Theater Erfurt/ Das Land des Lächelns von Franz Lehár. Vorstellung am 23.10.2015
Die Welten des schönen Scheins
Copyright: Theater Erfurt
Viel Augenschmaus bei Bühnenbild und Kostümen bietet die Inszenierung von Generalintendant Guy Montavon der Operette Das Land des Lächelns im Theater Erfurt. Dabei verbindet er Wiener Charme und Chinaflair. Das gelingt ihm besonders gut durch eine Kooperation mit der Hong Kong Opera und durch die Ausstatterin Hsiu Chin Tsai.
Begonnen wird mit einem schönen Walzer im Wiener Grand Salon. Überhaupt wird man hineingezogen in die Welt des schönen Scheins mit der hinterhältigen Arroganz der Wiener Adelsgesellschaft. In diese Bussi-Bussi-Gesellschaft stolpert der garantiert unvorbereitete Won Whi Choi als Prinz Sou-Chong und Luise, Lory, Thury und Kitzi bewundern ihn. Doch der Schein ist natürlich trügerisch. Die hochadeligen Weibchen haben den steifen, von einer völlig anderen Kultur geprägten Prinzen, zum exotischen Amüsierobjekt gewählt. Auch die k.&k.–Welt ist längst im Umbruch, aber davon will man im galanten Wien nichts wissen. Und so wird der chinesische Prinz als quasi Luxuswilder betrachtet. Das dramaturgische Gegenstück dazu bildet dann Gregor Loebel als Onkel Tschang, der dem konfuzianischen Herrschergesetz mit Punkt und Komma Genüge tun will. Aus diesen Behavior-Codes können die Liebenden nicht entkommen. Für Jomante Šležaite als Lisa und Won Whi Choi als Prinz Sou-Chong kann es keine harmonische Zweisamkeit geben, denn er soll ja auch noch vier Mandschu-Prinzessinnen heiraten. Hart und unerbittlich verkörpert Gregor Loebel den Onkel Tschang, der das Unabänderliche verkündet. Prinz Sou-Chong ist selbst dieser Welt so sehr verpflichtet, dass er seine Lisa als „Ding“ bezeichnet. Natürlich empfindet Sou-Chong noch immer Gefühle für Lisa und so singt er zum Schluss „Dein war mein ganzes Herz…“ Eine späte und melancholische Erkenntnis stellt sich bei ihm ein.
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Übrigens hatte Richard Tauber die Idee zu diesem Lied und er konnte Franz Lehár davon überzeugen, eine eigentlich belanglose Schlussmelodie für eine Änderung am ursprünglichen Stoff Die gelbe Jacke zu verwenden. Dass aus diesem Text und dieser kleinen Melodie Kassengold und Ohrenschmelz wurde, wissen wir heute und lieben es noch immer. „Dein ist mein ganzes Herz…“ wird ja auch, dank Tauber, in allen Sprachen der Welt gesungen. Operetten-Glück gibt es am Ende durch Gustl, der seine Jugendgeliebte wieder mitnimmt ins schöne verlogene Wien.
Natürlich saugt das Erfurter Publikum die bekannten Melodien auf. Doch die beiden Hauptdarsteller, zweifellos mit viel Spiellust dabei, zeigen sich nicht in allen Facetten ihren Rollen gewachsen. Phonetisch haben Jomante Šležaite aus Litauen und Won Whi Choi aus Korea ihre Probleme mit der deutschen Sprache. Die Sprach-Dialoge sind kaum zu verstehen und beim Gesang ist es ähnlich, vor allem bei Jomante Šležaite.
Bei Won Whi Choi ist auffällig, dass er sich große Mühe gibt, phonetisch korrekt zu sprechen und zu singen. Beim Singen stellt sich allerdings das Problem ein, dass er darüber das Singen vernachlässigt. Wenn er weniger korrekt artikuliert, singt er besser und entwickelt mit seiner Tenorstimme schöne Melodiebögen. Im Gegensatz zu Jomante Šležaite hat er auch in Höhen weniger Probleme, die trifft er noch mit Klarheit. Jomante Šležaite wirkt in allen Höhenlagen sehr gepresst und unsauber. In ihrem Spiel wirkt sie noch leicht, mit ihrem Gesang findet sie diesen Weg nicht. Das strömend Heitere oder auch das melancholisch Fließende entfaltet sich bei ihr nur schwach. So passt sie rein äußerlich gut zu ihrer Rolle, bleibt aber gesanglich dahinter zurück.
Lin Lin Fan als Mi, Sou-Chongs Schwester, wird dagegen zum Glanzlicht des Abends. Sie zeigt sich als diejenige, die richtig Spaß ins Drama bringt und auch noch Energie findet, ihrer Stimme differenzierten Klang zu verleihen. Szenenapplaus gibt es für einen angedeuteten Striptease, den sie mit so viel Eleganz und Spielfreude auf die Bühne stellt, dass sie über die Resonanz selbst lachen muss. Das ist dann auch eine Szene mit Dynamik und Spielwitz im sonst bewegungsarmen Ablauf der Inszenierung. Zweifellos gibt die Stückvorlage apriori wenig Handlung vor, Guy Montavon fällt allerdings auch wenig ein, die statischen Momente mit Bewegungsdynamik zu versehen. Schwach zeigt sich seine Personenführung. Er setzt auf den Gesamteindruck und vertraut auf die Wirkung und Wucht des Bühnenbildes und der echten chinesischen Kostüme.
KS Jörg Rathmann als Graf Gustav von Pottenstein erweist sich als humoriger Tenorbuffo, auf dessen Wiener-Schmäh-Verkörperung in Erfurt immer Verlass ist. Heiko Mauchel als Graf Ferdinand und Manuel Meyer als General sowie Katharina Walz als Tante spielen ihre Nebenrollen solide und haben eine hohe Sprachverständlichkeit. Sie sind auch gesanglich präsent. Sängerisch und spielerisch ist Gregor Loebel als Tschang eine gute Besetzung. Der gebürtige Ostfriese erweist sich wieder mal mit seinem Bass als Fels in der Brandung. Den hartherzigen, pedantischen Tschang nimmt man ihm voll ab. So entsteht durch die klare Rollenabgrenzung immerhin eine innere Dynamik. Eine Hans-Wurst-Position nimmt der Schauspieler Wolfgang Kaiser als Diener ein, mit seinen chinesischen Manieren-Erklärungen erheitert er das Publikum.
Andreas Ketelhut schöpft das Chorpotential restlos aus und überzeugt mit guter Leistung. Unterstützt werden die Sänger durch das Dirigat von Samuel Bächli, der die Melodiebögen wunderbar führt und das Zusammenwirken von Sängern und Orchester insgesamt rund wirken lässt. Nur bei der Ouvertüre hat er Anlaufschwierigkeiten und bringt das Leitmotiv eher schwach zur Geltung. Insgesamt führt er mit nachvollziehbarer Präzision von Hit zu Hit. Mit großer Leichtigkeit leitet er Orchester, Sänger und Chor durch das Geschehen, immer ist er bedacht die Sänger zu führen und zu unterstützen.
Weil die Ausstattung durch Hank Irwin Kittel und Hsiu Chin Tsai so sehenswert ist, wollte Guy Montavon die Operette auch den musikinteressierten Kindern Erfurts präsentieren. Mit Onkel Tschang zeigt das Theater die Kinderfassung von Franz Lehárs Operettenklassiker Das Land des Lächelns. Der Bassist Gregor Loebel führt als Onkel Tschang durch die Handlung.
Wer sich eine dieser Erfurter Produktionen ansieht, wird optisch und akustisch mit viel Unterhaltung belohnt.
Larissa Gawritschenko und Thomas Janda