DVD
DER FREISCHÜTZ von Carl Maria von Weber
Semper Oper, Dresden, 2015
Unitel / Cmajor
Man weiß, wie bedacht Christian Thielemann darauf ist, dass seine Arbeiten auch per DVD festgehalten werden, und warum auch nicht? Opernfreunde waren bisher am Bildschirm (die Produktionen der Pfingstfestspiele oft auf 3sat) die Nutznießer. arte sendet zu Weihnachten „Hänsel und Gretel“ aus der Wiener Staatsoper. Und der „Freischütz“, eine Aufführung, für die Fans im Mai nach Dresden reisten, ist nun, gerade ein halbes Jahr danach, für alle Interessenten auf DVD und BlueRay erhältlich. Es war, wie man gegebenenfalls im Internet nachlesen kann, eine höchst umstrittene Aufführung – als „Dresdener Wunder“ gepriesen, als „Bauerntheater“ abqualifiziert. Nun kann man sich selbst ein Bild machen.
Das unfreundliche „Bauerntheater“ bezieht sich auf eine einigermaßen realistische Ausstattung, was ja bei „modernen“ Interpretationen heute weitgehend verpönt ist. Andererseits ist die Handlung von den Kostümen her ganz ins Heute geholt – Kaspar in der Kluft des DDR-Arbeiter mit Mütze und Lederjacke. Auch ist das Ambiente in Optik und Stimmung düster genug gehalten, um keinem Kitsch des deutschen Waldes in die offenen Arme zu laufen.
Die Regie von Axel Köhler macht klar, dass es sich jenseits jeder Romantik um eine wirklich tragische Geschichte handelt. Freilich, wenn dann (beim „Jägervergnügen“) eine Art Kinderballett stattfindet, kann man sich schon vorstellen, dass das manchem sauer aufsteigt – andererseits sind solche Tänze in bäuerlichen Gesellschaften üblich…
Die Besetzung des Werks könnte man am besten als schlicht und unspektakulär bezeichnen (was nichts über die Qualität aussagt), gewissermaßen auf die „ganz normale Leute“-Schiene gestellt. Der Max von Michael König – so sieht kein Tenorheld aus. Agathe (Sara Jakubiak) und Ännchen (Christina Landshamer) sind brave, nicht sehr auffällige Frauen. Georg Zeppenfeld als Kaspar ist auch kein überdimensionaler Bösewicht. Aus Wien kam Adrian Eröd und wirkt als Ottakar nahezu österreichisch-nasal. Da herrscht, um die Wahrheit zu sagen, wenig von dem Glanz der „deutschen Oper“.
Zugpferd der Aufführung in Dresden war, Zugpferd der DVD ist natürlich Christian Thielemann. Er zählt (wie einst Karajan) zu jenen Dirigenten, die einem das Gefühl geben, man habe die Musik vorher nicht richtig gekannt, bevor man sie von ihm hörte. Ein so delikater, schlanker Weber war wohl selten da. Er donnert so gut wie nie, weder in der Wolfsschlucht und noch bei der Moral am Ende (Drum finde nie der Probeschuß mehr statt). Die subtile Vorgangsweise des Dirigenten, die keine brüllende deutsche Hochdramatik mit dem Blick auf Wagner bietet, sondern erstaunliche Lyrik, gibt dieser Aufführung dann doch das Air des Besonderen, das vom Szenischen nicht wirklich ausgeht.
Renate Wagner