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Elena Kuschnerova spielt Liszt bei Bella Musica – Explosive Stimmungsbilder

29.11.2019 | cd

Elena Kuschnerova spielt Liszt bei Bella Musica

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Explosive Stimmungsbilder

Elena Kuschnerova spielt Liszt bei Bella Musica/ Die in Baden-Baden lebende russische Pianistin Elena Kuschnerova interpretiert die Werke von Franz Liszt hier wie aus einem Guss. So ausrucksstark und brillant hört man sie selten. Die Aufnahmen sind im Hans-Rosbaud Studio des SWR 1995 und 2015 entstanden, aber die CD wird erst jetzt veröffentlicht. Bei der Rhapsodie espagnole ist die Künstlerin voll in ihrem virtuosen Element, sprühende Feuerfunken beflügeln das Spiel in rasant-atemlosen Tempi. Das spanische Kolorit wird jedoch nicht allzu salonhaft ausgekostet, sondern besitzt Esprit und Glut. Als sinfonische Dichtung für Klavier erscheint dabei „Apres une lecture du Dante. Fantasia quasi Sonata“, wo die dynamischen Klangvorstellungen in hervorragender Weise akzentuiert werden. Vor allem die visionäre Schilderung des Inferno besitzt bei dieser klanggewaltigen Wiedergabe eine dämonische Kraft. Die Tritonus-Intervalle beschwören unheimlich die Höllenrichter – und die oktavierten Gänge lassen das harmonische Geschehen in hymnischem Glanz erstrahlen. Der Liebesgesang ist ganz von erregenden chromatischen Figurationen erfüllt, und auch die Coda besitzt geradezu elektrisierende Kraft. Beim Sonetto 104 del Petrarca geht Elena Kuschnerova ganz aus sich heraus, weil das pathetische Rezitativ voll ausgekostet wird. Höchste Leidenschaft erfüllt dabei die vibrierenden Exaltationen. Und der harmonisch-modulatorische Reichtum blitzt immer wieder glanzvoll hervor. Als erfüllter Liebestraum erscheint dann das Sonetto 123 del Petrarca, wobei sich das Hauptthema nach stürmischem Ausbruch in lichtem C-Dur behauptet. Das Gesangsmelos wird in zahlreichen dynamischen Konstrasten ausgelotet. Eher verhalten interpretiert Elena Kuschnerova die Polonaise Nr. 2 E-Dur mit ihren gesanglichen Seitenthemen, wobei Anklänge an Frederic Chopin in geheimnisvoller Weise herauszuhören sind. Die Consolation Nr. 3 Des-Dur imponiert als reizvolles Stimmungsbild zwischen Des-Dur-Harmonien und facettenreichen A-Dur Terzenfolgen, wobei der enharmonische Wechsel deutlich nachvollziehbar ist. Ein pianistischer Höhepunkt ist dann „Les jeux d’eaux a la Villa d’Este“, wo in sanft rauschenden Arpeggien das „Tristan“-Motiv anklingt. Das Rauschen der Kaskaden und Fontänen gelingt Elena Kuschnerova hier in brillanter Weise, wobei sich Tremolos und Terzenpassagen nuancenreich ergänzen. Furios interpretiert sie zuletzt den berühmten „Mephisto-Walzer“ Nr. 1 in A-Dur, wo sie die thematischen Verbindungen in kunstvoller Weise offenlegt. Die Quint-Akzente mit den ersten Bogenstrichen Mephistos blitzen hervor, und der Besinnungstaumel der Tanzenden besitzt eine geradezu magisch-unheimliche Ausdruckskraft. Auch der verführerischen Sinnlichkeit des Mittelsatzes in Des-Dur wird Elena Kuschnerova höchst sensibel gerecht. Die beiden Themen geraten in eine starke und dynamisch eruptive Crescendo-Steigerung. Die beiden Liebenden scheinen sich zu umarmen und nicht mehr loszulassen. Fazit: Es ist eine ausgezeichnete CD-Aufnahme, man hört diese Werke in der vorliegenden Wiedergabe gleichsam neu.

Alexander Walther

 

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