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DUISBURG: RIGOLETTO. Wiederaufnahme

24.01.2015 | Oper

THEATER DUISBURG: RIGOLETTO

 Wiederaufnahme im Theater Duisburg am 11.01.2015, besprochene Aufführung am 24.01.2015

Es entsteht geradezu der Eindruck, als habe die DOR zwei Gesichter. Mit der Wie­deraufnahme von Verdis RIGOLETTO konnte sie einen musikalisch glänzenden Abend auf der Habenseite verbuchen. Unter szenischen Aspekten hätte man die sechs Jahre alte Inszenierung von David Hermann (Bühne: Alexander Polzin, Kostüme: Cristina Nyffeler) hätte man besser für immer im Fundus belassen. Ange­sichts von so viel Dilettantismus, wie ihn Hermann auf die Bühne gebracht hat, hätte sich der Theaterpraktiker Giuseppe Verdi im Grab umgedreht. Das beginnt mit der szenischen Ausstattung. Im ersten Bild gibt es keine. Die Bühne ist leer. Im zweiten Bild wird die Spielfläche auf die Hälfte der Bühne, zeitweilig sogar auf ein Viertel (!) reduziert. Im dritten Bild stehen auf der Bühne rund dreißig nackte, gesichtslose Schaufensterpuppen beiderlei Geschlechts herum, die den Hofstaat in Mantua erset­zen. Im vierten Bild hat es einige davon umgehauen. Eine ganze Reihe sind auch verschwunden. Im Übrigen ist die Bühne wieder so gut wie leer. Das alles ist schon schlimm genug. Hermann hat allerdings darüber hinaus die Sänger massiv benach­teiligt. Abgesehen davon, daß die Intimität der Vereinsamung Rigolettos oder der Szenen mit seiner Tochter weitgehend untergeht, zwingt die Regie den Darsteller des Duca im letzten Akt auf einer sich bewegenden schiefen Ebene zu singen, so­daß er sich darauf konzentrieren muß, nicht herunterzufallen. Gilda raubt die Regie nach „Caro nome“ jeglichen Applaus, indem sie das im Puppenstubenformat angelegte Zimmer mit samt Sängerin in den Bühnenboden hinunterfahren läßt. Die Solistin ist also nach einer der markantesten Arien des ganzen Werks schlichtweg verschwunden. Damit sei der Aufzählung genug. Jedenfalls hat niemand etwas ver­säumt, der diese Regieleistung nicht erlebt hat.

Musikalisch bewegte sich hingegen der Abend auf alleroberstem Niveau. Überra­schend war zunächst, daß entgegen der Ankündigung der amerikanische Korrepetitor (mit Dirigierverpflichtung) Patrick Francis Chestnut am Pult stand. Das war allerdings ein Glücksfall. Er zauberte mit den Duisburger Philharmonikern einen musika­lisch durchweg spannungsreichen Abend auf die Bühne und trotzte damit der Öde und den Ärgernissen der Regie. Der Herrenchor der DOR sang unter Einstudierung von Gerhard Michalski ordentlich. Die Choristen waren allerdings ständig gezwun­gen, eigenartige gymnastische Bewegungen zu vollführen (erstes Bild) oder sich hin­ter jeweils einer der Schaufensterpuppen zu verstecken (drittes Bild). Durch diesen Firlefanz wurde die Aufmerksamkeit von der eigentlichen sängerischen Chorleistung stark abgelenkt.

Im Sängerensemble stahlen gewissermaßen die jungen Solisten den Arrivierten die Schau. Das ist allerdings nicht ganz überraschend, weil das Ensemble der DOR eine Fundgrube an guten jungen Sängern ist, sodaß fast jede Partie damit erstrangig besetzt werden kann. Prominentestes Ensemblemitglied war gleichwohl der 44jähri­ge Römer Gianluca Terranova, der in Wien ebenso wie an der Scala gesungen hat. Als Macho, welcher der Duca nun einmal ist, macht er beste Figur. Sein vokales Po­tential ist beachtlich. Er fürchtet keine Höhen und keine Acuti. Etwas irritierend ist jedoch, daß seinem Timbre der typische tenorale Schmelz für den Belcanto abgeht. Als Rigoletto war mit Melih Tepretmez ein Bariton zu hören, der zwar auch schon an der DO Berlin gesungen hat, dessen Name sich aber wohl nur merken kann, wer zu­mindest ein Grundverständnis für die türkische Sprache hat. Er war ein durchaus rollenfüllender Rigoletto mit baritonalen Reserven in jeder Lage, spielte auch, soweit es die Regie zuließ, engagiert. Irgendwie fehlte aber ein wenig die persönliche Aus­strahlung, aber nicht jeder kann halt ein Leo Nucci sein.

Damit kommen wir zu den sängerischen Höhepunkten der Youngster, welche alle um die Dreißig oder sogar jünger sind. Der Pole Lukasz Konienczny (nicht zu verwech­seln mit Tomasz Konienczny) prunkte als Sparafucile mit opulenter Tiefe und stilisti­scher Sicherheit. Zudem lehrte er mit seiner hünenhaften Erscheinung trotz lächerli­cher Kostümierung durchaus das Fürchten vor dem Profikiller Sparafucle. Eine hocherotische Maddalena war die Rumänin Ramona Zaharia, 2012 noch Carmen in St. Margarethen, mit ihrer exzellenten Figur und den langen schwarzen Haaren gera­dezu das Idealbild einer Verführerin. Zudem verfügt sie über einen opulenten Mezzo­sopran, der für die Zukunft große Hoffnungen weckt. Selbst die meisten Comprimari waren mit Daniel Djambazian (Monterone), Monika Rydzkowski (Contessa di Ceprano) und Maria Popa (Giovanna) bestens besetzt.

 Das Publikum fokussierte sich allerdings mehr oder weniger auf Elena Sancho Pereg als Gilda. Es faszinierte auch in dieser Partie, mit welcher Mühelosigkeit sie sich in der dreigestrichenen Oktave bewegt, wie sicher die Koloraturen und Fiorituren kommen und wie sie auch in der Mittellage mit einschmeichelndem Timbre fasziniert. Allerdings fehlte ihr in dieser Partie die Möglichkeit, ihr spanisches Temperament auszuleben. Die Gilda ist eine arg introvertierte Figur. Mit Adina oder Norina kann man darstellerisch deutlich mehr zeigen. Bleibt noch zu erwähnen, daß sich Sancho Pereg zwar im Sack auf die Bühne schleifen lassen muß und von Rigoletto librettoge­recht ausgepackt wird, wenn er allerdings „E morta!“ singt, aufrecht und quickleben­dig stehen bleibt, was der Sängerin beim Publikum auch noch den üblichen Mitleids­bonus der Rolle raubt.                                              

Klaus Ulrich Groth

 

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