Label: Opus Arte
Art. Nr.: OABD7303D
OPUS-Arte veröffentlicht aktuell eine Rigoletto Neuinszenierung aus dem Royal Opera House Covent Garden.
Wieder ein Rigoletto? Braucht die Musikwelt das? Hierauf ein ganz klares JA!
Dieser dokumentierten Aufführung kommt aus mehreren Gründen eine besondere Bedeutung zu.
Es ist die erste Einstudierung von Verdis Meisterwerk durch den scheidenden Musikdirektor Sir Antonio Pappano.
Mit Lisette Oropresa ist eine der besten Koloratur Soprane unserer Zeit in einer für sie adäquaten Rolle präsentiert.
Gerade noch rechtzeitig auch für den wunderbaren Bariton Carlos Alvarez, der seit langer Zeit in der Opernwelt einer der wenigen Sänger ist, der der so vielschichtigen Titelpartie gerecht wird.
Regisseur Oliver Mears lässt seine Inszenierungen in zwei Zeitzonen spielen. Auf der einen Seite gibt es werkgerechte, erlesene Renaissance Kostüme zu bewundern. Doch das ist nur Theater, Mears blickt im weiteren Verlauf dann in unsere Gegenwart.
Zunächst also große Gemälde Meisterwerke der Vergangenheit auf der Bühne, wie Tizians Venus von Urbino.
Groß ist der Kontrast zu Gildas ärmlicher Kammer Behausung. Mears entwickelt nachvollziehbare Reaktionen in der Personenführung und respektiert dabei seine Protagonisten.
Der Zuseher kann sich auf eine Produktion freuen, die kurzweilig und spannend geraten ist. Mears zieht die Spannungsschraube im weiteren Verlauf deutlich an, so dass gerade der finale Akt durch seine filmisch anmutende Ästhetik überzeugt. Bei ihm sind vor allem Rigoletto und Gilda Opfer. Rigoletto ist ein Geschundener, der es nicht vollbringt, seine Tochter in deren Freiheitsanspruch zu überantworten. Diese lebt in ihrer Traumwelt, bis ihre Vergewaltigung durch den Duca sie brutal mit den niederschmetternden Härten des Lebens konfrontiert.
Carlos Álvarez agiert als Rigoletto in Höchstform, mit ungemein kraftvoller und doch differenzierungsfähiger Stimme. Treffend beleuchtet Regisseur Mears den Niedergang Rigolettos. Im ersten Akt ist dieser der bunte Clown, der dann im Handlungsverlauf zunehmend müde, alt und völlig gebrochen wirkt und nicht fassen kann, wie sein gesamtes Leben völlig aus den Fugen gerät. Seine expressive Mimik und seine fabelhafte Stimme berühren sehr.
An seiner Seite zeigt die amerikanischen Sopranistin Lisette Oropesa ihre herausragende Qualität als lyrischer Koloratursopran. Virtuos und tief empfunden bleibt sie ihrer Partie keine Nuance schuldig. Sauber in der Intonation und mit heller Unschuld im Tonfall bietet sie einen körperlichen von edler Reinheit geprägten Stimmklang. Ihre natürliche Darstellung ist einnehmend und schmerzhaft in Betrachtung, vor allem, nachdem ihr Gewalt angetan wurde. Mit völlig leerem Blick wirkt sie im zweiten Akt völlig verloren und niedergeschmettert.
Eine echte Entdeckung ist der Herzog des armenischen Tenors Liparit Avetisyan. Mühelos gestaltet er seine fordernde Partie und verwöhnt mit schmelzreichem Tenor, der sich in der Höhe erkennbar wohlfühlt. Darstellerisch wirkt er dominant und kaltschnäuzig.
Auch die übrigen Partien sind sehr treffend besetzt.
Hinreichend verführerisch in Stimme und Spiel ist Ramona Zaharia als Maddalena zu erleben. An ihrer Seite überzeugt mit gefährlicher Ruhe und sattem Bass Brindley Sherratt als Sparafucile. Diesem Gewalttäter möchte man wahrlich nicht auf der Straße begegnen….
Der Chor des Royal Opera House erfreut mit viel Energie und hoher Präzision. Vor allem begeistert hier auch die sprachliche Genauigkeit, so sind die Konsonanten sehr klar zu verstehen, was gerade dem homogenen Stimmklang eine deutlichere Wirkung angedeihen lässt.
Meisterlich ist das Dirigat von Sir Antonio Pappano. Mit endloser Energie treibt er die Musik voran, die rhythmische Brillanz steht dem makellosen Orchester in der kompletten dynamischen Bandbreite zur Verfügung. So geraten die vielen kulminierenden Ensembles klanglich herausragend und wenn notwendig, geradezu explosiv. Auf der anderen Seite zieht Pappano das Orchester dann wieder auch weit zurück, um seinen famosen Instrumentalsolisten weiten Raum zur individuellen Entfaltung zu bieten, wie etwa die Oboe in Gildas Klagearie.
Viel Anlass zur Freude für den Opernfan, zumal Bild- und Tonqualität überragend sind. Eine schöne und besondere Zugabe ist das spannende Doku-Material auf der Blu-ray-Disc. U.a. gibt es eine sehenswerte Einführung in das Werk mit allen Beteiligten.
Dirk Schauß, November 2022