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ERFURT: DIE ZAUBERFLÖTE – Zwischen Alt-Wiener-Charme und neuer Sichtweise

15.10.2017 | Oper

Theater Erfurt/ „Die Zauberflöte“ Oper von Wolfgang Amadeus Mozart/

Aufführung am So., 15.10.2017

Zwischen Alt-Wiener-Charme und neuer Sichtweise

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Copyright: Theater Erfurt/ Lutz Edelhoff

Alles beginnt so märchenhaft und mit nostalgischem Alt-Wiener-Charme. Als Zuschauer fühlt man sich zurückversetzt in eine Atmosphäre des „So könnte es gewesen sein.“ Eine Zeit des Wiener Zauber- und Märchentheaters, wie Schikaneder und viele andere ihre Volksbelustigungstheater in den Wiener Vorstädten betrieben haben. Doch die Illusion wird hier zu Beginn schon halbiert, denn die barocke Bühne steht etwas seitlich und man sieht das Holzgerüst deutlich. Auch dem Vorhang fehlt ein Stück. So entstehen verschiedene Perspektiven auf diese Bühne. Einmal die Sicht des mitspielenden Publikums auf die Illusionsbühne und die Sicht des tatsächlichen Theaterpublikums im Erfurter Saal auf die gesamte Bühne.

Dieser Einstieg macht Laune und lässt auf eine interessante Steigerung hoffen. Doch Regisseurin Sandra Leupold hatte während der Proben versprochen, die Brüche im Stück deutlich zu machen. So fragmentiert sie ihre Inszenierung auch. Der Übergang zum Spiel auf der großen Bühne passiert in dem Moment als das Bühnenpublikum erstaunt feststellt, dass es noch ein Publikum im Saal gibt. Diese Szene wird ziemlich ausgedehnt, weil einzelne Statisten die große Bühne betreten und dann immer wieder neue dazukommen. Das dauert gefühlt eine halbe Ewigkeit und es ist genau das Gegenteil plötzlichen Erstaunens. Damit verpufft die Pointe ins Leere. Regisseurin Leupold will ganz offensichtlich mit ihrer Sichtweise auf das Stück andere Gewichtungen herstellen. Die gewohnten Verteilungen in die helle und geistige Welt Sarastros und die dunkle, sündige Welt der Königin der Nacht, will sie durchbrechen und mit anderen Akzenten versehen. Darum stellt sie Sarastro auf einen Sockel und später einsam auf eine Leiter. Seine Priester sind charakterlose Vollstrecker seiner Ideologie und verrichten ein Ritual, das eine Mischung zwischen katholischer Bekreuzigung und freimaurerischem Gesellen-Ritual darstellt. Sarastro ist hier weniger der gebildete, dafür mehr der eingebildete Erleuchtete. Ihm stellt Leupold die Königin der Nacht als mütterliches Wesen gegenüber, die der schutzsuchenden Pamina zeitweilig Unterschlupf unter ihrem Reifrock gewährt. Allerdings mit dem Hinweis, dass das nur kurz sein kann.

Man erahnt, dass Regisseurin Sandra Leupold sich einiges gedacht hat. Und man kann es auch im Programmheft des Erfurter Theaters in ihrem Artikel „Von der Aufhebung der Gegensätze“ nachlesen.

Doch gelingt es ihr inszenatorisch einen Bogen zu spannen und wirklich eine Spannung zu erzeugen, die sich bis zum Schluss durchzieht? Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich: Die Papageno-Szenen sind sehr amüsant. Die barocke Welt zu Beginn hat ihren Reiz. Die flammende Schlussprüfung ist mit den Flammen-Ebenen sehr effektvoll. Viele kleine Szenen mit Tieren haben etwas Goldiges und amüsieren die vielen Kinder im Publikum. Insgesamt aber verliert die Inszenierung zwischendurch viel an Dynamik. Gerade die Massenszenen auf der Bühne und als Chor und Statisten langsam die Seitentreppen im Saal hinaufklettern, lassen Längen und nicht Spannung entstehen.

Ausstattung und Bühnengestaltung kommen von Jessica Rockstroh. Sie hat viele hübsche Kostümeinfälle und macht aus Papageno eine Art „Sams“ mit Vogelhintern.

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Copyright: Theater Erfurt/ Lutz Edelhoff

Die Sänger sind allesamt gut bis hervorragend. Die Stars der Nachmittagsvorstellung sind Christina Rümann als Königin der Nacht und Máté Sólyom-Nagy als Papageno. Christina Rümann singt die zweite Arie der Königin der Nacht „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ in allen Höhen sicher und mit mühelosem Volumen. Das ist Rache-Hörgenuss in höchster Vollendung, der von den Theaterbesuchern genüsslich eingesogen wird. Máté Sólyom-Nagy als Papageno fasziniert mit seinem witzigen Spiel und seiner forschen Singweise, die sein müheloses Spiel charakterisiert. Bart Driessen als Sarastro intoniert seine Rolle eindrucksvoll und bewegt sich auch im Regierahmen mit bestem Spiel. Ein Sternchen als Pamina ist Margrethe Fredheim, die mit schönem Timbre aufwartet. Prinz Tamino Won Whi Choi wirkt stärker mit seiner spielerischen Leistung als mit seinem Gesang. Als Papagena Nicole Enßle und als Monostatos Alexander Voigt können beide sowohl gesanglich als auch spielerisch die Herzen des Publikums gewinnen. Die Begleiterinnen der Königin der Nacht: Erste Dame Julia Neumann, Zweite Dame Stéphanie Müther und Dritte Dame Katja Bildt überzeugen mit ihrem Spiel und ihrer Gesangsleistung. Auch die kleineren Rollen sind mit: Siyabulela Ntlale, Richard Carlucci, Reinhard Becker, Jan Rouwen Hendriks, Mark Mönchgesang, Dirk Biedritzky, Heiko Mauchel treffend und qualitativ gut besetzt.

Eine wirklich gute Arbeit hat wieder einmal der Opernchor des Erfurter Theaters gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt gemacht. Der Chor klingt ausgezeichnet unter der Leitung von Andreas Ketelhut und verleiht damit der Inszenierung viele musikalische Höhepunkte.

Unter der Leitung von Joana Mallwitz entsteht ein musikalischer Fluss, der auch die Schwachpunkte der Inszenierung überdeckt. Joana Mallwitz dirigiert präzis und feinfühlig, damit entsteht eine sehr dynamische Mozart-Interpretation, mit der sie die Sänger in allen Spielsituationen sehr gut unterstützt.

Insgesamt ist die „Erfurter Zauberflöte“ eine sehenswerte Inszenierung mit Schauwert und Unterhaltung für Kleine und Große gleichermaßen. Und gemeinsam kann man ja in der Pause ein „Achterl“ Brause schlürfen. Damit wäre die Familientauglichkeit vollkommen gegeben. So wie damals in Wien zurzeit von Schikaneders Volkstheater.

Larissa Gawritschenko und Thomas Janda

 

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