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REMAGEN/ Deutschland: Frauenpower im Arp Museum Bahnhof Rolandseck von Remagen „Die Kunst ist keine Angelegenheit von Rock oder Hose.“

27.02.2024 | Ausstellungen

Frauenpower im Arp Museum Bahnhof Rolandseck von Remagen

„Die Kunst ist keine Angelegenheit von Rock oder Hose.“

                                                                         Alice Bailly

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger

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Das Museum ragt hoch ueber dem-Rhein in den-Himmel hinein, gesehen vom Gleis des-Bahnhofs Rolandseck. Foto: Andrea Matzker

In Kooperation mit dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid präsentiert das wahrscheinlich außergewöhnlichste Museum Deutschlands in seiner edlen Beletage hoch oben über dem Rhein vom 25. Februar bis zum 16. Juni 2024 die Ausstellung „Maestras. Malerinnen 1500-1900“. Die Schau umfasst 68 Werke von 51 Künstlerinnen vom 12. bis zum 20. Jahrhundert und bildet den Auftakt des Frauenjahres 2024 im Museum Arp. 67 Gemälde und Grafiken sowie eine Skulptur stellen das Kontingent dar. Dabei handelt es sich um 58 Leihgaben aus bedeutenden europäischen Museen und Privatsammlungen, sowie um neun Objekte aus der Sammlung Rau für UNICEF und ein Werk aus der hauseigenen Sammlung.

Es wurde Zeit, dass in Madrid endlich und erstmals eine gewaltige Ausstellung von Werken ausschließlich weiblicher Künstlerinnen gezeigt wurde. Sie dauerte bis zum 4. Februar 2024 und umfasste fast 100 Werke. Aber keine Sorge! Wer es nicht geschafft hat oder es sich zeitlich nicht erlauben konnte, nach Madrid zu reisen, wird im Arp Museum versöhnt! Nicht ganz so umfassend, aber trotzdem bedeutsam ist die sensationelle Exposition in dem in den Berg hineingebauten Arp Museum Bahnhof Rolandseck. Endlich erhalten viele großartige Künstlerinnen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in der Versenkung verschwanden, die ihnen gebührende Wertschätzung. Ihrer Ehrerbietung dient diese Sammelausstellung. Wenn doch bereits Giorgio Vasari zumindest eine von ihnen beschrieb, hervorhob und betonte, dass sie damals schon großen Ruhm genoss, wieso dauerte es dann so lange, dass wir erst in der Jetztzeit diese Künstlerinnen würdigen? Diese mutigen Frauen mussten zumeist kein leichtes Schicksal ertragen, setzten sich aber alle durch. Vielleicht hat auch die MeToo-Bewegung dazu beigetragen, dass ihre Werke und Persönlichkeiten nun endlich unter die Lupe genommen werden. In jedem Fall aber haben sich die Veranstalter der Ausstellung sehr viel dabei gedacht, die 68 Exponate gekonnt in verschiedenen Räumlichkeiten Boudoir-ähnlich und themenbezogen zu kombinieren und zu hängen, zu präsentieren und zu konfrontieren. Sie geben dem Betrachter die Möglichkeit, in dezentem Licht, bei angenehmer, zur Zeit der Entstehung der Werke ausgesprochen passend gewählter Hintergrundfarbe die Werke in Muße zu betrachten und dabei die Persönlichkeiten der jeweiligen Künstlerinnen samt Lebenslauf kennen zu lernen, denn dieser Wunsch entsteht augenblicklich beim Betrachten der Bilder: Der Besucher erfasst sofort die hervorragenden Fähigkeiten und die packende Ausdruckskraft der Werke.

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Museumsdirektorin Dr. Julia Wallner und Ministerpräsidentin malu Dreyer bei der Eroeffnung. Foto: Andrea Matzker

Als die Museumsdirektorin Dr. Julia Wallner die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die erste Regierungschefin an der Spitze ihres Landes, bei der Eröffnung am 25. Februar durch die Ausstellung führte, stellte sie ihr direkt die „Stars“ der Exposition vor, die im ersten Raum unter einem passenden Ausspruch hängen.

„Ich werde Ihnen zeigen, zu was eine Frau fähig ist.“

                                                                  Artemisia Gentileschi

Es handelt sich gleich um zwei große Darstellungen von „Judith und Holofernes“ samt seinem abgeschlagenen Haupt, einmal von Lavinia Fontana und dann von Fede Galizia, und weiterhin um die „Büßende Maria Magdalena“ von Artemisia Gentileschi, die bereits in letzter Zeit weltweit ins Zentrum des künstlerischen Interesses vorgerückt war, unabhängig von ihrem meisterlichen Können nicht zuletzt auch wegen ihrer tragischen Lebensgeschichte.

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Judith von Fede Galizia ca. 1601. Foto: Andrea Matzker. 

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Judith von lavinia Fontana ca. 1590: Foto Andrea Matzker

Vom Vater Orazio unterrichtet, malte Artemisia bereits als Jugendliche auf professionellem Niveau. Davon zeugt auch das 1610 datierte und signierte Bild „Susanna und die Alten“ in Schloss Pommersfelden. Artemisia wurde im März 1611 von Agostino Tassi, einem Schüler ihres Vaters, vergewaltigt. Diese Tatsache stellte ein persönliches Trauma, eine gesellschaftliche Katastrophe und eine Frage von Ehre für die ganze Familie dar. 1612 strengte Vater Orazio deshalb einen Prozess gegen Tassi an, in dessen Verlauf Artemisia äußerst entwürdigenden Untersuchungen unterzogen wurde. Tassi wurde tatsächlich verurteilt. Zwischen fünf Jahren Galeere und Verbannung aus Rom zog er das Letztere vor. Ihre künstlerische Arbeit kann auch unter diesem Aspekt betrachtet und gedeutet werden. Noch im gleichen Jahr heiratete sie den Maler Stiattesi und zog mit ihm nach Florenz. Sie hatten vier gemeinsame Kinder. Fortan nannte sie sich Artemisia Lomi nach dem Namen ihres Onkels Aurelio Lomi. Sie malte mehrere Versionen der „Judith mit Holofernes“. 1621 kehrte sie nach Rom zurück, und ein schillerndes Künstlerleben schloss sich an. 1994 wurde der Venuskrater Gentileschi nach ihr benannt, und 1997 drehte Agnès Merlet einen Historienfilm über sie mit Valentina Cervi in der Hauptrolle. In der Ausstellung schließt sich der Kreis wieder, denn Maddalena Corvina gab zu beider Lebzeiten ihrer „Heiligen Katharina von Alexandria“ die Gesichtszüge der von ihr bewunderten Artemisia.

Das Gemälde „Judith und Holofernes“ von Fede Galizia ziert im Übrigen auch den umfangreichen und äußerst informativen Katalog zur Ausstellung. Lavinia Fontana, ebenso vertreten durch ihr Gemälde „Judith und Holofernes“, werden bis heute 134 erhaltene Werke zugeschrieben. Sie übernahm die Werkstatt ihres Vaters und bildete junge Malerinnen aus. Lavinia war bereits zu ihrer Zeit die Hauptverdienerin in der Familie und hatte den Ehemann mittels Ehevertrag dazu verpflichtet, dass er sich um ihr Management, den Haushalt und um die Kinder kümmern solle. Sie arbeitete unermüdlich und sorgte als Alleinverdienerin für den Unterhalt von ihren ursprünglich elf Kindern. Sie lebte zuletzt in Rom und erhielt bereits zu ihrem 60. Geburtstag eine Gedenkmünze, woran sich ansatzweise ermessen lässt, welchen enormen Ruhm sie bereits zu Lebzeiten genoss.

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Madonna mit Kind von Plautilla Nelli ca. 1560.  Foto: Andrea Matzker                                     

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Sofonisba Anguissola Selbstportrait 1556. Foto: Andrea Matzker

Aber auch die kleineren Formate haben es in sich, so zum Beispiel bezaubernde „Madonna mit Kind“ von Plautilla Nelli, die auch in diesem ersten Raum zu finden ist. Sie ist um 1560 entstanden. Plautilla war Dominikanerin und richtete in ihrem Kloster eine professionelle Malerwerkstatt ein, in der sie auch ihre Mitschwestern ausbildete. Sie schuf mit ihren Schülerinnen das erste bekannte großformatige Leinwandgemälde zum Thema „Abendmahl“ von einer Malerin. Auch signierte sie es, was zur damaligen Zeit das Vorhandensein von großem Selbstbewusstsein bedeutete. Heute befindet es sich im Kloster Santa Maria Novella von Florenz. Als eine der wenigen Künstlerinnen wird sie von Giorgio Vasari mit den Worten erwähnt: „Sie hätte wunderbare Dinge vollbracht, wenn sie den Männern gleich Gelegenheit gehabt hätte, zu studieren, sich dem Zeichnen zu widmen und lebende und natürliche Dinge abzubilden.“

Sofonisba Anguissola galt bereits in ihren Jugendjahren als Wunderkind. Ihre Selbstporträts gehören zu den ersten, die von der Hand einer Malerin bekannt sind. Davon kann man sich im zweiten Raum der Ausstellung überzeugen. Laut Vasari war Michelangelo völlig begeistert von ihrem Können. Sie blieb bis ins hohe Alter ein Wunder. 1624 besuchte Anthonis van Dyck die inzwischen über 90-jährige, erblindete Malerin in Palermo und hielt ihre Züge ein letztes Mal für die Nachwelt fest. Sie ist ein Beispiel dafür, dass man bereits damals „als erfolgreiche und angesehene Malerin und eigenständig leben konnte“ (Zitat von Dr. Susanne Blöcker, Kuratorin der Ausstellung, nachzulesen im Katalog).

Ein ganzer Saal ist den naturalistischen Darstellungen gewidmet, und die Reihe von Gemälden großer Künstlerinnen wird fortgeführt bis ins 20. Jahrhundert, wo sie eine große Lücke schließt. Zum Ausstellungsverlauf laufen verschiedene Führungen, Vorträge und Konzerte.

Jeweils geöffnet Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 11:00 bis 18:00 Uhr. Das dazugehörende Café mit riesiger Terrasse bietet einen herrlichen Ausblick vom Rolandsbogen über die Drachenburg und das Siebengebirge bis in die Rheinebene vor dem Museum. Der Komplex ist jederzeit zu erreichen mit der Mittelrheinbahn, die genau im Bahnhof Rolandseck unter dem Museum hält und stündlich zwischen Mainz und Köln verkehrt. Ein ganzer Tag vergeht sehr schnell bei diesem reichhaltigen Programm, so wie Malu Dreyer sagt: „Ich bin stolz auf dieses Museum in Rheinland-Pfalz! Die Züge und Fähren sind immer voll, weil die Gäste zum Museum Arp pilgern.“

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Damenbildnis von-Rosalba Carriera 18. Jh.-    Foto: Andrea Matzker                                     

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  Portrait der Charlotte Ritt von Elisabeth Vigee Le Brun 1797  Fotos: Andrea Matzker

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Lady-Hamilton-als-Bacchantin-von-Elisabeth-Louise-Vigee-Le-Brun-ca.-1790. Foto: Andrea Matzker       

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Portrait einer Malerin von Unbekannt-o.-D. Fotos: Andrea Matzker

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Buessende Maria Magdalena von Artemisia Gentileschi-ca. 1622.       Foto: Andrea Matzker       

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Portrait der Alice Gamby von Berthe Morisot 1890. Foto: Andea Matzker

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Allegorie der Musik von Elisabetta Sirani 1659  Foto: Andrea Matzker                                        

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  Artemisia Gentileschi als Hl. Katharina von Maddalena Corvina ca. 1650. Fotos: Andea Matzker

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Selbstportrait von Victoria Martin Barhie 1840 . Foto: Andrea Matzker                                      

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Selbsbildnisvon-Anna DorotheaTherbusch-ca.-1780 Foto: Andrea Matzker                 

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Eine de drei Grazien von Marie Brachcequond um 1880-  Foto: Andrea Matzker

 

 

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