IM KELLER / Film
Österreich / 2014
Regie: Ulrich Seidl
Verleih: Hoanzl
Ulrich Seidl ist jener österreichische Filmemacher, der seinen Ruhm daraus bezieht, seinen Landsleuten Unangenehmes. Widerliches, Peinliches zu zeigen – mehr noch, demonstrativ vorzuführen. Im Gegensatz zu einem anderen Unbequemen, Michael Haneke, der mit den Abgründen der österreichischen Seele wirklich große Filmkunst produziert, geht es Seidl um die Provokation und den Schock durch die österreichische Fleischlichkeit.
Das ist ihm bisher immer noch gelungen – am nachdrücklichsten und peinlichsten ja in dem „Liebe“-Teil seiner „Paradies“-Trilogie. Und nun erzeugt er mit „Im Keller“ die Gänsehaut, nicht nur, wenn da gleich zu Beginn eine Riesenschlage im Glaskäfig liegt und wenig später eine Frau im Keller ein lebendes Baby aus einer Schachtel (!) holt…Oder es ist doch nur eine Puppe – wie man später hoffen darf.
Seidl schreitet in die österreichische Unterwelt und will dokumentieren, dass im Keller nicht nur die Kellerstüberln für Besäufnisse zu finden sind (was bei einem Land, dessen Dunkelziffer an Alkoholikern bei zehn Prozent liegt, erschreckend genug ist – „I sauf eigentlich sehr viel“, ist eines der vielen Bekenntnisse, die man hört).
Der Mann, der sich die Schießscheibe aufzieht und im Keller zieht und ballert, später gesteigert, dass das, was man als Moorhuhnschießen am Computer kennt, hier auf riesiger Videowand und echtem Gewehr stattfindet …
Unterricht über Waffen gibt es dort auch, und Jagdtrophäen sind so gefragt wie Gewehre und Gelabere über das Waidwerk…
Vor dem Spiegel wird Italienisches gesungen… („Wenn ich Sänger geworden wäre“, berichtet der Herr unschuldsvoll und provoziert verächtliches Lachen angesichts seiner Überzeugung, wie großartig er das „Opern-Zwischenfach“ gesungen hätte.)
Das Alltags-„Politisieren“ handelt meist von den Ausländern…
Im Keller steht auch das Laufrad, dort ist der Pool, ein bisschen körperliche Ertüchtigung zählt zu den entschieden harmloseren Keller-Geschichten, die hier vorgeführt werden.
Wie auch eine riesige Spielzeugeisenbahn mit Landschaft drum herum.
Es läuft die Waschmaschine, während die Frau bewegungslos wartet, bis der Waschgang zu Ende ist. Dort, in der Waschküche stellt er die reglosen Damen überhaupt gerne auf, der Filmemacher.
Man bläst das Horn zur Volksmusik, die aus dem Player kommt, kollektives Musizieren wird geschätzt, aber auch ordinäre G’stanzeln.
Mit einem Herrn, der uns seinen degustiösen Fettbauch zeigt, darf man durch das Burgtheater gehen, wo er offenbar Aufsicht hat.
Die erste Dreiviertelstunde lang fehlt, worauf Seidl-Voyeure vermutlich geil sind: Sex.
Doch dann geht’s los. In der Wohnung wird splitterfasernackt gesaugt, Klo geputzt, die strenge Herrin verlangt, dass das wirklich pikobello sauber sei… bevor sie sich draufsetzt, wir sind auch da dabei. „Ich bin schon sehr dominant“, sagt die Dame, die ihren „Ehesklaven“ abgöttisch liebt, behauptet sie, und man kriegt einiges an perversen Spielchen geboten, Handschellen, Gewichte an die Genitalien gehängt… und das in einem Film, wo alle ehrwürdigen Institutionen mitproduziert haben. Madame doziert ihre Sado-Maso-Perversitäten, als ginge es um ein wichtiges Schulfach, bei dem man gut aufpassen soll.
Dann schreitet der Film tiefer ins Sexgewerbe hinein, in diverse Spielchen am gynäkologischen Stuhl und mit der Peitsche, dann driftet es auch ins Softporno ab („Die Männer, was man kennen lernt, sind oft ganz lustige Typen“, sagt die Dame in roter Unterwäsche locker). Der Herr erklärt, dass er einen ziemlich starken Samenstrahl abschießen kann, was die Damen baß erstaunt, wenn das an die Scheidenwand klatscht… man lernt nie aus bei Seidl. Und es gibt auch Damen, die sich gerne prügeln lassen und das mit einem religiösen Tick verbinden. Schönen Dank auch für die Hiebe auf den Hintern… Eine andere Dame kriecht im Käfig herum.
Was fehlt noch? Die Nazi-Szenen natürlich, denn ohne den Neofaschistmus kann es ja im Hinblick auf Österreich nicht abgehen. Aber wer „Im Keller“ nicht im Kino gesehen hat, muss sich auf der DVD mit dem Sex begnügen…
Vieles, was man hier sieht, würgt vor Entsetzen und Abscheu, ist unerträglich in seiner Unappetitlichkeit und Niederträchtigkeit. Vieles wirkt wie bei Elisabeth Spira, wo die Leute ja seit Jahr und Tag gar nicht merken, wie sie sich als Idioten ausstellen und solcherart vorgeführt werden – zum Gaudium der anderen. Im Höhnen sind sie groß, die Spira und der Seidl. Und die Protagonisten sind für deren Endzweck „begabt“ ausgewählt: Stiere Blicke, manche so überzeugend, als spielte Roland Düringer uns den Prolo und den Trottel vor…
Es sei alles „echt“, pflegt Seidl zu versichern, aber gerade bei diesem Film wurden sehr viele Vorwürfe laut, wie sehr er Szenen „gestellt“ habe, sprich: verfälscht, manipuliert um des Effekts willen. Darum fehlen auf der DVD auch die Nazi-Szenen, von denen so viel die Rede war, um die sogar prozessiert wurde. Aber es gibt immer noch sonst genug, um einen „echten Seidl-Film“ zu ergeben.
Der schmale Grat zwischen Echtheit und Gestaltung ist immer wieder absturzgefährdet, der Blick von bösartiger Einseitigkeit, die vorgeführten Menschen von erschreckender Hässlichkeit und Dummheit. Noch eine hämische Pointe am Ende, wenn plötzlich der Name „Fritz Lang“ erscheint. Nein, nicht der. Einer der Mitwirkenden heißt so.
Das seid Ihr! ruft Seidl gewissermaßen genüsslich seinen Mitmenschen zu. Doch es wird viele geben, die denken wie er (und sich persönlich hoch erhaben fühlen). Häßlich ist es in Seidls Kellern. Das finden manche gewiß schön und aufregend. Abgesehen von den Lobeshymnen, die die Filmkritik dafür fand!
Renate Wagner