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EISENACH: LA CLEMENZA DI SCIPIO von Johann Christian Bach.

18.10.2021 | Oper international

Eisenach: La Clemenza di Scipio/J.Ch.Bach   17.10.2021

eis
Copyright: filmwild/ Sebastian Strolz

Das Eisenacher Landestheater hat seit dieser Spielzeit unter dem neuen Intendanten Jens Neundorff v.Enzberg wieder eine neue Sparte Musiktheater+, die vom Landestheater selber und vom Staatstheater Meiningen bespielt wird. Als erste Premiere wurde eine Ausgrabung ins schöne spätbarocke Theater gebracht: La clemenza di Scipione/Die Milde des Scipio, eine Opera seria von Johann Christian Bach, dem jüngsten Bach-Sohn, dem sog.Londoner Bach. Dieser hat erst einige Zeit der Ausbildung in Italien verbracht, erst später in London und Paris gewirkt. In dieser Oper, die er mit einigem Erfolg tatsächlich in London uraufführte, geht es um eine Episode, einen Liebeshändel aus dem 2.Punischen Krieg, in dem die Römer unter dem Feldherrn Scipio die Karthager besiegen. Scipio verliebt sich in die karthagische Prinzessin Arsinda, die ihm aber Widerstand entgegen bringt, auch da sie bereits dem Luceius, Prinz der Keltiberer (Karthago hatte sich damals bis an den Ebro in Spanien erstreckt) versprochen ist. Der römische General Marzius verliebt sich sich in die spanische Prinzessin Idalba, die ihn wiederliebt.

Da in der Oper die Rezitative verschollen waren, wurde von Regisseur Dominik Wilgenbus eine Dialogfassung mit zwei zusätzlichen Schauspielern erstellt, die als ‚Götterpaar‘ in einem Puppentheater die Geschehnisse und die Handlungen der der Menschen kommentieren und beeinflussen. Es sind die Schauspieler Falk Pieter Ulke und Kerstin Wiese, die mit vorgehaltenen Gesichtsmasken, die sie alt und verhärmt erscheinen lassen, immer wieder zwischendurch auf witzige Weise die Bühne betreten, eigene kleine Spielszenen haben (Co-Regie: Kora Tscherning), oder auch in direkten Kontakt mit den ProtagonistInnen treten.

Musikalisch zeigt sich, daß J.C.Bach in einer ganz eigenen Weise Koloraturarien mit starkem Impetus schrieb, die auch Mozart beeindruckten, und der Bach „liebt und hoch verehrt“, wie er in einem Brief an seinen Vater schrieb. Man kann die Opera seria auch als eine quasi Vorlage für „Entführung aus dem Serail“ sehen, wo Constanze ja auch ‚Martern aller Art‘ erwartet, so wie es Arsinda durch ihre Verweigerung Scipio gegenüber ergeht. Auch hier dringt ihr Geliebter unter dem Namen Alkestis in das römische Lager ein, wird aber gefangen genommen. Er wird von einem hohen Countertenor gesungen. Alle 5  Protagonisten sind mit eigenen Arien bedacht, im Stil könnte man sie vielleicht in die Nähe Domenico Cimarosas rücken, wenn Bach auch viel mehr Koloraturen schreibt, und dabei wirklich ausgefuchste, z.B. mit kleinen Zwischenpausen. Auch der Orchesterpart ist sehr belebt und wird von der Thüringen Philharmonie Gotha – Eisenach unter dem hervorragenden Dirigenten Juri Lebedev ganz einnehmend gespielt.

Die Regie auf der eher kleinen Bühne beginnt mit einer sehr lebhaften Kriegsszene zur Ouvertüre, und in einer von einem weißen Oval begrenzten Spielfläche treten die DarstellerInnen aus verschiedenen Einbuchtungen/Öffnungen auf (Bühne Peter Engel). Marzius mit umgebundener blutiger Metzgerschürze bereitet sich nicht nur auf die Zerlegung eines geschossenen Bockes, sondern auch auf die Folterung des Alkestis vor, packt schon mal die Foltergeräte aus. Aber den Göttern gelingt es, den Scipio umzustimmen, so dass sich das alte  Paar wieder vereinen kann. Die Kostüme von Uschi Haug sind auch sehenswert. Die beiden Damen in großen weißen Roben mit dunklem Mieder, die ihnen im Verlauf abgenommen werden, der Scipio in knappem grauen Anzug. Marzius in dunkelblauem Dreiteiler-Feinzwirn, und Luceius/ Alkestis mit angedachter Irokesenfrisur und in einem schwarzen phantasievollen Anzug.

Prokonsul Scipio wird von Martin Lechleitner hellstimmig, versiert in den Koloraturphrasen und mit Drive gegeben. Seine Gewaltphantasien scheint er aber wirklich nicht ausleben zu wollen. Die Arsinda ist in der Gestalt der Sara-Maria Saalmann eine Wucht. Sie kann ihre Koloraturen bei Bedarf auch herausschleudern, dabei verbleibt ihr Sopran immer wohltimbriert. Auch szenisch ist sie trotz Ansage sehr agil. Schwester Idalba (Alexandra Scherrmann) ist etwas kleiner von Gestalt, geht aber auch sehr leidenschaftlich zu Werke. Wenn sie die Absichten von Scipio und Marzius durchschaut, löst sie ihr Haar auf und wird zur Furie. Ihr Geliebter Marzius (Johannes Mooser) ist ein sehr sonorer Bariton. Die Sensation stellt aber der Sopran-Counter Onur Abaci. Wie er bis in höchste Lagen trompetenhaft schwierigste Arien mit stupendem Ausdruck stemmt, das muss man gehört haben.                                            

Friedeon Rosén

 

 

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