Erl: WAGNER-GALA für Oskar Hillebrandt – Festspielhaus 22.6.2018 –
50-jähriges Bühnenjubiläum! – Verachtet mir die Meister nicht und ehrt mir ihre Kunst! –
Kammersänger Oskar Hillebrandt, der 50 Jahre Erfolge auf den Opernbühnen der Welt feiern durfte, widmete der Richard Wagner-Verband Innsbruck/Bozen einen Konzertabend im Erler Festspielhaus. Schon zu Beginn war der Sänger mit einer anspruchsvollen Herausforderung konfrontiert: dem Monolog des Holländers „Die Frist ist um“. Mit seinem volltönenden Bariton, der im Piano genauso intensiv klang wie im strahlenden Forte, umschiffte Hillebrandt mit differenziertem Ausdruck die Klippen dieser Rolle. Er gestaltete die Zerrissenheit des ewig Verfluchten und den auf Erlösung Hoffenden mit glaubhafter Darstellung und gekonntem Wechsel der Stimmfarbe. Bereits nach dem Anfangsstück tosender Beifall und erste Bravorufe des überwiegend fachkundigen Publikums. Besser hätte diese Wagner- Gala kaum beginnen können. Man konnte auf Anhieb nachvollziehen, warum Oskar Hillebrandt für seine Interpretation des Holländer im Jahr 2015 in Australien zum besten männlichen Sänger gekürt wurde. Recht ungewöhnlich war, dass der künstlerische Leiter, Gustav Kuhn, den Sänger zuerst mit dem äußerst schwierigen Holländer-Monolog präsentierte und erst danach die Holländer Ouvertüre gespielt wurde. Eine nicht übliche Dramaturgie, die während des ganzen Abends so durchgehalten wurde.
Die packenden Klänge dieser Ouvertüre, mit der die geisterhafte Welt des Verdammten, die an- und abschwellenden Wellen, das stete Rauschen des Windes, die ganze Verzweiflung und die Todessehnsucht des unglücklichen Geisterkapitäns hörbar gemacht wird, werden von dem erfahrenen Dirigenten Gustav Kuhn, der Wagner quasi im kleinen Finger hat, brillant musiziert. Diese Realisierung auf höchstem Niveau ist nur möglich, weil es dem Dirigenten gelang, meist jüngere Spitzentalente zu gewinnen, die zum Teil jährlich im Sommer und Winter im Rahmen der Tiroler Festspiele Erl zusammenkommen und sich durch die Kontinuität in der Besetzung und ihr begeisterndes Spiel international den Rang eines Wagner-Orchesters par excellence erarbeiteten.
Eindrücklich und prägnant im Vortrag sang Oskar Hillebrandt sodann den klagenden Monolog des Amfortas „Ja! Wehe! Wehe!“ Spätestens jetzt wurde eindrucksvoll unterstrichen, worin die Jahrzehnte lange Weltkarriere des Heldenbaritons Oskar Hillebrandt begründet ist: Es ist die in allen Lagen hervorragend geführte Stimme, die vollendete Technik, der warme, volltönende Klang, die nach wie vor blendenden Höhen seines Heldenbaritons. Vor allem ist es jedoch die Souveränität und die Selbstverständlichkeit, mit der Hillebrandt seine Rollen gestaltet. Der Routinier bietet eine ganzheitliche singschauspielerische Leistung aus Gesang, ausdrucksvoller Mimik und stimmiger Körpersprache. Vorbildlich seine Artikulation und Textverständlichkeit. Er spielt seine Rollen nicht, er ist Holländer, Amfortas, Sachs, Alberich, Wotan und immer eine überzeugende Sängerpersönlichkeit im Kosmos seiner zahllosen Rollen und weltweiten Auftritte.
Die monumentale Ouvertüre zu„Tannhäuser“ wird von dem Glaubens- und Lustmotiv geprägt. Mit dem sicheren Gespür des Kenners und seinem spielfreudigen Orchester bringt Gustav Kuhn diese beiden Gegensätze differenziert zum Ausdruck. Wieder faszinierte die Harmonie zwischen Orchester und Dirigent.
Nahezu träumerisch schwärmte Oskar Hillebrandt in dem wunderbar gefühlvoll gestalteten „Fliedermonolog“ aus Wagners „Meistersingern“. Hier war die vorbildliche Einheit von Stimme, Gestaltung, Mimik, Gestik, Körpersprache vielleicht am eindrucksvollsten zu erleben. Doch wie wurde der Sänger anschließend gefordert, als er sofort nach dem umjubelten „Fliedermonolog“ stimmlich umstellen musste, um die pathetische Schlussansprache des Sachs mit dem erforderlichen Stimmvolumen zu schaffen. Doch es glückte auch dieser Husarenritt. Mit vorbildlicher Deklamation gelang ein mitreißendes Plädoyer für die Freiheit der Kunst. Das Wagner-kundige Publikum würdigte die Leistungen von Oskar Hillebrandt mit nicht enden wollendem Beifall und stehenden Ovationen. Herzliche Umarmungen und Küsschen zwischen Dirigent und Sänger zeugten von der freundschaftlichen Verbundenheit dieser beiden herausragenden Künstler.
Nicht leicht hatte es der Präsident der Tiroler Festspiele, Hans Peter Haselsteiner, jetzt noch zu dem enthusiasmierten Publikum zu sprechen. Doch durch natürliche Autorität und humorvolle Worte gelang ihm der Dank an die Ausführenden und sogar Werbung für die kommenden Veranstaltungen in Erl. Punktsieg für einen, der gewohnt ist, Menschen zu motivieren.
Mit einer „Meistersinger“-Ouvertüre, musiziert im Stil einer symphonischen Dichtung, beendete Gustav Kuhn klugerweise in nicht überbordendem Tempo und mit disziplinierter Lautstärke diesen außergewöhnlichen Konzertabend kultiviert und niveauvoll.
Geschaffen wurde in Erl dieses Paradies für Oper und klassische Musik weitgehend von zwei Persönlichkeiten: Gustav Kuhn, der als Gründer und Leiter die Künstlerfamilie inspiriert und zusammenhält, und Präsident Hans Peter Haselsteiner, der als Mäzen das Opernschaffen in der kleinen Gemeinde großzügig fördert und dadurch das Außergewöhnliche ermöglicht. Ein weiterer Glücksfall ist, dass Oskar Hillebrandt als Mentor und Coach für die Sänger gewonnen werden konnte. Was vor allem der Sängernachwuchs von diesem Vorbild an Stimmbildung, Gesangstechnik, Darstellungskunst und verständlicher Sprache lernen kann, hat der große Sängerschauspieler Oskar Hillebrandt bei diesem ihm gewidmeten Konzert in beeindruckender Weise bewiesen. Bravissimo!
Hans A. Hey