Erato/Warner: Neue Solo CD Diana Damrau „Fiamma del Belcanto“
Belcanto-Flämmchen in einer rundum lauen Produktion
Konnte man schon anlässlich der kürzlich erschienenen Gesamtaufnahme der Lucia di Lammermoor den Verdacht hegen, dass das klassiche Belcanto-Fach Diana Damrau nicht unbedingt in die Wiege/Gurgel gelegt wurde, so wird dies nun mit dem neuen Album mit dem reißerischen Titel Fiamma del Belcanto zur Gewissheit. Weder von Stimmfarbe, Stimmführung, der Fähigkeit zu Verzierungen/Fiorituren, dem Tonansatz (in hohen Lagen) oder den Akuti her kann Damrau mit den großen Vorgängerinnen konkurrieren. Wir wissen, dass die Sutherland, die Caballé oder die Gruberova die Latte in lichte Höhen gelegt haben, besonders was höchstes vokales Raffinement, die Charakterisierung rein aus der vokalen Linie heraus, die Träne im Timbre, die nukleare Energie in der Tonprojektion, den glühend fokussierten Stimmstrahl sowie sublimste Pianokunst anlangt. Natürlich gibt es auch andere Sängerinnen, die dieses Fach höchst erfolgreich und stimmlich aufregend interpretiert haben, wie die Zeani, die Deutekom, die Scotto oder die Gencer. Damrau fällt vom Typus her eher in die Linie mit einer Edda Moser oder einer Marlis Peterson. Das heißt, sie verfügt selbstverständlich über große Vorzüge, wie eine dramatische Tiefe, gut sitzende Koloraturen, ein interessantes („deutsches“) Timbre, hohe Ausdruckskraft, gute Wortdeutung, perfektes Gespür für dramatische Zuspitzung und hohe Rollenidentifikation. Lauter Tugenden, die auf einer Bühne eher nachvollziehbar und erfahrbar, als auf Tonträger nachzuhören sind. Und so gelingen Damrau auf der neuen CD unter der den Notentext eher langsam buchstabierenden, als dramatisch deutenden Lesart des Gianandrea Noseda (Orchestra Teatro Regio Torino) am besten die Ausschnitte aus La Boheme und Pagliacci sowie die Verdi Kostproben aus La Traviata, Luisa Miller und I Masnadieri. Die ersten vier Arien sind Donizetti und Bellini gewidmet. Die Flamme will (zumindest bei mir) hier allerdings nicht so recht überspringen. (Rosmonda d‘inghilterra, Maria Stuarda, I Puritani und La Sonnambula). Zu verhangen die Mittellage, zu einförmig die Farben, zu unruhig die Stimme in den Legati und den hoch angesetzten Tönen (man höre nur das Ende des Rezitativs bei Rosmonda „Vieni Edgardo mio, vieni mia vita“ um zu verstehen, was ich meine). Vokal assistiert wird Damrau von Nicole Brandolino, Piotr Beczala und ihrem Ehemann Nicolas Testé. Für Fans von Diana Damrau bietet die neue CD sicherlich viele weitere Facetten in dem reichen Schaffen der Künstlerin. Für bloße Liebhaber von Belcanto ist das wahrscheinlich eher eine enttäuschende Begegnung.
Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass Diana Damrau mit diesem Programm im April und Juni 2015 in Deutschland und in Österreich auf Tournee gehen wird (13.4. Frankfurt, 15.4. Wien, 17.4. München, 10.6. Nürnberg und 14.6. Linz).
Dr. Ingobert Waltenberger