„Romeo und Julia“ von Boris Blacher am 18.4.2021 in der Deutschen Oper am Rhein (Theater Duisburg)/DUISBURG
Eine verbotene Liebe
Der deutsch-baltische Komponist Boris Blacher konzentriert sich in seiner 1943 nach William Shakespeare entstandenen Kammeroper „Romeo und Julia“ ganz auf die Hauptfiguren. Eine wichtige Rolle übernimmt hier der rhythmisch und harmonisch ausgeprägte Chor, der das Scheitern dieser Liebe immer wieder zwischen Chansons und prägnanten Motiven erzählt.
Die Inszenierung von Manuel Schmitt unterstreicht zwar die Kargheit der Instrumentierung, lässt aber den Zauber des Elisabethanischen Zeitalters aufblühen. Die Protagonisten erscheinen und verschwinden in der Versenkung, der Bühnenboden hebt und senkt sich ebenfalls (Bühne und Kostüme: Heiko Scheele). Musikalisch-szenische Überschneidungen ergeben sich so wie von selbst. Zu Beginn und am Schluss meint man Königin Elisabeth I. in ihrer überaus opulenten Robe zu erkennen. Die rhythmischen Elemente der Partitur übertragen sich so immer wieder auf die Bewegungen der Sänger – wobei Romeo und Julia stets im Zentrum des Geschehens stehen. Die Bühne gleicht einer Arena, von den oberen Emporen herab öffnen sich Türen – und der Chor kommentiert das Geschehen fast plakativ wie in einer antiken Tragödie. Elemente wie Blues und Swing sind in dem einstündigen Werk ebenfalls auszumachen. Boris Blacher zeigt einen plastischen Theaterinstinkt. Klangobjekte des metrischen Kalküls blitzen hier immer deutlich auf – und auch die lyrische Entfaltungskraft der Kantilenen und Arien wird bei dieser Aufführung mit den Duisburger Philharmonikern unter der einfühlsamen musikalischen Leitung von Christoph Stöcker deutlich. Metrische Serien mit musikalischen Phrasen stechen präzis hervor. Davon profitieren die allesamt überzeugenden Sängerinnen und Sänger.
Jussi Myllys als Romeo und Lavinia Dames als Julia ergänzen sich in idealer Weise auch hinsichtlich des gesanglichen Formgefühls. Eine virtuose Technik kennzeichnet ebenso die anderen Gesangspartien, denen Katarzyna Kuncio als Lady Capulet, Renee Morloc als Amme, Günes Gürle als Capulet und Andres Sulbaran als Tybalt eindrucksvolle Gestalt geben. So gewinnen die Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Familien der Montagues und Capulets immer größere Deutlichkeit. Besinnlichkeit und schwindelnd-erregende Unruhe stehen dabei dicht nebeneinander, werden in ihrer Intensität durch das filigrane Musizieren der kleinen Orchestergruppe noch gesteigert. Vor dem gemeinsamen Liebestod Romeos und Julias treten noch einzelne Musiker auf die Bühne und sorgen für ein thematisches und szenisches Tohuwabohu. Humorvolle Sequenzen fehlen also ebenfalls nicht. Unisono-Effekte geben den Chorpassagen eine eherne Klarheit. Der von Gerhard Michalski sorgfältig einstudierte Chor der Deutschen Oper am Rhein bietet dabei eine effektvoll-bewegende Leistung.
Die weiteren Sängerdarsteller Beniamin Pop als Benvolio, Florian Simson als Peter/Chansonnier sowie die Musikanten Steffen Weixler, Peter Nikolaus Kante und Klaus Pütz beweisen ihre Theaterpräsenz. Starke Szenen bietet ferner Manuel Schmitts Kampfchoreographie, die sich den Ausdrucksnuancen von Blachers differenzierter Partitur wirkungsvoll anpasst. Manchmal glaubt man sogar, dass die einzelnen Instrumente den Gesangspartien höchst sensibel antworten. Das macht die Qualität von Boris Blachers Komposition aus. Man hat dieses in den Kriegszeiten entstandene Werk auch als „weltliches Oratorium“ bezeichnet. Hier wird es zu einer berührenden Tragödie auf kleinem Raum.
Alexander Walther