Theater Erfurt/ 8. Sinfoniekonzert am 05.04.2019
Virtuoser Frühlingsbeginn
Eigentlich sollte der in Erfurt schon bekannte Dirigent XU Zhong aus Shanhai das Orchester führen und er hatte auch schon lange dafür geprobt, aber eine Erkrankung machte ihm den Auftritt unmöglich. Dafür vertrat GMD Myron Michailidis den Erkrankten. XU Zhong hatte in der Spielzeit 2017/18 den „Fliegenden Holländer“ in Erfurt dirigiert. Als Solistin für das 8. Sinfoniekonzert war Diana Tishchenko, Violine, angekündigt. Sie ist eine bereits erfolgreiche Geigerin und hat zahlreiche internationale Wettbewerbe gewonnen: 2018 den 1st Grand Prix Jacques Thibaud beim Long Thibaud Crespin Wettbewerb in Paris und selben Jahr den 3. Preis beim Shanghai Isaac Stern International Violin Competition, um nur einige Erfolge zu nennen. Erfolgreich sollte auch ihr Auftritt in Erfurt werden. Doch zuvor gab es noch ein kurzes Stück von Berlioz.
Hector Berlioz Ungarischer Marsch aus La Damnation de Faust
Eine dramatische Legende, so hatte Berlioz selbst seine „Damnation de Faust“ genannt. Während Faust in Goethes Drama am Ende noch in letzter Sekunde die Rettung erlebte, wurde er bei Hector Berlioz verdammt. Überhaupt nahm sich Berlioz zahlreiche Freiheiten bei seiner dramatischen Legende. Bei ihm begann die Handlung in Ungarn. Denn Berlioz wollte den berühmten Ungarischen Rakoczy-Marsch im Ablauf des Werkes unterbringen.
GMD Myron Michailidis leitete das Philharmonische Orchester und die Musiker der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach schwungvoll und brachte die dramatischen Elemente des Stückes gut zu Gehör. Dieser Ungarischen Marsch wurde schon zur explosiven Eröffnung eines Konzertabends, der noch mit vielen Überraschungen aufwarten sollte.
Peter Tschaikowsky Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35
Diana Tishchenko. Foto: Website Tishchenko
Solistischer Stern des Abends war Diana Tishchenko mit ihrer Camilli-Violine. Schon die ersten Töne berührten das Publikum zutiefst. Die lyrisch-gefühlvolle Melodik konnte sie mit brillanter Virtuosität zum Klingen bringen. Geradezu elementar strömten die Töne der Soloparts aus ihrer Geige und verbanden sich organisch mit dem Orchester. Das elegante Hauptthema des ersten Satzes wurde von Diana Tishchenko besonders nuancenreich herausgearbeitet, dabei beherrschte sie vor allem die Dynamik glänzend.
Schwärmerisch entwickelte Tishchenko das zweite Thema, dessen Fortsetzung zu einer Wiederholung des polonaiseartigen Hauptgedankens führte und das ganze Orchester folgte der Solistin. Der kurzfristig eingesprungene Dirigent Myron Michailidis zeigte sich auch gut in der Lage, das Orchester als ebenbürtigen Partner zur Solistin zu führen.
Dramaturgisch wirkte die Musik zunächst unbestimmt, bis die Violine eine Variante des ersten Themas anstimmte, die sich wiederum klangstark ausdehnte. Auch hier setzte Diana Tishchenko ganz eigene Akzente und zeigte sich mit der Kadenz, das Geigen-Solo, atemberaubend und brillant.
Über den Schlussteil schrieb Tschaikowsky an Nadeshda von Meck: „Natürlich ist darin, wie in jeder Komposition, die virtuos sein soll, vieles, was kalt wirkt und kalkuliert ist, aber die Themen sind nicht forciert, und ganz im Allgemeinen gesprochen kam mir der Plan für den Satz ganz plötzlich in den Sinn, er entfaltete sich dann von selbst weiter, ganz spontan.“ Mit dieser Canzonetta ist Tschaikowsky eine geradezu magische Musik gelungen und die Solistin besaß die Fähigkeit diesen Klang mit jedem Ton präzis umzusetzen. Die Geigerin Diana Tishchenko ließ Tschaikowskys Musik vollkommen lebendig werden. Mit ihrem Spiel erschuf sie russische Atmosphäre zu einer Gegenwärtigkeit, dass das Erfurter Publikum gebannt hörte. „Die Canzonetta ist geradezu herrlich“, lobte Tschaikowsky sich einmal selbst. „Wie viel Poesie und welche Sehnsucht liegt in diesen sons voilés, den geheimnisvollen Tönen.“ Die Erfurter Hörer waren gefangen von der intimen und zärtlichen Atmosphäre, die Diana Tishchenko verströmte. Vor allem ihr Zwiegespräch zwischen Violine, Flöte und Klarinette machten diesen Satz zum absoluten Höhepunkt des Konzertabends.
Auch das Finale bestritt Diana Tishchenko glänzend. Sie meistert mühelos die schwierigen Läufe und die Doppelgriffe mit ihrem rasendem Tempo und Flageolett-Tönen. Aber auch die sehnsüchtig klagenden Töne konnte sie in vielschichtigem Kontrast spielen. Kein Wunder, dass das Erfurter Publikum begeistert applaudierte und stehende Ovationen darbrachte, bis die Solistin Diana Tishchenko zwei Zugaben spendierte: die Solosonate für Violine (Melodia) von Béla Bartók und die Chaconne von J.S.Bach. Selbstverständlich präsentierte sie sich auch hier noch einmal höchst virtuos und zog das Publikum in ihren Bann. Natürlich war der Beifall fast endlos für so viel Meisterschaft.
Robert Schumann Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 (Frühlingssinfonie)
Zwei Seiten waren es aus dem sogenannten „Ehetagebuch“ von Robert und Clara Schumann, die den Sprachrhythmus der letzten Zeile vorgaben: „Im Tale geht der Frühling auf“ in Anlehnung an ein Gedicht von Böttger. Schumann verarbeitete es mit einer Eingangs-Fanfare. Ansonsten war und ist die Frühlingssinfonie natürlich keine Programmmusik. Vielmehr wollte Schumann das innere menschliche Empfinden des Neubeginns mit den Naturvorgängen verbinden.
GMD Myron Michailidis legte mit seinem Dirigat auch den Schwerpunkt. Er ließ die verschiedenen Stimmungen während der gesamten Symphonie aufleuchten. Mit einfühlsamer Hand dirigierte er sein Orchester durch die liedhafte Kantilene der Geigen und Holzbläser, um dann im langsamen Satz mit seiner fein gesponnenen Melodik die flirrenden Bewegungen aufscheinen zu lassen. Besonders schön wirkten auch die romantischen Hörner-Rufe und die trillernden Flöten, die zu einem kurzen Vogelgesang anhoben, bevor das „Frühlings-Signal“ die Symphonie jubelnd beschloss. Michailidis ist es gelungen die vielen Details hörbar zu machen, die in Schumanns Frühlingssinfonie-Partitur darauf warteten, geweckt und gespielt zu werden. Tempi und Dynamiken wurden dabei exzellent vorgetragen und verzauberten das Erfurter Publikum.
Eine wunderbare Programmauswahl wurde an diesem Konzertabend brillant, virtuos und zauberhaft gespielt. Dafür gab es zu Recht viel Beifall.
Larissa Gawritschenko und Thomas Janda