DVD
Hans Werner Henze:
THE BASSARIDS
Aufführung der Salzburger Festspiele 2018, Live Aufzeichnung
2 DVDs, Arthaus Music
Wenn sich die Salzburger Festspiele schon im Hinblick auf ihr Hundert-Jahr-Jubiläum auf ihre Tradition und ihre künstlerischen Höhepunkte besinnen, dann gehört die Uraufführung von Hans Werner Henzes „Die Bassariden“ im Jahr 1966 bestimmt dazu (damals noch in deutscher Sprache, obwohl das Original von Auden / Kallman auf Englisch ist).
Es war für den damals 40jährigen Komponisten ein Auftragswerk der Festspiele, und die Besetzung mit Christoph von Dohnányi am Pult, Gustav Rudolf Sellner als Regisseur, mit Sängern wie Kostas Paskalis, Kerstin Meyer oder Ingeborg Hallstein zählte damals sicher zum Besten, was Deutschland zu bieten hatte.
2018 setzte Markus Hinterhäuser das Werk wieder auf den Spielplan, diesmal in der Felsenreitschule als „The Bassarids“ im englischen Original, mit Kent Nagano als Dirigent und Krzysztof Warlikowski als Regisseur, was nach heutigen Maßstäben ein ähnlich prominentes, profiliertes Leading Team ist wie einst. Nur dass die ja doch „antikisierende“ Geschichte jetzt im zeitgemäßen Look daher kommt. (Die Aufführung spielt – wie einst bei der Uraufführung – auch das komische Intermezzo „Das Urteil der Kalliope“, das Henze später aus seinem langen Einakter ausgeschieden hat).
Die Geschichte der „Bakchen“ des Euripides, die hier als Vorlage dienten, der Gegensatz zwischen Regel (König Kadmos) und Zügellosigkeit (Dionysos), bis zum bitteren Ende, wo Blut fließt, wenn Augaue ihren Sohn hinmetzelt, könnte ein wenig Verfremdung vertragen (wie von den Autoren einst vorgesehen). Aber Regisseur Krzysztof Warlikowski setzt auf eine jener „Zimmer-Dekorationen“, die einem schon langsam auf die Nerven gehen, weil sie Heutigkeit zwar behaupten, aber die Zeitlosigkeit der Problematik, um die es gehen sollte, keineswegs überzeugend verkörpern. Vieles am Geschehen wird einfach vage, sowohl in politischer wie in „orgiastischer“ Hinsicht, selbst wenn an Sex und Sado-Maso nicht gespart wird (nur dass das heute niemanden mehr schockiert). Die Tugend ist dabei ebenso totalitär wie das Laster.
Der dunkelhäutige amerikanische Tenor Sean Panikkar (seine Vorfahren stammen aus Sri Lanka) ist ein wirklich intensiver Dionysos (auch im Kapuzenshirt), dem der rechtens steife Russell Braun als Pentheus gegenüber steht. Die große Frauenrolle ist Augaue, die Mutter: Tanja Ariane Baumgartner setzte ihren Mezzo effektvoll ein und spielt, was der Regisseur vorgibt, nämlich höchst inzestuöse Gefühle. Nicht minder stark Vera-Lotte Böcker als ihre Schwester Autonoe. Willard White ist Cadmus, der alte Vater der beiden. Dazu gibt Nikolai Schukoff einen eindrucksvollen Tiresias, und in Beroe (Anna Maria Dur) ist auch die einstige Amme des Pentheus mit dabei.
Was die Musik betrifft, so stellte der Kritiker der New York Times die durchaus nicht unberechtigte Frage, ob die „Bassariden“ ein Meisterwerk seien – oder „Strauss Turned Sour“? Nun, die Musik ist mehr prachtvoll als dissonant, sie arbeitet raffiniert mit Geräuschen, lässt auch mal Spätromantik aufblühen (vor allem in den Chorszenen) und die Kombination Wiener Philharmoniker / Kent Nagano machen den Abend – sprich: Erwerb und lauschende Betrachtung der DVD – auf jeden Fall höchst empfehlenswert.
Renate Wagner
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Hans Werner Henze
THE BASSARIDS
Wiener Philharmoniker
Musikalische Leitung: Kent Nagano
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Choreinstudierung: Huw Rhys James
Regie: Krzysztof Warlikowski
Bühne und Kostüme: Małgorzata Szczęśniak
Viedeo: Denis Guéguin
Choreografie: Claude Bardouil
Dionysus: Sean Panikkar
Pentheus: Russell Braun
Cadmus: Willard White
Tiresias / Calliope: Nikolai Schukoff
Captain / Adonis: Károly Szemerédy
Agaue / Venus: Tanja Ariane Baumgartner
Autonoe / Proserpine: Vera-Lotte Böcker
Beroe: Anna Maria Dur
Tänzerin und Choreografin (Solo: Rosalba Guerrero Torres