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DVD/Blu-ray: HENRY PURCELL: DIDO & AENEAS – SONYA YONCHEVA in einer Cécile Roussat & Julien Lubek Produktion aus der Opéra Royal Versailles; Château de Versailles Spectacles

13.11.2025 | cd, dvd

DVD/Blu-ray: HENRY PURCELL: DIDO & AENEAS – SONYA YONCHEVA in einer Cécile Roussat & Julien Lubek Produktion aus der Opéra Royal Versailles; Château de Versailles Spectacles

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Sorgte noch im August dieses Jahres die Neuaufnahme von Henry Purcells dreiaktiger Oper „Dido & Aeneas“ dank der Mitwirkung von Joyce DiDonato und Michael Spyres als beneidetes und von verschwörerischen Hexen ins Unglück getriebene Liebespaar für vokale Furore, so stehen nun mit der Veröffentlichung einer Live-Aufführung vom 19.10.2024 aus Versailles die bulgarische Diva Sonya Yoncheva und der nicht weniger glamouröse Bariton Halidou Nombre im Mittelpunkt einer märchenhaften Inszenierung des auch privaten Duos Cécile Roussat und Julien Lubek.

Die von beiden als Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner als auch Lichttechniker betreute Produktion nimmt uns auf eine imaginäre Reise nach Karthago in abstrakten Unter- und Überwasserwelten mit. Dort trifft die Königin Dido bekanntlich auf den trojanischen Helden Aeneas und verliebt sich unsterblich in ihn. Aber leider treiben die Götter ihr Unwesen. „Auf Altären brennt der Weihrauch, der den Menschen und ihren Herzen Zweifel, Eifersucht und Tod bringt.“

Das Meer und die alles dominierende Farbe Blau stehen laut Regie als das Sinnbild und Spiegel von Didos Hoffnungen der weiten Horizonte und Abenteuer als auch der Ängste vor schwarzstürmischer Vernichtung. In den Grotten und Innersten von Didos Seele zeichnen sich die düstersten Vorahnungen ab. Als Fata Morgana-Visionen halten Cupido, Najaden, Sirenen und sonstige Meeresbewohner dagegen.

In der nach einer Inszenierung aus der Opéra de Rouen Normandie 2014 neu aufgefrischten Version ist ein theatralisches Gesamtkunstwerk aus Musik, Pantomime, Tanz und Akrobatik in opulenter Aquariumsoptik zu bewundern. Schon während der von Lully formal beeinflussten Ouvertüre sind Wellen, Meereströmungen, Dido auf Felsenklippen und Nixen/Tänzerinnen á la Rheintöchter zu sehen. Während der Begegnung Didos mit Aeneas turnt Cupido auf einer Schaukel über den Köpfen der beiden Verliebten. Im zweiten Akt sieht es ein wenig aus wie in Alberichs Höhle mit rotgold beleuchteten Pappfelsen. Da treiben und winden sich glitschige Monster.

Die Zauberin wird vom auf Barockes spezialisierten ungarischen Tenor Attila Varga-Tóth im blaukrakenen Oktopuskostüm mit übermäßig großem Kopf verkörpert, der auf Seilen schwebende Geist vom Countertenor Arnaud Gluck. Als Hexen dürfen Pauline Gaillard und Yara Kasti ihren Geifer versprühen. Im dritten Akt turteln Dido und Aeneas, reichen einander aus Muschelschalen zu trinken. Cupido vollführt derweil Akrobatisches auf einem Halbmond, ein Riesenbarsch tummelt sich ansehnlich arrangiert am Bühnengrund. Eigentlich ist hier Dido & Aeneas als Ballett mit Gesangseinlagen inszeniert. Optisch überaus reizvoll und ästhetisch wunderbar in zauberhafte Bilder gesetzt, geht dabei ein Teil der Tragik des Stoffes verloren. Nur dank Yoncheva und Nombre greift das Drama zumindest akustisch, wie es sollte.

Sonya Yoncheva leiht der tragischen Figur der Dido ihren prachtvollen dramatischen Sopran, wahrlich königinnentauglich. Puristen mögen stilistisch ihr Vibrato und die breite Stimmführung à la Puccini bemängeln. Auf mich wirken die hochexpressive Gestaltungskraft und barock-üppige Farbenpracht ihres Soprans umwerfend. Didos berühmte Klage ‚When I am laid in earth‘ ist in diesem somnambulen Liebestod ein einziger sublimierter Triumpf menschlicher Stimmmagie. Im Schattenspiel mit lange nach unten projizierten Händen versinkt Dido langsam in den Fluten.

Ihr Heroe Aeneas wird von Halidou Nombre, ehemaliger Luftfahrtingenieur und Investmentbanker, in üppig roter Robe hollywoodreif dargestellt und vollmundig gesungen. Ein paar Portamenti weniger und eine purere Stimmführung und top wär’s. Die Amerikanerin Sarah Charles ist mit ihrem leichten lyrischen Sopran eine entzückende Belinda. Da sitzen die kleinsten Verzierungen wie angegossen, ihr silbern lyrische Sopran glänzt froh an allen Ecken und Enden.

Die Sprache der Aufführung sollte Englisch sein, ist aber bis auf den offenbar phonetisch gut studierten Chor der Opéra Royal, Attila Varga-Tóth und Sarah Charles kaum zu verstehen.

Uneingeschränktes Riesenvergnügen herrscht dank dem temperamentvoll auf der Violine dirigierenden Stefan Plewniak. Was das Orchestre de l’Opéra Royal hier an instrumentaler Intensität, Detailfreude, und irisierenden Streicherklängen darbietet, grenzt an ein Wunder. Empfehlung!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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