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DÜSSELDORF: DER ROSENKAVALIER

08.06.2015 | Oper

DÜSSELDORF: Der Rosenkavalier (Wiederaufnahme 17.05.2015, besuchte Aufführung 07.06.2015)

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Katarzyna Kunico. Copyright: Matthias Jung

 Die DOR hat Otto Schenks Inszenierung aus dem Jahre 1981 wieder ausgegraben. Das war ein Glücksgriff und wurde vom Publikum vorbehaltlos goutiert. Natürlich ist es für jeden Spielleiter (in diesem Fall Volker Böhm) schwierig, nach 34 Jahren alle Nuancen der Perso­nenführung noch so nachzuvollziehen, wie es der Regisseur seinerzeit sehen wollte. Im Gro­ßen und Ganzen gelang das jedoch. Wer Otto Schenks Inszenierungen in München oder Wien gesehen hat, weiß ohnehin, wie authentisch er das Werk auf die Bühne zu bringen verstand.

 Am Pult stand GMD Axel Kober, spätestens seit seinem Bayreuther Debüt ein begehrter „Ex­portartikel“ der Rheinoper. Dass er eine gute Hand für Strauss-Partituren hat, weiß man. Al­lerdings irritierten zuweilen seine Tempi. Natürlich gibt es Tempovorgaben in der Partitur. Diese sind aber, wie jeder weiß, letztlich dem Ermessen des jeweiligen Dirigenten unterwor­fen. So hatte man den Eindruck, als verhetze Kober geradezu die Vorspiele zum ersten und dritten Akt. Umso erfreulicher war, daß ihm die Düsseldorfer Symphoniker dennoch unfallfrei zu folgen verstanden. Positiv hervorzuheben ist, daß Kober es durchaus auch verstand, vor allem im Finale des dritten Akts, den Stimmen breiten Raum und den Sängern die Gelegen­heit zum Atmen zu geben. Letztlich gelang dadurch eben dieses Finale emotional berührend, wie der Rezensent es in seiner langjährigen Aktivität selten erlebt hat. Der von Christoph Kurig einstudierte Chor trug sängerisch und darstellerisch das Seine zum Gelingen des Abends bei.

 Die Besetzung war außergewöhnlich. Lars Woldt ist ein Ochs mit gewaltigem stimmlichen Potential. Das Timbre mag hingegen Geschmacksache sein. Er spielt die Rolle von der ersten bis zur letzten Sekunde souverän aus und bringt dabei seine Erfahrung aus zahlreichen vor­ausgegangenen Produktionen ein. Eine einzige Einschränkung ist zu machen: Wenn auch für einen Baß das tiefe C oder D nicht existentiell wichtig sind wie das hohe C für einen Tenor, sollte man sie schon zuverlässig haben. Das C im ersten Akt markierte er jedoch nur. Das tie­fe E zum Schluß des zweiten Akts hatte er allerdings, wenngleich nicht so klangvoll, wie man es sich wünschen würde. Als Octavian glänzte Katarzyna Kunico, spielte die Rolle bis ins Detail exzellent aus und bewies dabei zuweilen eine erstaunliche physische Flexibilität. Auch eine gewisse erotische Ausstrahlung brachte sie durchaus mit, was in dieser Partie, in der eine Frau einen Mann und dieser wieder eine Frau spielt, an sich schon kurios ist. Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten bot sie mit ihrem technisch sauber geführten Mezzosopran herrliche Straussbögen. Besonders eindrucksvoll war das im Rahmen der Interaktion mit Anke Krab­be, einer attraktiven blonden Sophie mit glockenreinem Sopran. Auch hier ist hervorzuheben, wie Krabbe die Figur herüberzubringen vermochte: Zwischen jungfräulichem Charme und Ir­ritation blitzten weibliche Zickigkeit und Auflehnung gegenüber dem unerwünschten Bräuti­gam auf. Diese beiden Sängerdarstellerinnen können mit ihren Partien auf jeder großen Bühne bestehen und sicherlich auch begeistern.

 Eine weniger glückliche Figur machte Linda Watson als Marschallin. Bei ihr handelt es sich um eine im wahrsten Sinne des Wortes gestandene Wagner-Heroine mit entsprechenden vokalen Mitteln, leider aber auch beachtlichem Körperumfang. Im TV- und Videozeitalter ist die optische Präsenz zunehmend wichtiger geworden (bestes Beispiel ist Renée Fleming). Schon viele Interpretinnen vor ihr haben es verstanden, der Figur die vom Librettisten und Komponisten zugedachten Vorzüge zu vermitteln, nämlich die Reife einer nicht mehr ganz jungen, gleichwohl noch attraktiven und deshalb erotisch reizvollen Frau zu vermitteln, die weiß, was sie will und wo ihre Grenzen liegen. Für Watson ist das ein Problem. Auch den sil­brigen Klang eines typischen Strausss-Soprans kann ein hochdramatischer Wagnersopran nur bedingt vermitteln. Der Beliebtheit der Sängerin beim Publikum tat das jedoch keinen Ab­bruch.

 Exzellent besetzt war die „Brüllpartie“ des Faninal mit Stefan Heidemann, der wie ein Irr­wisch über die Bühne tobte. Exzellent besetzt war auch der Valzacchi mit dem Stuttgarter Gast Torsten Hofmann. Den schmierigen Italiener (warum eigentlich ausgerechnet ein Ita­liener?) nahm man ihm jederzeit ab. Die Annina sang Susan Maclean rollengerecht. Als Leitmetzerin blieb Lisa Griffith recht blaß. Unter den kleinen Partien fiel Jussi Myllys als mit kraftvollem Tenor aufwartender Sänger ebenso auf wie Johannes Preißinger als Wirt, dem ein strahlendes hohes B gelang. Auffällig war auch Florian Simson als mit profunden vokalen Mitteln aufwartender Haushofmeister der Feldmarschallin, in einer Partie also, die man sonst kaum bemerkt. Bleibt noch zu erwähnen, daß es in der Schenkinszenierung im ersten und letzten Akt auch noch den kleinen Mohren gibt, dargestellt von Mrinali Elango, der seinen Abgang mit köstlicher kindlicher Naivität ausspielte. 1981 gab es schließlich auch noch keine selbst ernannten Gutmenschen, die den Auftritt eines kleinen Negerleins als dis­kriminierend angeprangert hätten …                                                          

Klaus Ulrich Groth

 

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