Foto: Lutz Edelhoff/ Theater Erfurt
Theater Erfurt/ „Aida“ Oper von Giuseppe Verdi/ Premiere am 27.04.2019
Ägyptomania in Erfurt
Die Erfurter Aida-Inszenierung lehnt sich eng an die ursprüngliche Konzeption der Opernentstehungszeit an. Darum wurden große Holzwände mit über 8000 ausgefrästen ägyptischen Hieroglyphen gefertigt, die viel über die Pharaonen und ihre Zeit erzählen. Der Zuschauer erkennt das Henkelkreuz, Isis und Osiris, Skorpione und Skarabäen, Sklaven und Herrscher. Alle Kulissen wurden mit 280 Kilogramm Goldfarbe gestrichen und geben bei unterschiedlichem Licht sehr unterschiedliche Wirkungen wider. Das schafft eine geheimnisvolle Atmosphäre, die den Zuschauer in eine mythische Welt hineinzieht. Es ist auch Sinnbild für einen goldenen Käfig, in dem die Akteure gefangen sind, vor allem die Liebenden, aber auch die von der Liebe Abgewiesene. Symbolisiert wird auch der Kampf zwischen individuellem Glück und den Vorgaben einer erstarrten Gesellschaft: Radames und Aida, die Liebenden, gegen Oberpriester und Vater. Am Ende wird die vergoldete, aber verschlossene Gruft stehen, in der das Liebespaar nur noch sterben kann. Das wird in Erfurt allerdings musikalisch sehr gut umgesetzt.
Generalintendant Guy Montavon hat die In-Szene-Setzung der Oper vollkommen in die Hände eines südamerikanischen Teams gelegt: des brasilianischen Regisseurs André Heller-Lopes und der argentinischen Kostümbildnerin Sofia Di Nunzio sowie des brasilianischen Bühnenbildners Renato Theobaldo, der die Idee mit den goldenen Kulissenwänden hatte.
Der brasilianische Regisseur André Heller-Lopes hat seit 1996 in Rio de Janeiro eine Professur für Bühnen- und Operngeschichte. Für die Erfurter Aida-Inszenierung hat er vor allem wirkungsvolle Bilder erdacht. Die Szenen sind optisch gut durchkomponiert und bieten den einzelnen Sängern die Möglichkeit sich sängerisch und schauspielerisch intensiv in Szene zu setzen. Die schnellen Bildwechsel ermöglichen dem Regisseur verschiedene Räume zu bespielen. Die Chor- und Massenszenen sind sehr symmetrisch angelegt, die Einzelszenen dagegen durchbrechen das Gleichmaß und setzen die Sänger mit ihrer ganzen Leidenschaft in Szene. Dadurch erzielt André Heller-Lopes viel Spannung auf der Bühne. Allerdings gibt es für die Massenszenen wenig Platz, denn die Kulissen engen den Spielraum auch ein. So entsteht bei den Massenszenen wenig Bewegung.
Insgesamt hat Bühnenbildner Renato Theobaldo mit den verschiebbaren Zwischenwänden die Möglichkeit für schnelle Bildwechsel geschaffen, um die Räume zu verändern. Vom Herrscher-Saal bis zur Gruft sind, in Verbindung mit dem Bühnenlicht von Torsten Bante, viele Atmosphären möglich. Die Kostüme von Sofia Di Nunzio lehnen sich an historische Vorbilder an und widerspiegeln auch die orientalische Exotik, die für das 19. Jahrhundert so attraktiv war.
GMD Myron Michailidis dirigiert einfühlsam, aber auch temperamentvoll das Philharmonische Orchester Erfurt. Schon die Ouvertüre gelingt ihm gut. Die fragile und transparente Geigenmelodie stellt das Bild einer weiblichen und liebenden Aida dar, der steht die unbarmherzig bedrohliche Melodie der Priester gegenüber. Dabei wächst die Spannung im gesamten Orchester, aber am Ende siegt das sanfte Thema der Liebe. Die Ouvertüre ist damit der Prolog zu einem persönlichen Drama voller scharfer Kollisionen, das sich vor einem breiten, farbenfrohen Hintergrund aus monumentalen Massenszenen, prächtigen Prozessionen und Hymnen in der Aida-Oper entfaltet. Die gnadenlosen Kräfte stehen der geistigen Schönheit und der Ausdauer von Aida und Radames gegenüber. Doch ihre Liebe hält alle Prüfungen aus und zieht sich nicht zurück, bevor sie stirbt. Dieses musikalische Leitmotiv wird von Michailidis immer wieder präsent gemacht. Insgesamt führte GMD Myron Michailidis das Philharmonische Orchester Erfurt mit klaren Linien und souverän durch den Premieren-Abend.
Leistungsstark erweist sich auch der Chor des Theaters Erfurt und der Philharmonische Chor Erfurt unter der bewährten Leitung von Andreas Ketelhut.
Foto: Lutz Edelhoff/ Theater Erfurt
Im Zentrum des ersten Bildes des ersten Aktes steht eine große Massenszene mit der Wahl von Radames als Feldherrn. Danach folgt die breite, aufrichtig gewärmte Melodie des Radames: „Holde Aida, himmelentstammend, Von Duft und Strahlen zaubrisch verklärt; Du bist die Königin meiner Gedanken,…“ Das ist der Moment, wo Mikhail Agafonov in der Rolle des Radames mit seiner Tenorstimme das Erfurter Publikum stark beeindruckt. Dabei wird er vom Orchester sensibel mit dem zarten Klang der Holzblasinstrumente begleitet. Mikhail Agafonov singt und spielt den Radames so brillant, das er zu einem Stern des Premieren-Abends wird. Seine Tenorstimme erreicht mühelos alle Höhen und das auch noch mit großem Volumen und einer Stimmstärke, wie man sie in Erfurt nicht immer hört. Ihm steht die amerikanische Sopranistin Michelle Bradley als Aida gegenüber, die mit ihrem Sopran ihre Gesangspartie ebenso gut meistert. Als ein weiterer Stern des Abends bekommt sie viel Szeneapplaus. In ihrer Rolle wirkt sie allerdings weniger als eine demütige Sklavin und aufopfernd Liebende, sondern mehr als eine divenhafte Gewinnerin. Dafür spielt Eliška Weissová als Amneris im Gegensatz dazu eher die an der Liebe Leidende. Dabei ist sie weniger eine starke und machthabende Prinzessin als eine die Liebe herbei sehnende Frau. Ihre Mezzo-Stimme erklingt mit schönem Timbre, kommt aber nicht immer gegen das Orchester an.
Caleb Yoo spielt und singt die Rolle des Königs mit innerer Stärke, die durch einfache und expressive Gesten und Bewegungen seines Spiels unterstrichen wird.
Ramphis, gesungen von Kakhaber Shavidze, erzeugt das Bild eines Bösewichtes als Oberpriester. Das gelingt ihm mit seiner Bass-Stimme, die kraftvoll und zugleich klangschön ist.
Siyabulela Ntlale als Amonasro spielt den äthiopischen König und Vater von Aida und erscheint auf der Bühne als Gewinner, obwohl er eigentlich zunächst als Gefangener und Sklave vorgeführt wird und Aida seinen wahren Status nicht verraten darf. Stimmlich zeigt er sich dabei exzellent.
Auch die kleineren Rollen sind mit Mark Mönchgesang als Boten und Jolana Slavíková als Tempelsängerin gut besetzt. Beide zeigen sich qualitativ dem Sängerensemble gewachsen.
Kaum war der letzte Ton aus der Kerkergruft verklungen, da brandete den Sängern der tosende Applaus des Erfurter Publikums entgegen. Während der Premiere hatte es schon zahlreich Szenenapplaus und Bravi-Rufe gegeben, doch das steigerte sich noch einmal gewaltig zum Schluss. Was für eine gelungene Inszenierung!
Larissa Gawritschenko und Thomas Janda