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EISENACH/ WARTBURG: TANNHÄUSER auf der Wartburg

21.05.2023 | Oper international

Tannhäuser auf der Wartburg  – 12. und 19. 5. 2023

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Marco Jentzsch bei der Romerzählung, mit Shin Taniguchi als tief betroffenem Wolfram (c: Pfabigan)

Noch ist es nicht zu spät, auch andere mögliche Interessenten auf diese großartige Wagner-Produktion hinzuweisen.  Meine Merker-Kollegin Ursula Szynkariuk und ich haben detaillierte Berichte geplant, aber sie hat keinen Computer und mein Laptop hat gestreikt, sodass ich nun erst nach der gestrigen Heimkehr aus Eisenach und Berlin auf dieses ungewöhnliche Wagner-Ereignis aufmerksam machen möchte.

Mit Oper bespielt wird der wunderschöne große Festsaal auf der Wartburg ja stets vom Ensemble des Meininger Staatstheaters und der Meininger Hofkapelle, was allein schon hohe Qualität garantiert, zumal dieses Ensemble ja in der Regel für fast alle Partien Doppelbesetzungen parat hat. Im Vorjahr hat man für Venus/Elisabeth und Tannhäuser jedoch Gäste verpflichtet. Da hörte ich die Dänin Brit-Tone Müllertz sowohl als Venus wie auch als Elisabeth ganz ausgezeichnet und Zurab Zurabishvili war bei seinem Rollendebut ein Tannhäuser mit Bombenstimme und intensivem Spiel. Heuer waren es Lena Kutzner als Elisabeth und Marco Jentzsch als Tannhäuser, die ich beide zuvor schon in Meiningen als Elsa und Lohengrin bewundert hatte – ein Grund mehr, wieder hinzufahren! Für die Sängerin war es ein Rollendebut, Jentzsch hatte die Rolle zuvor schon in einer Neuproduktion in Klagenfurt gesungen (und schon damals begeisterte Kritiken erhalten).

Was die Rahmenbedingungen im schönen Festsaal betrifft: Die Bühne ist klein und lässt keinen Platz für Kulissen, auf der hinteren Bühnenhälfte ist vertieft das Orchester platziert, mit dem Dirigenten davor, der mit dem Rücken zum Publikum und zu den Sängern auf die Musikalität und Rollenkenntnis der Solisten bauen muss, weil die ihn nicht sehen.  Auftritte für die Solisten und den Chor sind nur über den Mittelgang durch die Publikumsreihen möglich, oder der Chor singt, wie nach seiner Heimkehr aus Rom, von draußen oder vom Balkon, wohin der Maestro dann auch mit seinem Stab Einsätze geben kann. Alles Wesentliche spielt sich somit auf die kleinen Vorderbühne ab und – ob man’s glaubt oder nicht – es hat einem nichts gefehlt. Alle Solisten vermochten ihre Rollen voll auszuspielen. Einer „genialen“ Inszenierung bedurfte es nicht, denn die kam – höchst überzeugend  – von den Solisten, denen man alles glaubte, was sie sangen, optisch, textlich und vokal. Und dass in den beiden Aufführungen, die ich heuer besuchen konnte, von einzelnen Solisten manchmal verschiedene Positionen eingenommen wurden, die dennoch passten, sei nur am Rande vermerkt. Da waren eben Vollprofis am Werk, die vom prächtigen Orchester und dessen langjährigem Chefdirigenten Philippe Bach exzellent  nicht nur begleitet, sondern präzisest und liebevollst getragen wurden, mit der Harfe im Vordergrund, deren Spielerin dann auch mit Sonderjubel bedacht wurde.

Nachdem wir beiden Wiener Merkerinnen an einem Aufführungs-freien Tag die Eingänge in die Venus- und Tannhäuser-Grotte auf dem östlichen Hörselberg hatten erwandern wollen, uns aber dahin keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung standen, sodass ein halber Tag nicht ausreichte, um die Gefährlichkeit dieses Bereichs überprüfen zu können, mussten wir uns mit dem begnügen, was Richard Wagner seinerzeit darüber in Erfahrung gebracht hatte…Auf der kleinen Wartburg-Bühne konnte es ja ohnedies nur eine liebevolle Szene mit Händchenhalten und leichtem Umarmen zwischen der Mezzosopranistin und dem Tenor auf einer schönen roten Couch sein. Aber sowohl die Liebesgöttin Deniz Yetim, rot gewandet mit genügend Freiraum im Kostüm und sehr hübschen schwarzen Haaren als auch der großgewachsene, attraktive schlanke Ritter, wie ihn Marco Jentzsch glaubwürdig verkörperte und belcantesk zu Wort und Ton kommen ließ, verhalfen Wagners Musik zum gewünschten Ausdruck.

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Elisabeth – Lena Kutzner im Gebet für Tannhäuser und der mitfühlende Wolfram von Eschenbach Shin Taniaguchi, dahinter die Meininger Hofkapelle (c: Pfabigan),

Eine andere Welt – in anderer Beleuchtung – eröffnete das Auftreten des Landgrafen und der Sänger, das freudige Wiedersehen mit dem lang Vermissten und dessen Reaktion auf den Namen Elisabeth – „O Macht des Himmels….“ und den spontanen Entschluss zu seinem Verbleib. Das Auftreten von Lena Kutzner macht einen anderen Mensch aus ihm – eine so liebe, hübsche, herzliche Frau mit solch wunderschöner, voller, klarer, hochemotional sich ausdrückender Stimme und ebensolchem Gehaben – das gemeinsame Glück schien beiderseits unbegrenzt…Was ich mich aber nicht erinnere, je in einer „Tannhäusr“-Aufführung erlebt zu haben: Wie der Bariton Shin Taniguchi allein schon das „so flieht für dieses Leben mir jeder Hoffnnng Schein!“ sang, dann aber – aus Liebe zu Elisabeth alles daran setzte, dass sie mit Tannhäuser glücklich werden sollte, das spielte und sang dieser Bariton mit einer Intensität, die einen zu Tränen rührte.
Alle Minnesänger trugen ihre Ideen zur Ergründung von „der Liebe Wesen“ mit überzeugendem Wohlklang vor. Als Tannhäuser beteuerte, „des Durstes Brennen“ kühlen zu müssen, nahm seine Tenorstimme einen anderen Klang an und wollte sich mit Walters „Geistes Licht“ nicht mehr begnügen. Und nun begann ein stetes  Crescendo an Intensität des Gesagten bzw. Gesungenen, sodass man kaum noch zu atmen wagte -vom Orchester natürlich optimal unterstützt, bis Tannhäusers fatales Geständnis den Wettstreit beendete, Elisabeth verzweifelt zusammensank, aber ihr kraftvolles „Haltet ein!“  die allgemeine Umkehr bewirkte, dank der wunderbaren, expressiven Stimme von Lena Kutzner sich allseitiges Erbarmen einstellte und der „kühne Sänger“  die denkbar ergreifendsten Reuetöne hören ließ, ehe er über die Mitteltreppe im Wahnsinnstempo abwärts rannte, um sich den Pilgern anzuschließen.

Wohl weiß man (allerdings nicht in Salzburg…), dass Wolfram es mit beiden gut meint, mit Tannhäuser ebenso wie mit Elisabeth, aber was Shin Taniguchi, selbst schon grauhaarig und auch nicht besonders schön geschminkt, an Mitleid und Wohlwollen vokal und physisch im 3. Akt zeigte,  war zum Weinen. Und Elisabeths zuerst erregte,  noch hoffnungsfrohe Ausschau, als die Pilger zurückkehren und sie ihren Geliebten darunter erhofft, sowie danach die Anrufung der allmächtigen Jungfrau und Abwendung von etwaigem mVerlangen ließ einem beständig den Atem anhalten. Wolframs Lied an den Abendstern beglückt dann ebenso, wie Tannhäusers Rückkehr uns erregt. Nun lässt Marco Jentzsch eine ganz andere Stimme hören, furchterregend, kalt, äußerste Verzweiflung zum Ausdruck bringend, die uns stets Bedenken aufkommen lassenden Textstellen „der nackten Sohle sucht ich Dorn und Stein…..“vergoss mein Blut ich zu des Höchsten Preis…“…Die Glieder bettet  ich in Schnee und Eis...“ und dann die Wiedergabe der Papst-Worte… mit weit aufgerissenen Augen und geballten Fäusten – das besagte  nicht nur eine augenblickliche Verzweiflung, sondern eine tiefe Einsicht in alles, was in dieser Welt an Unrechtem, Lügenhaftem, Menschen-Unwürdigem getan wurde und wird…Es wurde einem heiß und kalt beim Hinschauen und Hinhören und Mitdenken…..

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Romerzählung zum Fürchten. Foto: Sieglinde Pfabigan

Als er zuletzt noch einmal den Venusberg herbeirief und die Göttin der Liebe ihn abermals willkommen hieß und er der Hölle Lust nochmals genießen wollte, Wolfram aber den Namen Elisabeth ausrief – da muss man das Gesicht von Marco Jentzsch gesehen haben und den völlig geänderten Klang seiner nun wunderschönen Stimme, die es jetzt  glauben machte, dass ihn die Fürbitte der Heiligen Elisabeth gerettet  hat.

Was ich immer bedauere: Wenn man den Tannhäuser sterben lässt, ehe er gehört hat, dass der dürre Stab in Priesters Hand sich wieder geschmückt hat mit frischem Grün. Vielleicht kann man das in den kommenden Reprisen noch abändern… Dieser Tannhäuser und diese Elisabeth hätten es  verdient.

Kommende Reprisen: 27. Mai, 1. und 3. Juni 2023, alle 18,30 Uhr.
Hinfahren, hinschauen, hineinhören…!                                                                                               

Sieglinde Pfabigan

 

 

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