Ab 9. Oktober 2015 in den österreichischen Kinos
ER IST WIEDER DA
Deutschland / 2015
Regie: David Wnendt
Mit: Oliver Masucci, Fabian Busch, Katja Riemann, Christoph Maria Herbst u.a.
Was wäre wenn…? Ein Lieblingsgedankenspiel des Menschen, zahllose Male durchgeführt. Wenn Alexander der Große nicht so früh gestorben wäre, ja, die ganze Welt bis heute sähe zweifellos grundlegend anders aus. Was wäre, wenn – Jesus unter uns wandelte? Der würde sich wenigstens nicht wundern, wie es heute aussieht, der weiß ja alles. Aber Julius Caesar? Intelligent, wie er war, würde er in kürzester Zeit alles mitkriegen und sich ärgern, dass er den Gallischen Krieg unter so schauerlichen Bedingungen führen musste, wo Kriegführen heute doch so leicht ist… Aber einen Kulturschock hätte er schon. So, wie Adolf Hitler sich wundert, als er im Garten der ehemaligen Reichskanzlei in Berlin aufwacht, weil offenbar kein Verlaß aufs Personal ist und man seine Leiche doch nicht verbrannt hat… Aber das Berlin, das Deutschland, das er vorfindet, da muss (inklusive Computer) einiges nachgelernt werden.
Wie würde Hitler heute empfangen? Die Frage hat man sich allerdings tatsächlich oft gestellt, wenngleich die Generation, die noch sagte „Unterm Hitler hätt’s das nicht gegeben!“ mittlerweile ausgestorben ist. Und wie würde sich Hitler heute fühlen und agieren? Der Journalist Timur Vermes stellte in seinem Buch „Er ist wieder da“ die Frage unter dem Deckmantel der Satire. Aber allein die Tatsache, dass ein Buch, das am Titel nichts als Frisur und Bärtchen von Hitler andeutet, in deutscher Sprache über zwei Millionen Male verkauft wurde, muss doch zu denken geben.
Die Filmrechte behält er sich vor, meint Sawatzki, erfolgloser Journalist bei einem Fernsehsender, der ihn gerade gefeuert hat, und schnappt sich die seltsame Figur in Hitler-Uniform, die er da in Berlin aufliest. Die Filmrechte des Bestsellers landeten nun, unter Mitwirkung des Autors am Drehbuch, bei David Wnendt, und der ist ja nicht nur durch die „Feuchtgebiete“ ein Mann für heikle Themen, er hat sich ja nicht nur schlüpfrig im Unterleib, sondern in seinem Film „Die Kriegerin“ schon in der Neonazi-Unterwelt umgetan.
Nun ging es darum, das Thema „Hitler heute“ aufzufächern, es in Form einer Satire zu tun – und trotzdem alles anzusprechen, was dazu zu sagen ist. Und das scheint bemerkenswert gelungen, nicht nur bei den Szenen, die offenbar echt sind, wo der Regisseur seinen Darsteller Oliver Masucci durch die deutsche Öffentlichkeit schickte und mitfilmte (erkennbar nicht zuletzt aus den Gesichtern von Unbeteiligten, die unkenntlich gemacht wurden). Kein Zweifel, und das wird auch gesagt: Die Verhältnisse derzeit sind solcherart, dass mancher bereit wäre, einen Hitler zu wünschen, wenn er das Land von Ausländern und Flüchtlingen „bereinigte“…
Natürlich ist es auch eine Zeitsatire: ein Hitler, der in Berlin herumstapft, kann nach heutigem Verständnis (und auch nach den Regeln der Vernunft) nur ein Comedian mit einer Masche sein, und wenn er stur behauptet, der „Echte“ zu sein, dann ist er halt ein Method Actor. Den man zum Fernsehen schleppt und der dort natürlich reüssiert.
Die Kritik an der Medienwelt wird weniger durch den eher naiven Sawatzki (ein Lamperl: Fabian Busch), als durch die gnadenlose Madame Bellini geübt, die Katja Riemann als blonden, wogenden Leni-Riefenstahl-Typ darstellt, mit einer einzigen Einschränkung an ihren „Hitler“: Juden-Witze sind nicht lustig, aber sonst, was er will… Christoph Maria Herbst als Über-Ehrgeizling und Opportunist liefert eine seiner brillanten Chargen. Motto: Alles, aber auch absolut alles für die Quote.
Um den durch die Fernsehkanäle und durchs reale Deutschland geschleppten Hitler gibt es nicht viel Handlung, aber doch einiges an Nachdenkmaterial. Dabei ist es nur lustig, dass Hitler die deutschen Neonazi-Vereine als wahre Flaschen wegfegen würde, und vor allem, dass sich niemand über seine markigen Sprüche empört – aber die Nation aufjault, als er einen Hund erschießt. Tierliebe steht über Menschenliebe.
Dass der Mann nur dann wirklich Widerspruch erfährt, als er an eine alte Jüdin gerät, die ihm vorwirft, was sonst keiner sagt, nämlich den Mord an Millionen – das ist dann ebenso eine Karte im reich aufgefächerten Spiel dieses Films wie die Sprüche, bei denen mittlerweile auch schon jeder zweite verständnisvoll nickt: „Es war ja nicht alles schlecht.“ Natürlich war nicht alles schlecht, aber gerade darum ist die Beschwichtigung so gefährlich…
Am Ende wird noch, für den Dümmsten unter uns, ausgesprochen, worum es geht: Um den Hitler in uns. Und dass wir ihn offenbar nicht loswerden. Aufpassen also…
Und noch die Nachbemerkung eines Wiener Theaterbesuchers: Oliver Masucci, der – und das ist absolut nicht als Beleidigung gemeint! – im Burgtheater im allgemeinen nicht auffällt, macht seine Sache als Hitler sehr gut, schon weil er Übertreibung meidet (aber dadurch halt doch ein bisschen zu „freundlich“ und ungefährlich wirkt). Aber ganz ehrlich, als Wiener hätte man schon vorgeschlagen, dass Hubsi Kramar seinen immer erfolgreichen Hitler hier auch auf die Leinwand bannen darf!
Renate Wagner