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DÜSSELDORF/Rheinoper: DER GOLDENE HAHN von Rimski-Korsakow. Premiere

16.04.2016 | Oper

DÜSSELDORF: DER GOLDENE HAHN             Premiere am 15. April 2015

Die Opern Nikolai Rimski-Korsakows sind auf Bühnen außerhalb Russlands nicht eben häufig, aber doch in regelmäßigen Abständen anzutreffen. „Zar Saltan“ wurde 2015 sogar an der Dresdner Staatsoperette gespielt, „Kitesch“ zuletzt in Amsterdam und Barcelona (2012/2014), „Mozart und Salieri“ in Rheinsberg (2014); rar macht sich allerdings „Sadko“. Die wahrscheinlich letzte deutsche Produktion von „Der goldene Hahn“ fand 2007 in Dortmund statt. Dieses Werk offeriert jetzt auch die Deutsche Oper am Rhein, nachdem sie ihr russisches Repertoire in der letzten Spielzeit bereits mit Prokofjews „Feurigem Engel“ angereichert hatte.

Rimski-Korsakow widmete sich gerne Märchenstoffen und Legendenhaftem, teilweise mit myop(s)tischem Einschlag wie im Falle „Kitesch“. Dieses Werk sollte eigentlich das Finale im Bühnenschaffen des Komponisten markieren. Aber die unruhigen Zeitläufte, während derer Rimski-Korsakow mehrfach mutig protestierend seine Stimme erhob, ließen ihn dann doch noch einmal zur Feder greifen. Wladimir Belski, sein bewährter Textdichter, wählte als Stoff das letzte Märchen Alexander Puschkins (auch er übrigens ein kritischer Zeitgenosse) , in welchem dieser wiederum auf Washington Irvings „Legende vom arabischen Sterndeuter“ zurückgriff, 1832 in Paris in französischer Sprache veröffentlicht. Der Weg all dieser Modifikationen ist in Kürze kaum angemessen rekapitulierbar. An dieser Stelle mag die Feststellung genügen, dass Rimski-Korsakow mit seinem „Goldenen Hahn“ über die „bezaubernden und berauschenden Lügen“ (O-Ton Rimski-Korsakow) seiner bisherigen Opernstoffe entschieden hinausging.

Die kritischen Anspielungen auf das Zarentum in seinem Märchen brachten Puschkin Schwierigkeiten ein, auch Rimski-Korsakow erfuhr Repressalien (Amtsenthebung am Petersburger Konservatorium, was aufgrund öffentlicher Proteste aber wieder rückgängig gemacht wurde). Es muss in dem von Natur aus sicher nicht revolutionär gestimmten Komponisten sehr stark gebrodelt haben, dass er, der auf Fotos meist unverbindlich patriarchalisch wirkt, so vehement gegen das zaristische Establishment opponierte.

Die Oper „Der goldene Hahn“ ist nun freilich kein offenes Fanal, die Handlung bleibt auf märchenhafte Weise verschlüsselt. Aber ihre Musik liefert mannigfache Kommentare, eine Musik, die bereits aufgrund ihrer fortschrittlichen, mitunter sogar radikalen Tonsprache und ihrem satirischen Klanggewand (dieses aber weiterhin farbenprächtig wie für Rimski-Korsakow typisch) den Zuhörer in Spannung versetzt. Die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER geben unter AXEL KOBER dieser Wirkung mächtig Nachdruck.

Etwas mehr Nachdruck hätte allerdings die Inszenierung DMITRY BERTMANs, Gründer der Moskauer Helikon-Oper, vertragen. Die eminente Werkkenntnis des Regisseurs dokumentiert ein Programmheft-Gespräch zwar eindrucksvoll, doch sein Szenenspiel wirkt in summa zwar unterhaltsam virtuos, aber allzu freundlich komödiantisch. Andere Regisseure hätten möglicherweise auf die Oktoberrevolution angespielt, den Zusammenbruch des Kommunismus gestreift und die politische Entwicklung bis hin zu Putin einbezogen. Man darf nun freilich dankbar sein, dass dies in Düsseldorf nicht vordergründig geschieht, das Werk interpretatorisch also nicht erdrückt wird,

Ein wenig mehr Biss und Aufmüpfigkeit hätte der Inszenierung indes gut getan. Sie beginnt freilich mit einer entlarvenden Introduktion, wo der auf Ruhe erpichte Zar Dodon und seine Söhne Gwidon und Afron sowie der General Polkan in einem schaumbedeckten Badezuber gemütlich biertrinkend fern von Tagesrealität über Politik palavern. Die Begegnung Dodons mit der Königin von Schemacha zeigt dann vor allem die Konfrontation von weiblich-erotischer Offensive und kleinbürgerlicher Sex-Verklemmung, wobei BORIS STATSENKO, mit seiner virilen Stimme in der Regel veristischer Bariton vom Dienst (Amonasro, Scarpia, demnächst Jago) mit herrlich komödiantischen Spiel aufwartet. Dennoch fehlt es diesen Szenen an subversiver Schärfe, wie auch der Chor des unterdrückten Volkes einigermaßen unverbindlich wirkt.  Das Aufrührerische des Sujets wird vom komödiantischen Impetus der Inszenierung weitgehend überflügelt. Dass die Aufführung einen großen Spaßfaktor besitzt, sei allerdings nicht gering veranschlagt.

Ein Brückenschlag zwischen Gestern und Heute findet sich in der Ausstattung von ENE-LIIS SEMPER. Ihre beweglichen Bühnenaufbauten erinnern ein wenig an das Dekor für die Aufführung der Oper am Moskauer Solodownikow-Theater 1909. Bei den Kostümen mischen sich heutige Alltagskleidung und Orientopulenz für die Welt der Königin von Schemacha. In ihr sieht der Regisseur auch viel französisches Flair ausgedrückt, womit er u.a. auf Serge Diaghilews „Russisch historische Konzerte“ in Paris Bezug nimmt.

Bei den Sängern überbieten sich (neben dem auftrumpfenden Boris Statsenko) CORBY WELCH, ROMAN HOZA und SAMI LUTTINEN an dümmlich-gespreiztem Gehabe bei den Figuren von Gwidon, Afron und General Polkan; alle stimmlich lustvoll. Drastisch und mezzosaftig verkörpert RENÉE MORLOC die Beschließerin Amelfa, welche zuletzt vor den Augen des hungrigen Volkes den gegrillten goldenen Hahn verspeist. Als noch lebendiges Tier wirkt die schönstimmige EVA BODOROVÀ im Prolog und Epilog sowie bei den Auftritten  in den Rängen des Zuschauerraumes ein wenig unverbindlich dekorativ; irgendetwas Gefährliches sollte in dieser Figur schon aufblitzen. Durch die Koloraturen und Melismen der Königin von Schemacha gleitet die auch von der Erscheinung her attraktive ANTONINA VESENINA elegant und stimmlich perfekt, im Ausdruck aber auch etwas pauschal. In der kastratenhaft hohen Partie des Astrologen macht CORNEL FREY beste Figur.

Eine Köstlichkeit für sich sind übrigens die alltagssprachlich gereimten Übertitel.

Christoph Zimmermann

 

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