Die Erfurter DomStufen-Festspiele im 25. Jubiläumsjahr
Die DomStufen-Festspiele in Erfurt sind aus dem Kalender vieler Opernliebhaber nicht mehr wegzudenken. Dieses Theater-Open-Air spielt inzwischen auch überregional eine wichtige Rolle, und so werden auch im 25. Jubiläumsjahr viele Opernfreunde wieder anreisen, um magische Momente in einer spannenden Inszenierung zu erleben.
Seit 1994 bringt das Theater Erfurt in jedem Jahr ein neues Stück auf den Domplatz und damit vor die atemberaubende Kulisse der beiden Kirchen St. Severi und Mariendom.
Guy Montavon. Foto: privat
Bevor sich die 70 Stufen des Dombergs in eine spektakuläre Festspielbühne verwandeln, blickt Generalintendant Guy Montavon auf eine Erfolgsgeschichte zurück, die mit seinem Vorgänger-Intendanten Dietrich Taube begonnen hat.
Zum 25. Jubiläum 2018 steht Georges Bizets Oper „Carmen“ auf dem Spielplan. Liebe, Eifersucht, Stierkampf und Mord. Das besondere Regiekonzept Guy Montavons soll die Besucher nach Erfurt zu den DomStufen-Festspielen locken. Was getan wird, damit für die Besucher unvergessliche Opern-Momente entstehen, das haben Larissa Gawritschenko und Thomas Janda in einem Interview erfahren.
Herr Montavon, 2018 kommen die 25. Festspiele auf die Stufen. Wie fühlen Sie sich angesichts dieses Jubiläums?
Also, als ich 25 Jahre alt war, habe ich mich sehr gut gefühlt, aber Spaß beiseite: Die Entstehung der DomStufen-Festspiele verdanken wir meinem Vorgänger-Intendanten Dietrich Taube. Ich denke, es war ihm damals noch gar nicht richtig klar, wie nachhaltig sich seine Entscheidung ausgewirkt hat. Ich bin froh über die Entwicklung und ein großes Theaterpublikum ist es sicher auch.
Was war denn das erste Stück, für das Sie als Generalintendant zuständig waren?
Das war „Der fliegende Holländer“ in der Inszenierung von Werner Herzog und ich erinnere mich, dass es bis kurz vor Beginn geregnet hat und ich war sehr nervös. Es war das 1. Stück nach meinem Amtsantritt in Erfurt und ich hatte noch nicht die Möglichkeit, zu zeigen, welche Schwerpunkte ich als Intendant setzen will. Glücklicherweise hörte es rechtzeitig auf zu regnen und es wurde eine großartige Premiere.
Woran erinnern Sie sich besonders gern?
Als Zuschauer kann ich mich genau erinnern an eine Nacht, in der der Mond aufging, links vom Turm. Das war bei Händels „Messias“ und es entstand eine ganz magische Atmosphäre, die mich nachhaltig beeindruckt hat. Ich saß auf der Tribüne und es hat alles gestimmt, die Düfte, der Mond, der Dom, und ringsum war es still. Diesen magischen Moment werde ich nie vergessen. Als Regisseur hat mich bei meiner Inszenierung von „Cavalleria rusticana“ das Zwischenspiel sehr beeindruckt, als die Mezzosopranistin auf den Stufen lag, umgeben von einem Meer aus Kerzen. Die Treppe schwebte zur Musik von Mascagni. Ein unvergesslicher Moment, sicher auch für viele Zuschauer.
Cavalleria rusticana (2002). Copyright: Lutz Edelhoff
Was war, im Rückblick, ein schwieriger Moment?
Schwierig sind die Premieren. Ich werde immer gefragt, wie das Wetter wird, aber ich bin ja kein Wetterfrosch. Und es wird unangenehm, wenn ich entscheiden muss, ob eine Premiere unterbrochen oder bei sehr heftigem Wetter sogar abgebrochen werden muss. Ich trage aber die Verantwortung und bin auch verpflichtet, Zuschauer und Ensemble vor Schaden zu bewahren. Ich verstehe natürlich, dass Zuschauer sich dann ärgern, aber wir suchen immer nach guten Lösungen. So bieten wir dann beispielsweise für das kommende Jahr den kostenlosen Besuch der Generalprobe an. Nicht leicht sind auch die Proben, wenn die Sonne sehr stark scheint, denn das ist auch körperlich anstrengend für alle Akteure. Aber wenn die Aufführung dann steht – das Resultat entschuldigt alles.
Eine Freiluftaufführung braucht eine gute akustische Übertragung. Ich weiß, dass in der DDR-Zeit alle Versuche aufgegeben wurden, weil die Übertragung nicht gut war. Was haben Sie unternommen, um die akustische Qualität zu steigern?
Wir optimieren unsere Übertragungsqualität ständig und arbeiten seit einiger Zeit mit einer Firma und einem Ton-Ingenieur zusammen. Die Technik entwickelt sich rasant, aber Freiluft-Aufführungen sind immer eine große Herausforderung. Die Zuschauertribüne ist sehr breit und nicht jeder der 2000 Plätze wird akustisch vollkommen erreicht. Also arbeiten wir immer daran, etwas zu verbessern. Wenn die Straßenbahn vorbeifährt oder ein Auto hupt, können wir aber auch nichts machen. Das ist der Sound der Stadt. Eine Perfektion der Übertragung ist erstrebenswert, aber nicht immer hundertprozentig machbar.
Der Freischütz (2015). Copyright: Lutz Edelhoff
Sie inszenieren in diesem Jubiläumsjahr selbst, aber Sie haben in den vergangenen Jahren auch immer interessante Regisseure und auch Bühnenbildner engagiert. Wen suchen Sie für die Domstufen-Festspiele?
Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich noch etwas erklären. Bei der Aufführung der „Zauberflöte“ habe ich eine Pause eingeführt. Vorher wurde durchgespielt, d. h. die Stücke dauerten anderthalb Stunden und dann war Schluss. Die Pause habe ich durchgesetzt. Zum einen, um dem gesellschaftlichen Ereignis mehr Raum zu geben, und zweitens, um das Repertoire zu erweitern. Das bedeutet, wir konnten seitdem auch längere Stücke spielen wie jetzt „Carmen“ oder „Der Freischütz“ oder „Die Lombarden“. Die Zahl der kurzen Stücke ist sehr begrenzt. Nach diesen Gegebenheiten suche ich ein Regie-Team aus. Bei den Proben auf den Domstufen ist wenig Zeit für die Probenarbeit. Da brauche ich Profis, die genau wissen, was sie tun und Ihr Handwerk verstehen. Sie müssen wissen, wie sie eine Massenszene mit einem Chor gestalten und sie müssen das in ganz kurzer Zeit schaffen. Außerdem suche ich natürlich Regisseure, die etwas zu sagen haben, einen Standpunkt haben und eine Interpretation umsetzen wollen. Das kann nicht jeder.
Und die Bühnenbildner und Ausstatter, wie wählen Sie die aus?
Es gibt verschiedene Herangehensweisen, wie die von Hank Irwin Kittel, der im vergangenen Jahr beim „Troubadour“ die Architektur des Domes nachahmte. Oder als er wie bei den „Lombarden“, wo er die Bühne konträr zur Architektur des Domes gestaltet hat. Wir müssen mit dem Ambiente arbeiten. Das machen wir in diesem Jahr bei „Carmen“ auch. Wir arbeiten mit Gegensätzen, damit die Attraktivität der Lokation nicht verloren geht. Auch bühnentechnisch gibt es Grenzen. Wir können nur begrenzt etwas hereinfahren. Auch die Ortswechsel sind beschränkt. Übliche Bilderwechsel, wie in einem Theaterhaus, sind nicht so einfach möglich. Man muss also eine Idee haben, die einen „Eye-Catcher“ erzielt, damit die Fabel verstanden wird. So hatten wir bei „Tosca“ den zerbrochenen Engel oder bei Herzogs „Holländer“ das imposante Schiff – übrigens eine Meisterleistung unserer Bühnentechnik.
Die DomStufen-Festspiele haben inzwischen auch überregional große Anziehungskraft. Woher kommen die Besucher?
Die meisten Zuschauer kommen aus der Umgebung, aus Hessen und Bayern, aber auch aus Berlin oder dem Saarland. Darüber hinaus kommen Italiener, Niederländer. Auch aus Übersee haben wir Besucher, Amerikaner waren auch schon mehrmals hier.
Wir haben ja schon viele gute und sehr gute Stimmen gehört. Sie präsentieren auch immer wieder neue Gäste. Wie suchen Sie die Sängerinnen und Sänger aus?
Das unterscheidet sich nicht von meiner Tätigkeit als Intendant. Ich suche immer neue Stimmen. Bei den DomStufen-Festspielen besetze ich die Rollen mehrfach. damit nicht ein Sänger allein 21 Aufführungen singen muss.
Gerade war ich in Istanbul und habe wieder viele neue Stimmen gehört. Ich besuche also Wettbewerbe, gehe aber auch an Hochschulen. Das Theater Erfurt hat sich einen Ruf erworben, neue Talente zu fördern wie z. B. Marina Rebeka oder Todd Thomas, der jetzt gerade vier Anfragen für den „Holländer“ bekommen hat. In Südafrika beispielsweise war ich sehr überrascht wie viele gute Sänger es da gibt. Das gilt auch für Kroatien.
In diesem Jahr steht „Carmen“ auf dem Programm der DomStufen-Festspiele und Sie werden diese Oper selbst inszenieren. Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihr Regiekonzept aus?
Ich orientiere mich an der Novelle von Prosper Merimee, an seiner Erzählweise. Das Thema Spanien ist dort nicht so präsent wie in der Oper von Bizet. Da will ich einen Akzent setzen, vor allem mit der Erzählung über Don José. Ich finde es faszinierend, was die Librettisten von Bizet aus dieser Novelle gemacht haben. Ich sehe die Gefahr, dass man immer dieselben Sehweisen bedient und das will ich nicht. Es ist nirgendwo geschrieben, dass Carmen schön ist oder eine Rose trägt. Ich erzähle die Story geradeaus wie in der Novelle. Bizet fügt da Flamenco-Tänze ein und das ist nicht so meine Sichtweise. Das wird viele Zuschauer überraschen, aber wir können eine neue spektakuläre „Carmen“ machen und das will ich. Ich hoffe, dass das Publikum sich darauf einlässt.
Welche Schwierigkeiten gibt es für das Orchester?
Es ist immer die gleiche Geschichte mit Nachhallzeit, aber inzwischen haben wir das gut im Griff. Die Sänger blicken auf einen Monitor und sehen den Dirigenten und müssen die Zusammenarbeit üben. Wer eine Freiluftaufführung besucht, der bekommt keinen Schallplattenklang. Auch in Bregenz und anderswo gibt es diese Schwierigkeiten. Ich kenne eine Aufnahme aus den 50er Jahren mit Maria Callas in Orange als Isolde, da hören sie nur den Wind. Nur in Bayreuth ist alles perfekt, weil dort alles so konstruiert wurde, wie der Komponist es wollte. Ideal wäre es natürlich, wenn das Orchester im Theater spielt und die Übertragung erfolgt wie in Bregenz von dort auf die Seebühne, aber wir erreichen auch in Erfurt eine sehr hohe Qualität.
Wer sind die Sponsoren?
Unsere Sponsoren sind: als Generalsponsor die Finanzgruppe Hessen-Thüringen, als Hauptsponsor die Firma Goldbeck und als Sponsor die Radeberger-Brauerei. Außerdem gibt es die Mediensponsoren: die Mediengruppe Thüringen, vertreten durch TA und TLZ, sowie den MDR Thüringen. Daneben gibt es auch viele Privatsponsoren, denen wir sehr dankbar sind.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der DomStufen-Festspiele?
Es wäre schön, wenn diese Festspiele eine noch größere Rolle im Leben der Erfurter spielen und sich die Menschen hier mehr damit identifizieren würden. Vielleicht ähnlich wie in Bayreuth. Dort hängen die Spielpläne auch beim Bäcker oder dem Friseur aus. Das würde ich gut finden. Kürzlich war ich in Shanghai im deutschen Konsulat. Da lag ein Prospekt über Thüringen, unter anderem mit einem Bild von den DomStufen-Festspielen. Das ist eine gute Botschaft und für den weiteren Erfolg will unser Theater arbeiten.
Dazu wünschen wir Ihnen gutes Gelingen!
Die Lombarden (2012). Copyright: Lutz Edelhoff