Große Oper bei den Tiroler Festspielen Erl: „Francesca da Rimini“ von Saverio Mercadante (7. 1. 2023)
Anna Nekhames als Francesca. Foto: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele
Im Festspielhaus von Erl fand im Rahmen der Tiroler Festspiele am 7. Jänner die dritte Vorstellung der Oper „Francesca da Rimini“ von Saverio Mercadante statt. Dieses Werk, das zu Lebzeiten des berühmten italienischen Komponisten nie aufgeführt wurde, hatte seine Uraufführung am 30. Juli 2016 im Palazzo Ducale in Marina Franca im Rahmen des Festivals della Valle d’Itria. Seine österreichische Erstaufführung war am 28. Dezember 2022 im Festspielhaus von Erl und wurde vom Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen.
Saverio Mercadante (1795 – 1870) galt zu Lebzeiten Verdis, Bellinis und Donizettis als der bedeutendste italienische Opernkomponist, dennoch verschwanden seine Werke im 20. Jahrhundert aus dem Repertoire der Opernhäuser. Erst in letzter Zeit erinnerte man sich wieder seiner großen Kompositionskunst.
Mercadante kam 1806 nach Neapel und war von 1816 bis 1820 Schüler Zingarellis. Seinen ersten großen Erfolg feierte er 1821 mit Elisa e Claudio an der Mailänder Scala. Im Jahr 1824 hielt er sich auch in Wien auf, wo er allerdings mit seinen Opern nur mäßigen Erfolg hatte und bald wieder nach Italien zurückkehrte. Nach einigen Jahren in Spanien und einem kurzen Aufenthalt in Paris leitete er ab 1840 bis zu seinem Tod das Konservatorium in Neapel als Nachfolger Zingarellis. Insgesamt schrieb Mercadante 58 Opern, die in ganz Italien mit großem Erfolg aufgeführt wurden. Sein musikalisches Schaffen umspannt ein halbes Jahrhundert, wobei er auch Rossinis Vorgaben für die komische Oper folgte und sich um 1830 an Donizetti und Bellini orientierte, ehe er in seinen Werken einen dramatischen Gesamteindruck anstrebte. Verdrängt wurde er erst von Verdi, gegen den er in Neapel mit seiner ganzen Autorität angekämpft hatte.
Das Thema der Oper Francesca da Rimini – Ehefrau liebt den Bruder ihres Mannes, ein Treuebruch, der in einer Katastrophe endet – wurde immer wieder von vielen Komponisten mit Erfolg vertont. Es seien Riccardo Zandonai, Hermann Goetz, Franco Leoni, Sergej Rachmaninov und Ambroise Thomas genannt, die alle eine Oper Francesca da Rimini nach verschiedenen Textdichtern komponierten, die in letzter Zeit aufgeführt wurden.
Der Inhalt von Mercadantes Oper Francesca da Rimini, deren Libretto Felice Romani verfasste, in Kurzfassung: Francesca da Rimini, eine geborene da Polenta aus Ravenna, wurde aus politischen Gründen mit Lanciotto Malatesta, dem Sohn des Herrschers über Rimini, verheiratet. Weil Lanciotto „missgestalteter Gestalt“ ist, hatte man dessen Bruder Paolo als Bräutigam ausgegeben. Francesca und Paolo verlieben sich im Moment ihrer ersten Begegnung ineinander. Doch in der Hochzeitsnacht muss Francsca erkennen, dass nicht Paolo, sondern dessen Bruder Lanciotto ihr rechtmäßiger Ehemann ist.
Als nach einem Krieg endlich wieder Frieden in Rimini herrscht und Lanciotto als Sieger heimkehrt, spürt er, dass Francesca unglücklich ist und wird misstrauisch. Auch Paolo kehrt aus dem Krieg nach Hause zurück und bald kommen einander Paolo und Francesca wieder näher. Lanciotto merkt es und schwört, den Treuebruch zu rächen. Er will die beiden mit dem Tod bestrafen. Sie sollen wählen: Waffe oder Gift. Francescas Vater Guido, der mit einem Trupp Bewaffneter hinzukommt, kann die Katastrophe gerade noch verhindern.
Obwohl sich Francesca in ein Kloster zurückzieht, versucht Paolo sie zu überzeugen, mit ihm zu gehen, um gemeinsam glücklich zu werden. Als Lanciotto die beiden wieder entdeckt, kommt es zur Katastrophe. Guido findet nur noch die leblosen Körper von Francesca und Paolo vor.
Regisseur Hans Walter Richter schaffte es, mit seiner Inszenierung das musikalische Drama des Komponisten auf der großen Bühne von Erl wirkungsvoll umzusetzen, wobei er in einigen Szenen die Handlung noch von drei Tänzern – Annalisa Piccolo, Bernardo Ribeiro und Gabriel Wanka immer wieder virtuos – untermalen ließ (Choreographie: Gabriel Wanka). Auffallend auch die gute Personenführung des Regisseurs.
Für das Bühnenbild zeichnete Johannes Leiacker verantwortlich, für die Kostüme Raphaela Rose und für die Dramaturgie Mareike Wing.
Das Orchester der Tiroler Festspiele Erl wurde von Giuliano Carella sehr temperamentvoll geleitet. Es gelang ihm immer wieder, die Dramatik der Oper exzellent wiederzugeben, wobei auch der Chor viel dazu beitragen konnte (Einstudierung: Olga Yanum).
Die Mezzosopranistin Karolina Makula als liebender Paolo. Foto: Xiomara Bender/ Tiroler Festspiele
In der Titelrolle konnte die russische Sopranistin Anna Nekhames das Publikum restlos begeistern. Sie spielte auf faszinierende Art und Weise die unglücklich Liebende und erhielt immer wieder Szenenapplaus. Ihr ebenbürtig agierte die polnische Mezzosopranistin Karolina Makula in der Rolle des liebenden Paolo. Die Hosenrolle des liebenden Bruders von Lanciotto schien ihr auf den Leib geschrieben. Beide Sängerinnen waren sowohl stimmlich wie darstellerisch erstklassig! Lanciotto wurde vom US-amerikanischen Tenor Theo Lebow gesungen. Er war vor allem in den hochdramatischen Szenen als eifersüchtiger Ehemann überzeugend. Aber auch stimmlich meisterte er alle Höhen seiner Rolle.
Als Vater der Francesca da Rimini strahlte der amerikanische Bariton Erik van Heyningen mit seiner tiefen Stimme eine starke Bühnenpräsenz aus. Stimmlich überzeugend auch die schwedische Sopranistin Karolina Bengtsson in der Nebenrolle der Isaura, ebenso der argentinische Tenor Francisco Brito als Guelfo.
Das von der Aufführung im Festspielhaus von Erl begeisterte Publikum zollte dem Sängerensemble immer wieder Szenenbeifall und feierte am Schluss der Vorstellung alle Mitwirkenden, also auch den Chor und das Orchester mit seinem Dirigenten, mit lang anhaltendem Applaus. Es war eine wahrlich umjubelte österreichische Erstaufführung einer Oper, die jedem Besucher lange Zeit in Erinnerung bleiben wird.
Udo Pacolt
PS: Dass Saverio Mercadantes Opern auch heute wieder aufgeführt werden, ist beweisbar. Der Rezensent hat vor Erl fünf Opern von Mercadante gesehen: „I briganti“ (Bad Wildbad 2012), „Didone abbandonato“ (Innsbruck 2018), „“I due Figaro“ (Salzburg 2011), „Il giur amento“ (Gießen 2006) und „La vestale“ (Wexford 2004).