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DVD-Box: 150 JAHRE WIENER STAATSOPER

09.08.2019 | CD/DVD/BUCH/Apps, dvd

DVD-Box: 150 JAHRE WIENER STAATSOPER

Inhalt:
1978 / Verdi / Trovatore / Karajan
1978 / Bizet / Carmen / Kleiber
1983 / Puccini / Turandot / Maazel
1989 / Strauss / Elektra / Abbado
1990 / Wagner / Lohengrin / Abbado
1999 / Mozart / Don Giovanni / Muti
2010 / Händel / Alcina / Minkowski
2014 / Strauss / Ariadne / Thielemann

ARTHAUS MUSIK 2019

Ein großer Geburtstag, den die Wiener Staatsoper hier feiert, natürlich gibt es auch Bücher dazu, aber Oper ist nun einmal ein sinnliches Ereignis. Und selbst, wenn keine Aufzeichnung das Erlebnis des Dabeiseins ersetzt, hat man längst gelernt, Live-Mitschnitte zu schätzen. Je älter sie werden, umso aussagestärker sind sie auch – darüber, wie in der Vergangenheit musiziert, gesungen, gespielt wurde. Wie die legendären Persönlichkeiten aus der Distanz von Jahrzehnten wirken. Wie Erinnerungen täuschen – oder nicht.

Aufzeichnungen aus der Wiener Staatsoper gibt es viele, die Auswahl war sicherlich nie leicht. Offenbar ging es darum, von jedem großen Opernkomponisten ein Werk zu zeigen, nur Richard Strauss ist zweimal vertreten. Und im übrigen scheint man auch besonderes Gewicht auf die großen Dirigenten gelegt zu haben – auch hier kommt nur einer zweimal vor, und das ist Claudio Abbado.

Möglicherweise werden enorme Diskussionen über die Auswahl ausbrechen (wenn schon Kleiber, warum nicht sein „Rosenkavalier“ statt der „Carmen“ – aber das wäre die DGG gewesen, und die großen Konzerne „mischen“ ihre Produkte nicht), und außer der Harry-Kupfer-„Elektra“ (die von Dominique Meyer aus unerfindlichen Gründen entsorgt wurde) ist im Grunde keine wirklich bemerkenswerte Inszenierung dabei, wenngleich man Zeffirellis „Carmen“ seinerzeit durchaus geschätzt hat.

Für den Opernfreund hat jede der Produktionen natürlich ihre Geschichte, und daran erinnert man sich gerne, wenn man die DVDs einschiebt (die allerdings gänzlich ohne Begleitmaterial dargeboten werden. Interessant hingegen, dass auf den Innenseiten der einzelnen Schachteln andere Staatsopern-DVDs beworben werden, die offen gestanden ebenso spannend gewesen wären wie die gebotenen.)

IL TROVATORE
Herbert von Karajan ist 1989 gestorben, hatte die Staatsoper geleitet, war im Zorn geschieden, 1977 zurückgekehrt. Seine eigene, berüchtigt „dunkle“ Inszenierung von Verdis „Troubadour“ gab es schon seit 1963 am Haus. Die Wiederaufnahme im Mai 1978 sollte nicht mit dem besten Sänger, Luciano Pavarotti, besetzt werden, weil Karajan ein Ästhet der Optik war. Franco Bonisolli erschien – zumal er hohe Töne schmettern konnte wie damals kein zweiter – die richtige Besetzung, aber der war noch schwieriger als Karajan selbst. Warum er bei der Generalprobe ausgerastet ist, erzählt jeder anders – für die Fernsehaufzeichnung sang Placido Domingo, damals ungefähr Mitte 30 und schon sehr erfolgreich, aber nur ahnungsweise der Tenorissimo der Zukunft. Cappuccilli (Luna) und Cossotto (Azucena) waren damals Weltspitze in ihren Rollen, und Karajan „zündete“ diesen mittleren Verdi geradezu an (während er sich im übrigen auf den „späten“ Verdi konzentrierte).

CARMEN

Carlos Kleiber war ein Dirigent, der sich nicht nur an der Wiener Staatsoper rar machte. Wenn er dann allerdings ans Pult trat, waren musikalische Sternstunden angesagt. Wiens Publikum bemäkelte, dass er für die „Carmen“-Premiere im Dezember 1978 nicht die „ideale“ Besetzung erhielt, nahm man Placido Domingo aus, der damals in durchaus prächtiger Verfassung war. Aber die Russin Elena Obrazcowa (Carmen) sowie Isobel Buchanan (Micaela) und Juri Mazurok /Escamillo) reichten den Wiener Ansprüchen nicht. Zeffirellis brauchbare Inszenierung steht indessen immer noch, aus der Distanz von mehr als 40 Jahren, verlässlich am Spielplan des Hauses.

TURANDOT

Die Staatsopern-Ära von Lorin Maazel, der seine Stellung als Direktor 1982 antrat, währte weit kürzer, als jedermann annahm (nämlich nur bis 1984), aber seine Premiere von Puccinis „Turandot“ im Juni 1983 fiel in seine Zeit. Man hatte, um ein „Broadway-artiges“ Spektakel von Puccinis China-Oper zu garantieren, den Musical-Regisseur Harold Prince engagiert und stellte für Kalaf und Liu das schöne junge Traumpaar dieser Zeit auf die Bühne: José Carreras und Katia Ricciarelli. Eva Marton, immer eine geschätzte Hochdramatische, wenn auch kein besonderer Liebling des Wiener Publikums, war die Turandot, so wie sie damals viele Rollen ihres Faches am Hause abdeckte.

ELEKTRA

Dass Maazels Nachfolger, Claus Helmut Drese, den italienischen Dirigentenstar Claudio Abbado als Musikdirektor an die Staatsoper verpflichten konnte, war ein Fest für die Wiener Opernfreunde, wenn sie auch die leise Enttäuschung nicht verbergen konnte, dass er so viel „Ungewöhnliches“ dirigierte, statt nur das italienische Fach funkeln zu lassen (er liebte die Russen und die Moderne). Seine „Elektra“ im Juni 1989 war ein Erlebnis, auch weil in Harry Kupfers ungemein spannender, dichter, „böser“ Inszenierung mit Eva Marton, Brigitte Fassbaender, Cheryl Studer, James King und Franz Grundheber eine für damals ideale Besetzung auf der Bühne stand. Diese „Elektra“ hat nichts von ihrer elementaren Kraft verloren.

LOHENGRIN

Der „Lohengrin“, den Abbado ein halbes Jahr später, im Jänner 1990 herausbrachte, bot nur eine Sensation – Placido Domingo, ein Dutzend Jahre nach seiner Zusammenarbeit mit Karajan damals schon der weltweite Superstar, zeigte seine Ambitionen, sein Repertoire in alle Richtungen auszubreiten, auch zu Wagner, was man ihm damals noch nicht so recht zutraute, was er allerdings mit Entschlossenheit durchzog (und noch auf Siegmund und Parsifal ausweitete) – und da ahnte man nicht, in wie viele Richtung er seine Karriere noch ausweiten würde. Die harmlose Inszenierung und die außer Cheryl Studer nicht überwältigende Besetzung wurden von der Sensation, die Domingo und Abbado boten, komplett aufgehoben.

DON GIOVANNI

Auch ein Dirigent, der sich mit der Zeit immer rarer machte, war Riccardo Muti – und wurde entsprechend hofiert. Ioan Holender, nach Eberhard Waechters Tod Alleindirektor des Hauses und als solcher fast zwei Jahrzehnte Herr der Heerscharen, bot Muti einen Mozart / Da Ponte-Zyklus im Theater an der Wien (zweifellos ein passendes Haus), mit einem Regisseur, der jeglichem Regietheater fern war: Immerhin hatte Roberto de Simone für den „Don Giovanni“, der im Juni 1999 Premiere hatte, eine einsichtige optische Idee, die Ewigkeit dieser Figur durch die Jahrhunderte zu führen – vom 16. Jahrhundert an wechselten die Kostüme von Szene zu Szene um eine Epoche. Optisch hinreißend, für die Sänger anstrengend – angeführt von Carlos Álvarez und Ildebrando D’Arcangelo, die ihre „Herrschaft“ über diese Rollen über Jahrzehnte halten konnten. Mutis so „italienischer“ Mozart ist, nach vielen Originalklang-Experimenten, von unsterblichem Reiz.

ALCINA

Dominique Meyer, der im Herbst 2010 die Direktion der Staatsoper übernahm, verlor keine Zeit für eines seiner Lieblingsprojekte – „alte Musik“, an der Staatsoper konstitutionell vernachlässigt (eigentlich seit Jahrzehnten nicht vorhanden), ins Haus zu bringen. Mit Händels „Alcina“ gelang ihm ein veritabler Erfolg dank einer „schönen“ Inszenierung durch den Briten Adrian Noble und weil er für die Titelrolle die strahlende, in München zum Star gewordene Anja Harteros nach Wien brachte. Für den kompetenten Klang sorgten Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski.

ARIADNE AUF NAXOS

Gleichfalls eine Aufnahme, die auf den Dirigenten abzielt (dessen „Meistersinger“ man vielleicht vorgezogen hätte – aber der ist bei der falschen Firma erschienen), ist die „Ariadne“ des begehrten und gefeierten Christian Thielemann, der im Oktober 2014 fünf Vorstellungen dieser Bechtolf-Inszenierung dirigierte. Historisch bereits, weil Johan Botha (Bacchus) tot ist, desgleichen der hinreißende Peter Matic (Haushofmeister) und die großartige Soile Isokoski (Ariadne) sich zurückgezogen hat. Nur die Zerbinetta der Daniela Fally funktioniert noch klaglos – aber diese Aufnahme ist ja erst fünf Jahre alt.

Renate Wagner

 

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