DVD
Richard Strauss:
DER ROSENKAVALIER
Salzburger Festspiele 2014
Major / unitel classica
Der DVD-Markt ist mit „Rosenkavalier“-Aufnahmen, meist mit höchsten Besetzungen, überfüllt. Von der alten Karajan-Aufführung mit Schwarzkopf (Salzburg 1960) bis zuletzt Thielemanns Produktion in Baden Baden (mit Fleming), dazwischen zwei verschiedene Inszenierungen unter Carlos Kleiber (einmal in Wien, einmal in München). Dazu Solti in London (mit Kiri Te Kanawa), Welser-Möst in Zürich (mit Stemme) oder die zehn Jahre alte Salzburger Aufführung (Adrianne Pieczonka als Marschallin), wo Robert Carsen schon auf dieselbe Idee kam wie im Vorjahr Harry Kupfer in ebendiesem großen Festspielhaus in Salzburg: nämlich die Handlung des „Rosenkavaliers“ vom 18. an die Schwelle des 20. Jahrhunderts zu versetzen…
Es ist davon auszugehen, dass „Rosenkavalier“-Liebhaber ihres Werks nicht müde werden und auch Interesse an immer neuen Interpretationen haben. Wobei der große Harry Kupfer mit der Geschichte so vorsichtig wie geschickt umgegangen ist. Die Zeitverschiebung äußert sich auch in einer „nicht kompakten“ und leicht veränderten Szenerie – die projizierten Hintergründe zeigen ein Palais oder im 3. Akt ein Praterlokal (in diesem Fall werden die Farben grell und „der Walfisch“ hängt witzig über dem Geschehen), während man zum Happyend dann Praterauen hinzaubert und die Marschallin und Faninal im großen weißen Wagen (es ist ein Auto anno dazumal) wegfahren… Auch die Kostüme schlängeln sich da elegant an die Jahrhundertwende heran, zu dumm, dass Octavian, der jetzt ja doch einen Anzug trägt, letztendlich unweigerlich einen Degen braucht, um Ochs zu verletzen… Einen kleinen Mohren gibt es nicht mehr, aber einen sehr erwachsenen Lakaien mit schwarzer Hautfarbe… kleine Variationen zu einem Thema, das weitgehend gleich und als Geschichte unbeschädigt bleibt.
Wie immer bei Harry Kupfer ist es sein Umgang mit den Figuren, der besondere Akzente setzt, und in diesem Fall wird der Ochs von Lerchenau absolut zum treibenden Element der Handlung. Allein, dass Günther Groissböck ein so sichtlich junger Sänger ist, hebt ihn aus jedem Ochs-Klischee heraus. Sein Benehmen hat nichts von bäurischem Poltern, sondern ist das eines reichen, hochmütigen, penetranten Mannes von heute, der zweifelsfrei und rücksichtslos überzeugt ist, dass alles nur nach seinem Willen gehen kann. Eine so geradlinige Studie, in der so viel Brutalität wohnt (und teilweise auch in den Bewegungen geradezu „Tierisches“), hat man noch nie gesehen, abgesehen davon, dass Groissböck mit seinem profunden Bass die wirklich ordinäre Wiener Tonfärbung der weniger eleganten Bezirke der Stadt hervorragend trifft. Etwas Distonieren hier und da ist an diesem Abend, wie er auf DVD festgehalten wurde, übrigens nicht nur bei ihm, sondern auch bei Kollegen festzustellen, ohne dass es die Leistungen wirklich trüben würde. Live ist eben live, nicht künstliches Polieren im Studio.
Auch die Marschallin der Krassimira Stoyanova ist von anderer Art, Kupfer hat ihr viel von der Elegie genommen, auch im letzten Akt herrscht bei ihr kaum Melancholie vor, sondern die Entschlossenheit, die Dinge hier zu bereinigen und den unverschämten Vetter Ochs in seine Schranken zu weisen. Was die Leistung der Stoyanova so schön macht, ist auch die helle, leichte, nie forciert geführte Stimme, die – von Minifehlern abgesehen – die Strauss-Kantilene wundervoll erfüllt.
Sophie Koch ist der Parade-Octavian der gegenwärtigen Bühnen, aber von Kupfer zu einer besonders schönen, nämlich gewissermaßen „unschuldigen“ Leistung geführt: Dieser junge Mann kennt sich nicht so richtig aus in der Welt der Frauen, weder bei der Marschallin noch bei der hier recht aktiven Sophie, nur wenn er Mariandl spielen darf, blüht er gewissermaßen in Buben-Übermut auf. Dass die Stimme von Sophie Koch nicht mehr taufrisch, sondern schon ein wenig getrübt ist, war wohl nicht nur Abendverfassung, weil man es auch live schon erfahren konnte.
Die bildhübsche, an die junge Meg Ryan erinnernde Mojca Erdmann ist eine Sophie, die um ihr Glück kämpft, alles andere als ein Hascherl und solcherart sehr überzeugend. Auch fern vom Faninal-Klischee erschien der zwar tänzelnd „auf vornehm“ tuende, aber die Situation ziemlich schnell durchschauende Adrian Eröd.
In den Nebenrollen hat der Abend keinerlei Glanzstücke, sondern sogar ein paar Schwächen zu verzeichnen (Annina und Valzacchi z.B.), wo Franz Welser-Möst vielleicht hätte eingreifen sollen. Aber er war wohl zu sehr damit beschäftigt, am Pult der Wiener Philharmoniker den berühmten Strauss-Klang herzustellen. Übrigens, dass der Abend mit über dreieinhalb Stunden reiner Spielzeit noch länger war als gewöhnlich, lag daran dass man die ungekürzte Fassung des Werkes wählte, die im Repertoire-Alltag nicht üblich ist.
Kurz, ein „Rosenkavalier“ schöner Besetzungen und interessanter Details.
Renate Wagner