ERICH WOLFGANG KORNGOLD: Symphonische Serenade Op. 39, Sextett Op. 10 – NFM Leopoldinum Orchestra; Hartmut Rohde, cpo CD
Die vorliegende CD eint zwei der besten Kompositionen Korngolds aus zwei völlig verschiedenen Schaffensphasen. Geht das Sextett auf den Sommer 1914 in Alt-Aussee zurück, wo der siebzehnjährige zeitgleich an seiner Oper Violanta arbeitet, so hat Korngold die Symphonische Serenade in B-Dur Op. 39 1947 in Hollywood geschrieben. Die Lebensumstände waren dramatisch: Nach einem schweren Herzinfarkt im Krankenhaus als Rekonvaleszenter hat er diese wunderschöne Streichersymphonie für die Wiener Philharmoniker konzipiert. Sie wurde am 15.1.1950 unter der Leitung Wilhelm Furtwänglers in Wien uraufgeführt. An verwandte Beispiele Dvořáks, Tchaikovskys und Elgars gelehnt, gelingt es Korngold dennoch, einen eigenständigen Weg einzuschlagen und der Spätromantik in höchstkomplexen Spieltechniken noch ein letztes leuchtendes Abenddenkmal ähnlich wie Richard Strauss mit seinen Vier letzten Liedern zu setzen.
Das Lento religioso als einer der schönsten Eingebungen Korngolds überhaupt erinnert an die Klangsprache Gustav Mahler. Es klingt wie ein ferner Gruß an bessere Zeiten, als Spiegel einer längst versunkenen sehnsüchtig geliebten Kultur. Hartmut Rohde ist mit diesem Album ein beachtlicher Coup gelungen. Im Katalog ist das symphonische Spätwerk Korngolds abseits einzelner Versuche etwa von John Mauceri, Matthias Bamert oder Werner Andreas Albert leider schlecht vertreten, umso verdienstvoller ist die nun vom Nationalen Forum der Musik Leopoldinum Orchester aus Wroclaw vorgelegte Einspielung. Die Streicher des Orchesters kommen mit all den technischen Vertracktheiten, wie vielfach geteilte Gruppen, zahlreiche Doppel- und Dreifachgriffe, Pizzicati, sul ponticello (=am Steg) Spiel und ihren permanenten Einsatz als individuelle Virtuosen bestens zurecht. Glänzend und intensiv gerät auch das Sextett Op. 10 in einem kongenialen Arrangement für Streichorchester durch den Dirigenten. Der Krieg, Rêverien und verzweifeltes Stemmen gegen das Schicksal haben hier ihre melodienseligen Spuren hinterlassen. Adagio und das Intermezzo zeugen vom frühreifen Genie des jungen Komponisten.
Insgesamt ist die Balance aus schwelgerischer Opulenz, wienerischem Charme, Durchhörbarkeit der kompositorischen Strukturen und eine wie mit indirektem Licht melancholisch und endzeitlich gefärbte Grundatmosphäre der zu rehabiliterenden fantastischen Symphonischen Serenade bestens geglückt. Die zur Zeit der Uraufführung bemängelten Anachronismen lösen sich in unserer Zeit des musikalischen Eklektizismus und umfassenden Recyclings des historischen Notenmaterials sowieso in Nichts auf.
Fazit: Ein Muss für alle, die spätromantische Musik schätzen und ein feines Ohr haben!
Dr. Ingobert Waltenberger