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ENDE ANDERS – ALLES PALETTI? Eine Glosse von Manfred A. Schmid über geänderte Opern-Schlüsse!

09.01.2019 | Themen Kultur

GLOSSE VON MANFRED A. SCHMID: Ende anders – alles paletti?

Als untragbar empfundene Opernschlüsse – und was man dagegen tun kann

Bildergebnis für salomer karikatur

Als ich noch bei der Wiener Zeitung tätig war und neben meiner Hauptverantwortung als Leiter des Medien-Ressorts regelmäßig Musik- und Theaterkritiken verfasste, pflegte mein langjähriger Chefredakteur Heinz Fahnler, der auch als international geschätzter Fußballschiedsrichter und Schiedsrichter-Beobachter im Einsatz war, gerne scherzhaft auf einen gravierenden Unterschied zwischen der Kultur- und Sportberichterstattung hinzuweisen: Ein Opernkritiker, meinte er, weiß im Grunde immer, wie die Sache ausgeht, der Sportreporter bei einem Fußballmatch hingegen – bis zur letzten Sekunde – nicht.

Das mag damals in der Regel noch gegolten haben, heute ist das längst Geschichte. Eben erreicht uns eine Rezension aus Israel. In der Inszenierung der Salome, die gestern in Tel Aviv Premiere hatte, muss Salome zum Erreichen ihres Wunsches nicht mehr vor dem König tanzen, sondern das erledigen Sklaven für sie. Außerdem erteilt am Schluss nicht Herodes den Auftrag „Man töte dieses Weib“, sondern Salome schneidet sich selbst die Kehle durch, während die Sklaven den dahinsiechenden König Herodes niedermetzeln.

Derartige Abänderungen sind freilich längst keine Neuigkeit mehr, sondern gehören fast schon zum Opernalltag. Kaum jemand erregte sich im Jahr 2015, als am Theater an der Wien der Schluss von Monteverdis Oper L´Incoronazione di Poppea radikal verändert worden war: Statt des programmierten Happyends mit einem mehr oder weniger glücklich vereinten Liebespaar zieht Nero die Pistole und richtet sie erst gegen seine Braut Poppea und dann gegen sich selbst. Kein Schuss ist zu hören, aber beide sinken nacheinander zu Boden. Warum? Das wusste damals nur der Regisseur Peter Guth – und wurde nicht weiter diskutiert.

Ganz anders die Reaktionen im Januar 2018, als Carmen in Bizets gleichnamiger Oper in einer Neuproduktion in Florenz am Ende den verstoßenen Liebhaber Jose erschießt, statt selbst von ihm erwürgt zu werden. Dieser Eingriff ging als Sensation um die Welt – auch in Blättern, in denen Kulturberichte gewöhnlich Mangelware sind. Im Original, so begründete der Regisseur Leo Muscato seine Entscheidung, müsse sich die Frau opfern, um ihre Freiheit zu verteidigen. Das wäre heutzutage „ein sinnloser Gesichtspunkt“, weshalb er sich zu diesem Eingriff entschlossen habe.

Zu einem ähnlichen Schluss kam vor mehr als zehn Jahren schon Peter Konwitschny in seiner Inszenierung von Wagners Der fliegende Holländer in München. Dass sich das junge Mädchen Senta am Schluss zur Erlösung des verwunschenen Seefahrers in die See stürzt und so ihre Treue bis in den Tod beweist, wollte er nicht länger hinnehmen. Frauen als ewige Opfer? Das geht nicht. Also entzündet Senta ein Benzinfass und tötet gleich alle.

Wenn aber heutige Gesichtspunkt zur Richtschnur der Regiearbeit werden sollen, dann stehen uns in Hinkunft weitere recht empfindliche Eingriffe in bisher vertraute dramaturgische Abläufe bevor. Beispiele gefällig? – Eugen Onegin: Mit Pistole ausgetragene Duelle sind nicht mehr zeitgemäß und sinnlos. Eugen und Lenski spielen eine Partie Schach. Lenski verliert.

Oder nehmen wir Otello. Da erwürgt ein Feldherr mit Migrationshintergrund aus Eifersucht seine Ehefrau, weil er eine (vermutlich auch aus rassistischen Gründen) gegen ihn geführte Intrige nicht durchschaut und sie fälschlich der Treulosigkeit für schuldig hält. Das darin implizierte Vorurteil, dass er aufgrund seiner Herkunft sein zur Gewalt neigendes Temperament nicht unter Kontrolle habe, hat im Übrigen schon dazu geführt, dass Otellos Gesicht nicht mehr „geschwärzt“ werden darf (und bei den Sternsingern kein „Mohr“ mit braun angemaltem Gesicht toleriert wird, aber das ist eine andere Geschichte).  Eine politisch korrekte Lösung liegt auf der Hand: Emlia, Jagos Gattin, könnte das alles verhindern, indem sie rechtzeitig meldet, dass ihr Jago das fälschlich als Beweisstück vorgelegte Taschentuch Desdemonas entwendet hat. Als couragierte Frau geht sie rechtzeitig in die Offensive und erspart uns so mindestens drei Tote.

Madama Butterfly (Hausaufgabe): Ich überlasse es Ihrem ge-genderten Gerechtigkeitssinn, über den Schluss nachzudenken und ihn entsprechend abzuändern.

  1. Jänner 2019

Manfred A. Schmid

 

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