im Passionsspielhaus hinter der Bühne postiert ist und durch einen Vorhang nur schemenhaft zu sehen ist, begleitet, mit warmem, fein differenziertem Klang, das Wagner‘sche Oeuvre bestens umsetzend, die ausgezeichneten Sänger:innen, die über vor der Bühne angebrachte Monitore mit dem Dirigenten und dem Orchester in Kontakt stehen. Gut wahrnehmbar erfüllt jedes einzelne Instrument im Orchester, die ihm von Wagner zugedachte Aufgabe, die dem „Rheingold“ eine besondere Lebendigkeit, Raffinesse und beachtlichen Humor verleiht.
Erik Nielsen führt sicher, feinfühlig und stupend den umfangreichen Orchesterapparat und stellt für die Sänger:innen einen wunderbaren Begleiter dar. Nie aufdringlich oder zu laut, sondern mit der genau richtigen Klangdosierung und Präsenz, steht das Orchester in Erl stets, im besten Sinne, im Mittelpunkt des Geschehens.
Profiliert und persönlichkeitsstark fesselt Simon Bailey als Göttervater Wotan. Mit exemplarischer Wortdeutlichkeit, wie übrigens alle Sänger:innen in Erl, mächtiger Stimme und enormer Überzeugungskraft lebt er intensiv, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch, „seinen“ Wotan. – Listig, stets seine Intrigen spinnend und die etwas „hilflose“ Götterriege manipulierend der Loge von Ian Koziara. Überaus bühnenpräsent, stimmgewaltig und beweglich der herausragende Alberich von Thomas de Vries. Hervorragend Peter Marsh in der Rolle des Mime. Mit enorm fokussierter, präzise geführter Stimme und hinreißender Rollenauthentizität zieht er das Auditorium überaus gekonnt in seinen Bann. Bianca Andrew überzeugt, mit nobler Zurückhaltung und leichter Mezzostimme, als „Hüterin der Ehe“ die Göttin Fricka. Eindrucksvoll die pastose Erda „Weiche, Wotan, weiche!“, im eleganten Kostüm und in Stöckelschuhen, von Zanda Švêde. Imposant und furchterregend die beiden stimmgewaltigen Riesen, Robert Pomakov (Fasolt) und Anthony Robin Schneider (Fafner). Präsent und stimmlich einwandfrei Manuel Walser als Donner. Urkomisch im bunten Kostüm, mit roten Haaren und hellem Tenor, Brain Michael Moore in der Rolle des Froh. Stimmlich ausgezeichnet und durchschlagskräftig, sowie absolut rollendeckend, Elizabeth Reiter als Freia, Göttin der Jugend. Verführerisch, präzise und homogen die drei Rheintöchter: Illa Staple (Woglinde), Karolina Makula (Wellgunde) und Katharina Magiera (Floßhilde).
Ein grandioser Beginn der diesjährigen „Ring“- Tetralogie in Erl, der im restlos ausverkauften Passionsspielhaus wohlverdient stürmisch bejubelt wurde!
Marisa Altmann-Althausen