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ELISABETH SCHWARZKOPF: The Complete 78 RPM Recordings, Die Schellack-Ära 1946-1952 Warner Classics 5 CDs Historisches großartig remastered, der „Voyager Golden Records“ würdig

23.11.2016 | cd

ELISABETH SCHWARZKOPF: The Complete 78 RPM Recordings, Die Schellack-Ära 1946-1952 Warner Classics 5 CDs

Historisches großartig remastered, der „Voyager Golden Records“ würdig

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 Was ist über die Stimme und das Künstlertum der Schwarzkopf nicht schon alles geschrieben worden. Hymnen und Verrisse, Kunst amalgamiert mit Privatem (Stichwort „Her Masters Voice“), Politisches und „Psychologisches“. Wohl der absoluten Kompromisslosigkeit der Sängerin (vor allem, aber nicht nur, sich selbst gegenüber) ist es geschuldet, dass das künstlerische Vermächtnis umstrittener ist als dies etwa bei der auf einem anderem Niveau ebenso genialen Maria Callas der Fall ist.

Nach Anhören der nun erstmals bei Warner veröffentlichten Aufnahmen der Schellack-Ära fällt mir besonders auf, dass die Schwarzkopf schon damals als Opernsängerin wesentlich beherzter und passionierter an die Sache ging als im Liedgesang. Deswegen sind mir auch die CDs 1-3 mit deutschen, italienischen und französischen Arien, Kostproben aus Oratorien und Kantaten persönlich lieber. Neben Unbekanntem (Lieder von Dowland, Arne und Morley oder Medntner) gibt es auch absolute Highlights, die in keiner Diskothek fehlen sollten, wie die Ausschnitte aus dem Rosenkavalier (Schwarzkopf als Sophie; 1947, dirigiert von Herbert v. Karajan) und Hänsel und Gretel (1947, Josef Krips) mit Irmgard Seefried zu genießen. Schöneres, Exquisiteres und Harmonischeres kann menschlicher Gesang nicht hervorbringen. Für die Ewigkeit, unüberbietbar, unwiederholbar! Beide Excerpts gehörten wohl als Erbe der Menschheit ebenso in die berühmte Voyager Raumkapsel, die auch Edda Mosers Königin der Nacht für andere Galaxien und Lebewesen bewahrt.

Niemand konnte außerdem so prächtig und freudvoll in allerhöchsten Tönen jubilieren und das „Halleluja“ in den Äther schmettern wie Elisabeth Schwarzkopf. Daher gehören auch die beiden Versionen von Mozarts „Exsultate jubilate“, KV 165 (1946 unter Josef Krips, und 1948 unter Walter Süsskind) sowie die Bach Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen BWV 51 mit dem Philharmonia Orchestra unter Peter Gelhorn (1948) ebenso zu den unvergleichlichen Glanzlichtern der Box. Über welche Portion Chili und dramatische Koloratur und Kick diese herrliche Stimme verfügte, lässt sich ohne weiteres anhand der Martern Arie aus der „Entführung aus dem Serail“ aus dem Jahr 1946 (ebenfalls mit Karajan) wie anhand der beiden Versionen der ersten Arie der Violetta aus „La Traviata“ nachvollziehen (1948 in englischer Sprache gesungen unter Warwick Braithwaite und 1950 unter Alceo Galliera, beides mit dem Philharmonia Orchestra).

Natürlich konnte die Schwarzkopf auch engelgleich wir die Tebaldi singen; ihre Mimi, Liu, Lauretta oder Butterfly bzw. das Solo aus dem Requiem von Johannes Brahms (1947, Karajan) geben dafür die allerschönsten Beispiele ab. Ausschnitte aus Fidelio (Marcelline) und sogar Wagners Tristan und Isolde zeigen eine Schwarzkopf, die man eher nicht kennt.

Zwei ganze CDs sind der Liedleidenschaft der Sängerin gewidmet, die von Mozart, Schubert, Schumann, Brahms bis zu Hugo Wolf reichte. Und hier neigt Schwarzkopf vereinzelt zu künstlichen Phrasierungen und Vokalfärbungen, die meinem Geschmack nach übers Ziel schießen. Das ist so, wie wenn ein Koch eine Speise immer und immer nachwürzt und noch einen Nuance testen möchte, was im Endeffekt den Gesamtgenuss disharmonisch trübt. Ein paar Weihnachtslieder in Bearbeitungen zweifelhaften Geschmacks hätte man sich allenfalls sparen können.

Aber bei den kleinen Einwänden alleine die junge Schwarzkopf mit ihrem farbenreichen und edlen Sopran in so einem breit gestreuten Repertoire in erstaunlich guter technischer Tonqualität erleben zu dürfen, rechtfertigt schon die Anschaffung der Box. Ihre Mozartdeutungen sind ohnedies einzigartig. Halleluja!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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